Traditionell gilt der vierte Platz im Sport als die undankbarste Plazierung.
Dagegen löst diese Position unseres Bundesligateams am Ende einer exzellenten Saison
uneingeschränkt Begeisterung aus. Selbst die kühnsten Optimisten hätten
nach der vergangenen Zittersaison nicht davon zu träumen gewagt, die Saison
punktgleich mit einem Spitzenteam wie der SG Porz abschließen zu können. Doch
das starke Comeback von Artur Jussupow am Spitzenbrett, das vielversprechende
Bundesligadebüt von David Baramidze und viele exzellente Einzelleistungen, von denen
exemplarisch nur Predrag Nikolic, Alexander Naumann, Michael Hoffmann und Sipke Ernst
genannt seien, sorgten für eine tolle Spielzeit, die durch den Sensationspokalsieg
der zweiten Garnitur noch abgerundet wurde. Vor allem ist im Laufe der vergangenen 3 Jahre
eine Mannschaft gewachsen, die angeführt von den Urgesteinen Jussupow und Nikolic
immer stabiler und durch die vielen jungen Leute auch immer stärker wird. Das zeigte
sich auch beim abschließenden 4½:3½-Sieg über Mülheim Nord,
bei dem Daniel Stellwagen und Christian Gabriel die Matchwinner waren.
Zunächst einmal bot der Kampf jedoch typisches Bundesliga-Sonntagsschach, da die
Mülheimer ihre bittere Niederlage vom Vortag, als es gegen Wattenscheid nach
3½:1½-Führung schließlich 3½:4½ hieß,
verdauen mussten, während einige Solinger den Kantersieg über Katernberg
vielleicht etwas zu ausgiebig gefeiert hatten. So kam es doch zu zahlreichen schnellen
Friedensschlüssen: Predrag Nikolic trennte sich von GM Daniel
Fridman (2562) in einer ausgeglichenen Damengambit-Stellung ebenso unentschieden wie
David Baramidze mit Schwarz gegen GM Felix Levin (2487). Auch im Duell
der angehenden Großmeister Michael Hoffmann und Daniel Hausrath
(2466) sowie zwischen IM Olaf Wegener (2404) und Sipke Ernst wurde
ausgangs der Eröffnung Remis gegeben, als die Stellungen gerade interessant zu werden
drohten.
Nur etwa 10
Züge mehr dauerte die Begegnung zwischen GM Konstantin Landa (2600) und Artur
Jussupow am Spitzenbrett. Allerdings wurde hier nach einer höchst komplexen
Auseinandersetzung in der Züricher Variante des 4.Dc2-Nimzoinders in einer
völlig unklaren Stellung Remis vereinbart, da beide Spieler in Anbetracht ihrer
Zeitknappheit offenbar das letzte Risiko scheuten. Zudem dürften Artur die Ereignisse
am 5. Brett zugesagt haben, wo Christian Gabriel mit den schwarzen
Steinen in einem geschlossenen Spanier gegen das von Michail Saltaev gewählte seltene
System langsam die Initiative erobert hatte und diese in der Zeitnotphase in
Materialgewinn ummünzen konnte, der wenig später die Führung zum
3½:2½ bedeutete.
Nun musste die
Entscheidung in den letzten verbliebenen Begegnungen fallen: Daniel
Stellwagen besaß gegen GM Gerhard Schebler (2471) in einem Turmendspiel mit
ungleichfarbigen Läufern kleine Vorteile, die er mit Zähigkeit und solider
Technik schließlich in den Sieg verwandeln konnte, der den Kampf entschied. Damit
waren Stellwagen und Gabriel mit jeweils zwei Siegen die Topscorer des Wochenendes. Beim
Stande von 4½:2½ konnte Teamchef Scheidt auch den Weg zur Solinger
Immobilien-Ausstellung antreten und erlebte so nicht mehr mit, wie Robert
Zysk gegen FM Christof Sielecki (2382) in einer aus einem »Black
Tango« hervorgegangenen Bogo-Indisch-Struktur langsam überspielt wurde und die
einzige Solinger Niederlage des Wochenendes hinnehmen musste.
Während die unglücklichen Mülheimer so ihrer Serie von
3½:4½-Niederlagen in dieser Saison zwei weitere folgen ließen, blieb
diese abschließende Null der einzige Schönheitsfehler aus Solinger Sicht an
diesem Wochenende, an dem eine exzellente Saison ihren würdigen Abschluss fand.
Mit einem in dieser Höhe völlig unerwarteten 6½:1½-Erfolg
über die Sportfreunde Katernberg begeisterten Solingens Spitzenspieler nur eine Woche
nach dem Sensationserfolg im DSB-Pokal erneut die Anhänger in der Klingenstadt. Das
Team trumpfte mit einer homogenen Mannschaftsleistung in Mülheim auf, so dass keine
Partie verloren wurde und nach der Niederlage von Tegernsee gegen den Hamburger SK sogar
der Sprung auf den vierten Tabellenplatz gelang, der im morgigen Fernduell mit dem TV
Tegernsee unbedingt verteidigt werden soll.
Hätte man gegenüber Teamchef Herbert Scheidt dieses
Endergebnis in der Wochenmitte prognostiziert, so hätte er dies bestimmt für
einen verfrühten Aprilscherz gehalten, denn nach zahlreichen Absagen im Vorfeld und
einer kurzfristigen Verhinderung von Jan Werle stand Scheidt in der Wochenmitte mit nur
sieben Spielern da. Glücklicherweise konnte jedoch Christian Gabriel
seine beruflichen Termine umdisponieren, so dass dann doch ein sehr schlagkräftiges
Oktett zum »NRW-Gipfel« an die Bretter gehen konnte. Da auch die Essener auf
einige Stammkräfte verzichteten, ergab sich insbesondere an den hinteren Brettern ein
Übergewicht zu Gunsten unserer Mannschaft, so dass man leicht favorisiert in die
Partie ging.
Nach etwas über zwei Stunden gab es die erste Punkteteilung zu verzeichnen:
Michael Hoffmann offerierte mit Schwarz in einem Drachen gegen IM
Matthias Thesing (2413) aus einer Position der Stärke die Punkteteilung, nachdem
dieser nicht sonderlich ambitioniert agiert hatte. Deutlich länger dauerte das
Unentschieden am Spitzenbrett, wo Artur Jussupow gegen den
brandgefährlichen GM Alexander Volokitin (2660) aus einem ruhigen
Colle-Zukertort-Aufbau schließlich eine sehr dynamische Position kreierte, in dem
das Gleichgewicht letztlich aber niemals ernsthaft gestört wurde. Noch komplizierter
stellten sich die Ereignisse bei David Baramidze dar, der gegen den
holländischen GM Erwin LAmi (2565) in einem offenen Spanier eine Qualität
gewann, danach aber in einer sehr taktischen Stellung äußerst genau spielen
musste, was ihm aber tadellos gelang. Kurz vor der Zeitkontrolle musste sich der
Niederländer in einem hoffnungslosen Endspiel geschlagen geben.
In der Zeitnotphase gelang unserem Team dann mit einem Doppelschlag die Entscheidung:
Christian Gabriel, der mit Weiß in einem angenommenen Damengambit
gegen IM Georgios Souleidis (2435) stets leicht besser stand, entwickelte mit einem
Qualitätsopfer einen unwiderstehlichen Angriff am Königsflügel, den der
Grieche in hoher Zeitnot nicht mehr verteidigen konnte. Unmittelbar danach erhöhte
Robert Zysk gegen den Essener Mannschaftsführer FM Bernd Rosen
(2310) sogar auf 4:1. Nach einer mißlungenen Eröffnung, in der Rosen in einem
Engländer sehr gutes Spiel mit Weiß erlangt hatte, verteidigte sich Zysk
erfindungsreich. Als der bekannte Schachtrainer dann in der Zeitnotphase ein
überambitioniertes Opfer von zwei Türmen gegen die schwarze Dame anbrachte,
wurde er in einem hübschen Mattfinale durch beide Zyskschen Türme
ausgekontert.
Damit war der Kampf
entschieden, denn Daniel Stellwagen hatte mit Schwarz in einem
Paulsen-Sizilianer frühzeitig gutes Spiel gegen IM Martin Senff (2476) erlangt, dass
er später in einen Bauerngewinn ummünzen konnte. Das entstandene
Springerendspiel führte Daniel dann souverän zum Sieg. Diesen erreichte mit
etwas mehr Mühe auch Sipke Ernst gegen IM Christian Scholz (2390).
Zwar hatte Sipke bereits im Mittelspiel solide Vorteile besessen, musste aber durch die
Anwesenheit von ungleichfarbigen Läufern noch lange arbeiten. Zu diesem perfekten
Kampf aus Solinger Sicht passte es dann auch, dass die einzige kritische Stellung des
Kampfes von Predrag Nikolic auch noch Remis gehalten wurde. In einem
Saitzew-Spanier geriet Predrag gegen den israelischen GM Sergej Erenburg (2554) mit
Schwarz unter Druck und landete in einem Schwerfigurenendspiel mit Minusbauer. In diesem
ging Erenburg dann nicht geduldig genug vor, sondern wickelte unter Rückgabe seines
Mehrbauern direkt in ein Bauernendspiel ab, das Nikolic trotz des entfernten weißen
Freibauern Remis halten konnte.
Damit war der zweithöchste Saisonsieg perfekt und Teamchef Herbert
Scheidt natürlich glänzender Laune. Am morgigen Sonntag müssen die
punktgleichen Tegernseer gegen Werder Bremen antreten, so dass wir mit einer
ähnlichen Leistung im Duell mit den Gastgebern aus Mülheim beste Chancen
aufweisen, den vierten Tabellenplatz zu verteidigen.
Der 13. Spieltag verlief durchaus im Sinne unserer Bundesligamannschaft. Wie
bereits am Vortag Mülheim Nord unterlag auch der andere direkte Verfolger Katernberg
gegen den TV Tegernsee, so dass der Vorsprung auf den 6. Tabellenplatz vor dem
»NRW-Gipfel« in der letzten Doppelrunde komfortable 4 Zähler
beträgt. Auch der Viertplazierte Tegernsee ist mit nur 2 Punkten Vorsprung und noch
einem Kampf gegen Bremen nicht außer Reichweite. Einziger Wermutstropfen: Beim
glanzlosen, aber niemals gefährdeten 5:3-Pflichtsieg über Gastgeber Leipzig
Gohlis versäumte es unser Team, etwas für das Brettpunktekonto zu
tun.
Nach dem klaren Sieg vom Vortag über Zehlendorf ließ unser Team den
Sonntagskampf etwas ruhiger angehen. Spitzenbrett Predrag Nikolic gab
sich mit Schwarz gegen seinen Großmeisterkollegen Lothar Vogt (2484) in einer
ausgeglichenen Stellung einer verzögerten Spanischen Abtauschvariante frühzeitig
mit der Punkteteilung zufrieden. Auch der zur Zeit in absoluter Topform befindliche
Michael Hoffmann konnte mit den schwarzen Steinen gegen die solide
Spielanlage in einem königsindischen Angriff von Michael Quast (2281) nichts
erreichen und einigte sich ebenfalls bald auf Remis.
Diese beiden Friedensschlüsse waren
natürlich auch von einem exzellenten Verlauf der Weiß-Partien beeinflusst.
David Baramidze war nach seiner gestrigen Niederlage hochmotiviert und
bestrafte eine Fehlkalkulation von IM Michael Roos (2371) souverän. Neben einem
Mehrbauern erhielt David einen mächtigen Freibauern auf der d-Linie, so dass sich
Roos bereits vor der 30-Züge-Marke geschlagen geben musste. An Brett 4 gab es fast
eine Parallelität der Ereignisse zu bestaunen. Hier hatte Alexander
Naumann gegen FM Manfred Schöneberg (2323) frühzeitig die Damen
getauscht und immer ein vorteilhaftes Endspiel auf dem Brett, in dem schließlich
sein Freibauer auf der e-Linie für die Entscheidung sorgte.
Etwas wilder verlief die Partie von Sipke Ernst gegen FM Johannes
Fischer (2285). Nach einer ruhigen Damenbauer-Eröffnung, die aus einem
Trompowski-Angriff hervorgegangen war, erhöhte Sipke zunächst mit der
Öffnung der f-Linie die Schlagzahl. Der Leipziger goß mit einem Figurenopfer
auf d4 weiteres Öl ins Feuer. In den nun entstehenden Komplikationen behielt
schließlich unser holländischer Topscorer die Übersicht und fuhr den
dritten Sieg des Tages ein. Die perfekte Weiß-Bilanz verhinderte Lorenz
Drabke, der gegen die französische Verteidigung von FM Stephan Rausch (2343)
einen Philidor-Aufbau im Anzug wählte. Damit konnte er jedoch keinen Vorteil erzielen
und die Partie endete schließlich nach einer Zugwiederholung Remis. Somit war der
Kampf bereits vor der Zeitkontrolle beim Stande von 4½:1½ entschieden.
In den beiden verbleibenden Partien tat sich aber wenig
erfreuliches: Daniel Stellwagen stand mit Schwarz in einem
Tarrasch-Franzosen gegen den gut präparierten FM Ludwig Zesch (2292) immer etwas
schlechter, konnte aber schließlich dank genauer Verteidigung in einem
Leichtfigurenendspiel mit Minusbauern die Punkteteilung erreichen. Dieses Ziel verfehlte
Robert Zysk. Mit Schwarz hatte er gegen FM Hendrik Hoffmann (2284) in
einer Modernen Verteidigung jegliche Vereinfachung vermieden, um seinen 100-%-Score in
dieser Saison aufrechtzuerhalten. Es entstand zunächst eine äußerst
komplizierte, verschachtelte Stellung, in der der Leipziger jedoch die besseren Hebel
besaß, so dass Zysk vor der Zeitkontrolle in Nachteil geriet. Er verteidigte sich in
einem Endspiel mit Turm gegen zwei Leichtfiguren zwar zäh, musste aber
schließlich anerkennen, dass der Leipziger die Technik des Mattsetzens mit Springer
und Läufer einwandfrei beherrschte, womit er den einzigen Sieg für die Sachsen
zum 3:5 erzielte.
Mit einem 7:1-Erfolg über den bereits als Absteiger feststehenden
Tabellenletzten SK Zehlendorf festigte unsere Bundesligamannschaft den fünften
Tabellenplatz und erfüllte die Vorgaben von Teamchef Herbert Scheidt, der einige
Stammspieler pausieren ließ. Letztlich musste nur David Baramidze eine Niederlage
einstecken. Dennoch fiel der Sieg insgesamt etwas zu hoch aus, war aber niemals ernsthaft
gefährdet.
Vielleicht war es ganz gut, dass es vor dem Wochenende mit den beiden
»Pflichtaufgaben« gegen die designierten Absteiger Zehlendorf und Leipzig
Gohlis den Dämpfer in Form einer überraschenden Niederlage gegen die
Schachfreunde Berlin gegeben hatte, denn so war wenigstens die hinreichende Konzentration
für die scheinbar leichten Aufgaben gewährleistet. Dennoch nutzte Herbert
Scheidt die doch immense nominelle Überlegenheit dazu, einigen Ersatzspielern des
Kaders endlich einige Einsatzmöglichkeiten zu bieten.
Der Auftakt verlief dann
auch plangemäß: Daniel Stellwagen, der im Vormonat wegen
Krankheit noch kurzfristig passen musste, bot bei seinem ersten Einsatz in diesem
Kalenderjahr eine spielfreudige Vorstellung. Sein Kontrahent, der zur Zeit in Budapest
lebende Routinier IM Dimo Werner (2369), wählte eine anrüchige Variante im
Skandinavier, in der sein König in der Mitte stecken blieb. Stellwagen gewann
frühzeitig eine Qualität und konnte bereits nach 25 Zügen den vollen Punkt
verbuchen. Nicht viel länger dauerte die nächste Partie, welche allerdings ein
nicht einkalkuliertes Ergebnis brachte. David Baramidze verpasste mit
Schwarz ausgangs der Eröffnung in einem scharfen Lg5-Najdorf-Sizilianer die beste
Fortsetzung und hatte gegen den ukranischen GM Andrei Maximenko (2505) frühzeitig mit
Problemen zu kämpfen, von denen er sich nicht mehr erholte.
Neben diesem Verlust bereitete auch die Stellung von
Michael Hoffmann Sorgen, dem die Eröffnung mit Weiß gegen FM
Dr. Wolfram Heinig (2319) völlig mißlungen war, so dass er kompensationslos
einen Minusbauern besaß. Glücklicherweise ließ der Berliner jedoch die
Chancen auf großen Vorteil ungenutzt, so dass sich Michael langsam wieder befreien
konnte. Auch Lorenz Drabke musste bei seinem Bundesliga-Debüt in
dieser Saison gegen Kasmir Ribic die Hilfe von Caissa in Anspruch nehmen. Nach einem
Qualitätsopfer besaß er zwar Angriffschancen gegen den Kontrahenten seines
Königs, die dieser aber mit exaktem Spiel hätte abwehren können. Statt
dessen wählte er eine Fortsetzung, die Lorenz ein hübsches Mattfinale
ermöglichte. Deutlich souveräner agierten Sipke Ernst und
Robert Zysk, die gegen die Berliner Urgesteine FM Peter Rahls (2334) und
FM Harald Lieb (2235) jeweils im Mittelspiel einen Bauern eroberten und diesen dann
souverän in volle Zähler ummünzten.
In Anbetracht seines aktuellen Laufes verwunderte es nicht, dass schließlich auch
noch Michael Hoffmann, nachdem er wieder »im Spiel« war,
seinen Kontrahenten noch überspielte und für die endgültige Entscheidung
sorgte. Somit verblieben nur noch die guten technischen Leistungen von Alexander
Naumann und Predrag Nikolic. Alexander hatte gegen den harmlosen
Katalanisch-Aufschlag des früheren deutschen Jugendmeisters Frerik Janz (2355)
frühzeitig Ausgleich erzielt, dann die Initiative übernommen und fuhr
schließlich im Endspiel einen verdienten vollen Zähler ein. Gleiches gelang
Predrag Nikolic, der sich von seinem schwachen Wochenende im Februar bestens erholt zeigte
und gegen den ambitionierten Berliner Schachtrainer IM Michael Richter (2415) eine
klassische Nikolic-Partie zeigte. Nach einem ruhigen Dameninder hielt er mit Weiß
immer ein wenig Druckspiel aufrecht und transferierte seinen kleinen Vorteil bis ins
Endspiel, wo er dann den Sieg zum 7:1 erzielte.
Passend zu den parallel laufenden Olympischen Spielen waren auch im Umfeld unserer
Bundesligamannschaft nach der starken Vorstellung gegen Kreuzberg der Ruf nach einem
»Medaillenplatz« laut geworden. Diesen Traum machte das Team aber bereits am
Folgetag mit einer erschreckend schwachen Vorstellung gegen die Schachfreunde Berlin
zunichte, die in einer verdienten 3½:4½-Niederlage resultierte. Der Sieg von
Michael Hoffmann und der sehr glückliche Erfolg von Jan Smeets reichten nach den
Niederlagen von Predrag Nikolic und Christian Gabriel nur zum Ausgleich, bevor Jan Werle
beim Stand von 3½:3½ zu viel riskierte und verlor.
Dabei schien die Aufgabe gegen die vor kurzem umbenannten Schachfreunde Berlin
(früher Neukölln) nominell recht einfach, hatte die Mannschaft um Kapitän
Rainer Polzin doch lediglich drei Spieler ihres Stammoktetts in die Klingenstadt gebracht
und zudem auf alle ausländischen Spitzenspieler verzichtet. Doch bereits am Vortag
hatte dies zu einem Überraschungserfolg über Wattenscheid gereicht, so dass
unser Team gewarnt sein musste. Dennoch zeichnete sich bereits frühzeitig ab, dass
der Kampf alles andere optimal lief. So wählte Predrag Nikolic am
zweiten Brett mit Schwarz eine Nebenvariante im geschlossenen Spanier, was einen immensen
Bedenkzeitvorsprung gegenüber IM Dr. Martin Borriss (2424) einbrachte. Allerdings
unterliefen Predrag bei seinem schnellen Spiel einige ungewohnte Ungenauigkeiten, die der
Berliner mit einer exzellenten Vorstellung ausnutzte. Nach etwa 30 Zügen musste
Nikolic bereits Material geben, wenig später war die Niederlage des bisherigen
Bundesliga-Topscorers perfekt. Richtig eng wurde es dann, als Christian
Gabriel in einer taktisch sehr komplexen Partie gegen IM Lars Thiede (2417) in
vorteilhafter Position die Übersicht verlor. Gabriel hatte sehr chancenreich eine
Figur für drei Bauern und sehr aktives Figurenendspiel geopfert, doch der Berliner
Rechtsanwalt verteidigte sich erfindungsreich mit materiellen Rückopfern und behielt
schließlich die Oberhand, womit er sich weiter auf GM-Norm-Kurs befindet.
Bei einem
Zwischenstand von 0:2 musste in der Zeitnotphase schon ein kleines Wunder her, denn
lediglich Michael Hoffmann, (Bild rechts) der in der Eröffnung gegen
FM Henrik Rudolf (2329) eine seiner Partien vom Aeroflot-Open kopiert hatte, besaß
klare Vorteile. Von den übrigen Partien waren die ausgeglichenen Endspiele von
Sandipan Chanda gegen Ilja Schneider (2389) und Jan
Werle gegen IM Marco Thinius (2354) noch die besten Stellungen aus Solinger
Sicht. Dagegen mussten Artur Jussupow am Spitzenbrett mit Weiß
gegen den stark aufspielenden IM Rainer Polzin (2514) im Endspiel mit Minusbauern ebenso
ums Remis kämpfen wie Sipke Ernst, der gegen Jan-Dietrich Wendt zwar
zwei Mehrbauern, aber eine höchst bedenkliche Stellung besaß.
In der
Zeitnotphase schien sich dann das von Philipp Schlosser auf der Bundesligaseite
geäußerte Bonmot »die stärkere Mannschaft hat immer
Glück« tatsächlich zu bewahrheiten. Hoffmann erzielte
erwartungsgemäß den Anschlusstreffer und krönte damit seinen
»Goldenen Februar« und Jan Smeets profitierte in einem
verdächtig aussehenden Endspiel gegen IM Dirk Poldauf (2417) von einem Turmeinsteller
des Schachjournalisten. Nach der Zeitkontrolle gab es dann das erste Remis, als
Sandipan Chanda (Bild links) seine Gewinnbemühungen im totremisen
Turmendspiel gegen den jungen Ilja Schneider einstellen musste.
Es folgten zwei weitere Remisen, denn Jussupow hatte seine schlechte
Position gegen Polzin im Endspiel mit Turm und ungleichfarbigen Läufern nach einem
Fehler des Berliners zusammenhalten können und auch Sipke Ernst war
durch Dauerschach ins Remis entwischt. Damit war aber auch das Solinger
»Glückspotential« für diesen Kampf erschöpft. Der bereits am
Vortag unglückliche Jan Werle hatte im Hinblick auf die schlechten
Positionen seiner Kollegen in einem typischen Spanisch-Abtausch-Endspiel mit seinem
Läuferpaar das Risiko erhöht und auf Gewinn gespielt. Leider musste er bald
feststellen, dass der weiße Springer für seine Bauern eine bedeutend
größere Gefahr darstellte als die schwarzen Läufer auf der anderen Seite.
In der Folge verlor Jan zwei Bauern und konnte das Endspiel nicht mehr halten.
Damit war für die Berliner Schachfreunde der zweite Sensationserfolg an diesem
Wochenende perfekt. Statistiker mögen herausfinden, wann zuletzt eine
ausschließlich mit deutschen Spielern besetzte Mannschaft an einem BL-Wochenende
zwei Siege holte. Zudem gehört das Team aus der Hauptstadt mit 8 Zählern aus den
letzten vier Kämpfen zu den stärksten Mannschaften des Jahres 2006. Für
unsere Mannschaft war diese Niederlage hoffentlich der rechtzeitige Dämpfer, um auch
die scheinbar einfachen Kämpfe gegen Leipzig und Zehlendorf mit der nötigen
Konzentration anzugehen.
Zur Seite der I. Mannschaft
Weitere Bilder vom Bundesliga-Wochenende in Solingen
Mit einem ungefährdeten 5:3-Erfolg über das starke Oktett des SC
Kreuzberg untermauerte unsere erste Mannschaft ihre Ambitionen auf eine Top-Plazierung in
dieser Bundesligasaison. Nach vollen Zählern von Christian Gabriel, Sipke Ernst und
Michael Hoffmann wäre sogar ein Kantersieg möglich gewesen, doch Predrag Nikolic
und Jan Werle ließen Gewinnchancen aus und Jan Smeets musste sich zum Abschluss noch
gegen Jens-Uwe Maiwald geschlagen geben.
Nach der bisherigen exzellenten Saison hatte Teamchef Herbert Scheidt
zumindest einen Platz unter den ersten Fünf als neue Zielsetzung für das
Schlussdrittel der Saison ausgegeben. Dabei schien das Match gegen die exzellent besetzten
Berliner, die im bisherigen Saisonverlauf deutlich unter ihren Möglichkeiten blieben,
die schwerste Aufgabe zu sein. Hinzu kam, dass unsere Mannschaft mit David Baramidze,
Alexander Naumann und dem kurzfristig erkrankten Daniel Stellwagen gleich 3 Spieler aus
der erfolgreichen Mittelachse ersetzen mussten. Da auch die Hauptstädter auf den in
Morelia weilenden Levon Aronian und den starken Polen Bartosz Socko verzichten mussten,
schienen die Voraussetzungen für einen ausgeglichenen Kampf gegeben.
Dieser begann für uns zunächst nach Plan, denn der
rumänische Einzel-Europameister Liviu-Dieter Nisipeanu (2679) verzichtete gegen die
Französische Verteidigung von Artur Jussupow nach langem Nachdenken
auf die schärfsten Varianten, so dass die Partie bald Remis endete. Zudem zeichneten
sich bald bei Christian Gabriel Vorteile ab, nachdem sein Kontrahent
Sergej Kalinitschew (2478) mit Weiß zu optimistisch eine Qualität geopfert
hatte. Einziges Sorgenkind war zu diesem Zeitpunkt Sipke Ernst, der gegen
IM Stefan Löffler (2438) mit Weiß die Eröffnung völlig misshandelt
hatte und nach 12 Zügen bereits schlechter stand. In dieser Situation sah sich Sipke
zu einem Bauernopfer genötigt, dem er nach einer Ungenauigkeit des Berliners ein
weiteres Bauern- und schließlich ein Qualitätsopfer folgen ließ. Wie aus
dem Nichts waren die weißen Figuren auf einmal ideal koordiniert und der schwarze
Materialvorteil aufgrund der Anfälligkeit seines Königs bedeutungslos. Sipke war
nun in seinem Element und führte diese fast in »Bullet«-Stil vorgetragene
Partie zielsicher zum Ende. Durch den weiteren Sieg von Gabriel und einem korrekten Remis
in einer Katalanisch-Hauptvariante zwischen dem routinierten Oleg Romanishin (2570) und
Sandipan Chanda stand es zur Zeitkontrolle bereits 3:1.
Die endgültige Entscheidung fiel dann, als
SCHACH-Chefredakteur Raj Tischbierek (2466) in ungefähr ausgeglichener Position
völlig den Faden verlor und damit unfreiwilig den Lauf von Michael
Hoffmann fortsetzte. So war es zu verkraften, dass Predrag
Nikolic, der gegen den ungarischen Spitzenspieler Zoltan Almasi (2619) eine sehr
giftige Druckstellung mit Läufer- gegen Springerpaar aufgebaut hatte, diesmal seine
exzellente Technik vermissen und den Magyaren in ein remises Damenendspiel
entschlüpfen ließ.
Weitaus deutlicher waren dagegen die Versäumnisse vom kommenden Großmeister
Jan Werle, der gegen den Ex-Solinger Ralf Lau (2467) ein gewonnenes
Turmendspiel mit drei gegen einen Bauern so misshandelte, dass er Artur das Versprechen
geben musste, bis zum nächsten Kampf ausschließlich Turmendspiele zu üben.
Zum Abschluss kamen die Kreuzberger noch zum Ehrentreffer, nachdem Jens Uwe Maiwald (2505)
mit sauberer Technik sein Philidor-Endspiel mit Schwarz gegen Jan Smeets
gewonnen hatte. Dieser hatte die Eröffnung mit Tausch auf e5 und anschließendem
Damentausch sehr ambitionslos behandelt und war später sukzessive in die Defensive
geraten.
Trotz dieser vergebenen Chancen war Teamchef Herbert Scheidt von der Vorstellung der
Mannschaft sehr angetan, die ihr mit nun 15:5 Zählern sogar noch kleine
Medaillenchancen belässt.
Zur Seite der I. Mannschaft
Weitere Bilder vom Bundesliga-Wochenende in Solingen
Mit einer kompakten Mannschaftsleistung kam unser Bundesligateam heute zu einem
ungefährdeten 6:2-Erfolg über Gastgeber Heidelberg-Kirchheim. Erstmalig in
dieser Saison blieb dabei die gesamte Mannschaft ungeschlagen. Schnelle Erfolge von David
Baramidze und Predrag Nikolic hatten das Team frühzeitig auf die Siegerstraße
gebracht, die vollen Zähler von Sipke Ernst und Robert Zysk wurden dagegen erst kurz
vor Ablauf der sechsstündigen Spielzeit eingefahren. Damit verteidigte die Mannschaft
mit 13:05 Zähler den geteilten vierten Tabellenplatz.
Trotz des Fehlens der vier Stammspieler war unsere Mannschaft gegen den sympathischen
Aufsteiger, der fast ausschließlich auf regionale Spieler setzt, nominell klar
favorisiert. Dennoch war Vorsicht geboten: Schon häufig hatten Solinger Teams in der
frühen Sonntagsrunde gegen vermeintliche Underdogs gespatzt; zudem waren die
Kirchheimer nach ihrer gestrigen knappen Niederlage gegen Wattenscheid und den Siegen
ihrer Mitkonkurrenten Godesberg und Berlin zusätzlich motiviert, um durch eine
Überraschung verlorenen Boden im Abstiegskampf wiedergutmachen zu können.
Der Auftakt
verlief auch ganz im Sinne der Gastgeber: Ihr Spitzenbrett IM Till Wippermann (2446), der
im vergangenen Aufstiegsjahr als Topscorer geglänzt hatte, agierte gegen die
Französische Winawer-Variante von Artur Jussupov mit 4.exd5 und
darauf folgender kontrollierter Offensive, so dass Artur bereits nach 20 Zügen der
Punkteteilung zustimmte. Wesentlich aggressiver agierte mit den schwarzen Steinen nach
seiner gestrigen Niederlage David Baramidze. Gegen die englische
Eröffnung von IM Dr. Oswald Gschnitzer (2427) eroberte er frühzeitig das
Läuferpaar, übernahm die Initiative und konnte mit seiner Dame diverse Bauern am
Damenflügel einsammeln, als Gschnitzer alle Figuren am Königsflügel
versammelt hatte. Da der erhoffte dortige Angriff durch David bereits im Keim erstickt
wurde, musste sich der Kirchheimer noch vor der Zeitkontrolle geschlagen geben. Das
gleiche Schicksal ereilte fast zeitgleich IM Albert Bokros (2426), der das Opfer einer
typischen Nikolic-Partie wurde. Aus einer ruhigen Ragosin-Variante im
Damengambit erhielt Predrag leichten Vorteil, den er scheinbar mühelos ins
Mittelspiel transferierte, um schließlich im gewonnenen Springerendspiel den vollen
Zähler einzufahren.
Bei dieser klaren Führung waren die Remisen von Alexander Naumann
und Christian Gabriel leichter zu verkraften. Christian hatte mit Schwarz
in einer schwerblütigen Tschechischen Benoni-Struktur im Mittelspiel die Dame von FM
Gernod Beckhuis (2328) gegen Turm und Springer gewonnen, musste aber wegen seiner
schlechten Königsstellung, die einige Mattmotive zuließ, Dauerschach geben.
Alexander hatte den Sizilianer von IM Janos Tompa (2408) scharf mit dem Sozin-System
attackiert und nach diversen Vereinfachungen ein Schwerfigurenendspiel mit Mehrbauer
erreicht. Dies verteidigte der routinierte Ungar mittels optimaler Aktivierung seiner
Figuren jedoch gut, so dass auch Alex mit der Punkteteilung zufrieden sein musste.
Beim Zwischenstand von 3½:1½
versuchten unsere hinteren drei Bretter, aus ihren leicht besseren Positionen jeweils noch
einen vollen Zähler herauszuholen. Dies gelang schließlich Sipke
Ernst, der mit Schwarz gegen FM Horst Vonthron (2339) diesmal sehr
unspektakulär und solide agierte. Aus einer ganz ruhigen Italienisch-Stellung
entwickelte sich ein langwieriger Manöverkampf, in dem Sipke nach einem Fehler seines
Kontrahenten nach 50 Zügen einen Bauern gewinnen konnte. Dieser Vorteil reichte
unserem kompromißlosen Holländer, weiter das erste Saisonremis zu vermeiden,
sondern statt dessen einen Sieg einzufahren. Das gleiche Ergebnis erzielte Robert
Zysk, der damit zum erfolgreichsten Solinger des Wochenendes avancierte. Gegen
den von unseren offenen Turnieren gut bekannten FM Johannes Rudolph (2314) spielte Robert
seine gewohnte Reti-Eröffnung, aus der sich schließlich die für diese
Eröffnung typische ruhige Position mit minimalem weißen Vorteil ergab. Zysk
spielte geduldig auch bei bereits stark reduziertem Material auf seinen kleinen Vorteil im
Endspiel mit Turm + Läufer gegen Turm + Springer und wurde schließlich bei
knapp werdender Bedenkzeit in der Finishphase für seine Zähigkeit belohnt.
Dagegen musste Michael Hoffmann nach einem faszinierenden und für
die Zuschauer spektakulären Endspiel gegen FM Dr. Johannes Wintzer (2324) mit einem
Remis zufrieden sein. Ein Turmendspiel, in dem beide Seiten zunächst über
jeweils drei Freibauern verfügten, wandelte sich kurzzeitig in ein Schwerfiguren- und
später in ein Endspiel um, in dem Michaels Turm gegen die weit vorgerückten a-
und c-Bauern von Wintzer keinen Gewinn mehr erzielen konnte.
Dies blieb aber der einzige Schönheitsfehler des Tages; die Zielsetzung von zwei
Punkten an diesem Wochenende wurde klar erfüllt und die Solinger Schachgemeinschaft
freut sich bereits auf das BL-Wochenende im Februar, wenn die Berliner Clubs in der
Klingenstadt erwartet werden.
Der Höhenflug unserer Bundesligamannschaft wurde heute vom Spitzenreiter und
Meisterschaftsfavoriten Baden Baden gestoppt, der unser Team zwar knapp, aber völlig
verdient mit 5:3 bezwingen und so die Tabellenführung verteidigen konnte. Kuriose und
glückliche Siege von Christian Gabriel und Robert Zysk hatten bei einer deutlichen
Niederlage von David Baramidze zu einer 3:2-Führung nach der Zeitkontrolle
geführt. In allen anderen Partien kämpften unsere Spieler aber bestenfalls um
die Punkteteilung und mussten schließlich jeweils die Klasse der Baden Badener
anerkennen.
Vor der Saison hatte sich Teamchef Herbert Scheidt wegen unseres starken
Holländer-Anteils traditionell große Sorgen um den Januar-Termin gemacht, da
die Kollision mit Wijk aan Zee stets zu zahlreichen Ausfällen führt. Allerdings
ging es ihm damals vor allem um den Kampf gegen den Mitkonkurrenten im Abstiegskampf, die
an diesem Wochenende ausrichtende SG Heidelberg-Kirchheim. Nach der sensationellen
Hinrunde mit nur zwei Punkten Rückstand auf Tabellenführer
Baden-Baden konzentrierten sich aber plötzlich alle Vorbetrachtungen zu diesem
Wochenende auf die Frage, welches dieser beiden Topteams mehr Spieler ersetzen müsse.
Während bei uns die gesamte Jungachse Stellwagen, Smeets und Werle in Wijk engagiert
war, hatte das Starensemble aus Baden mit Anand und Bacrot nur zwei Spieler dort am Start.
Zudem waren von beiden Teams mit Alexej Schirow und Chanda Sandipan jeweils ein Mitglied
beim Super-Open in Gibraltar aktiv. Kurioser Weise trafen beide ausgerechnet aufeinander
und lieferten sich am imaginären 9.Brett zeitgleich zum Mannschaftskampf
ein interessantes Duell, das nach spannendem Verlauf mit vielen Opfern Remis endete.
Was das Bundesliga-Match angeht, so war der Spitzenreiter trotz der prominenteren
Ausfälle eigentlich noch mehr favorisiert, da sie über die
Luxus-Ersatzbank der Liga verfügen. Dennoch rechnete sich unsere
Mannschaft trotz deutlicher Elo-Nachteile an allen Brettern kleine Chancen aus, da wir
gegen Baden-Baden in den Vorjahren stets stark gespielt hatten, wobei nur an den
4½-Sieg vor drei Jahren oder die sehr unglückliche 3½-Niederlage im
Vorjahr erinnert sei. In der Tat begann das Match verheißungsvoll. Die heimischen
Kiebitze konnten es kaum glauben: Nachdem die Internet-Live-Übertragung für ca.
30 Minuten nicht verfügbar war, wurde dort nach nur einer Stunde Spielzeit
plötzlich ein Sieg von Christian Gabriel gegen Dr. Robert
Hübner (2636) angezeigt. Doch es handelte sich um keinen Übertragungsfehler. Der
deutsche Vorzeige- und langjährige Solinger Spitzenspieler produzierte einen
unglaublichen Zug, der bereits im 12. Zug kompensationslos eine Qualität einstellte
und gab sofort auf. Es wird interessant sein, die Hintergründe dieses
Mißgeschicks, das an seinen legendären Einsteller im Kandidatenfinale gegen
Kortschnoi 1981 erinnerte, zu erfahren.
Eine solch unerwarteter Rückstand hat
bereits viele Teams völlig verunsichert, doch der Spitzenreiter agierte weiter
abgeklärt und wurde schon bald mit dem Ausgleich belohnt. Dänemarks
Vorzeigespieler Peter Heine Nielsen (2668), in Solingen noch bestens als langjähriges
Spitzenbrett unseres Reisepartners Wattenscheid bekannt, riss in einer extrem scharfen
Najdorf-Variante gegen David Baramidze frühzeitig die Initiative an
sich, so dass die Königsstellung unseres Hoffnungsträgers bereits
frühzeitig einen dubiosen Eindruck erweckte. Nach einem taktischen Versehen von David
konnte Nielsen mit einem hübschen Damenopfer seinen Angriff zum erfolgreichen
Abschluss bringen. Die nächste Partie verlief weitaus mehr im Sinne der aus
Herbert Scheidt, Valentino Usein und Markus Schäfer
bestehenden Solinger Delegation. Alexander Naumann unterstrich einmal
mehr seinen Ruf als exzellenter, grundsolider Mannschaftsspieler und erreichte mit den
schwarzen Steinen ein sicheres Remis gegen den trickreichen Sergej Movsesian (2645), der
bisher alle Partien in dieser Saison gewonnen hatte.
So ging es mit einem
Zwischenstand von 1½:1½ in die Zeitnotphase, doch trotz des ausgeglichenen
Ergebnisses waren unsere Hoffnungen eher gering, da die Mannschaft des neuen Teamchefs
Sven Noppes an fast allen Brettern am Drücker war. Francisco Vallejo Pons
(2681) besaß mit seinem Läuferpaar leichte Initiative gegen Predrag
Nikolic, Rustem Dautov (2595) massierte die Isolani-Stellung von Michael
Hoffmann und auch Phillipp Schlosser (2554) hatte sich mit Schwarz eine aktive
Position gegen Sipke Ernst erarbeitet. Doch in der Blitzphase tauchten
unerwartete Hoffnungsschimmer auf. Zunächst konnte der Linares-erfahrene Vallejo die
starke Verteidigung von Predrag nicht überwinden und offerierte in hoher Zeitnot
Remis, was akzeptiert wurde. Kurze Zeit später gab es sogar eine Führung
aus dem Nichts zu verzeichnen. Robert Zysk hatte sich bei
seinem Saisondebüt mit seinem Stonewall gegen die Angriffsversuche von Fabian
Doettling (2542) gut erwehrt, so dass er ein ungefähr ausgeglichenes Endspiel
erreicht hatte. Dieses bescherte ihm jedoch unerwartet einen vollen Zähler, da
Doettling einen Zug zuviel notiert hatte und seelenruhig nach der Ausführung seines
39. Zuges die Zeit überschritt.
Beim Stande von 3:2 konnte man wieder auf die Sensation hoffen, doch zwei glückliche
Siege reichten hierfür nicht aus. Am Spitzenbrett hatte Artur
Jussupow in einer komplizierten Königsindisch-Partie gegen den WM-Dritten
Peter Svidler (2738) in der Blitzphase zwei Figuren gegen einen Turm verloren und konnte
danach nur noch die technische Demonstration des mehrfachen russischen Meisters aus der
ersten Reihe mitverfolgen. Kurz zuvor hatte auch Sipke, der mit seinem
40. Zug endgültig Material eingebüßt hatte, den Widerstand gegen den
badischen Topscorer Philipp Schlosser eingestellt. Dadurch war der Kampf entschieden, denn
Michael Hoffmann hatte keinerlei Gewinnchancen gegen den exzellenten
Techniker Dautov, sondern musste sich nach einem abschließenden Fehler trotz guter
vorheriger Verteidigung auch noch zum insgesamt leistungsgerechten 3:5 geschlagen
geben.
Die ersatzgeschwächte Mannschaft hat sich dennoch gut verkauft und sollte morgen mit
einer ähnlichen Leistung den Pflichtsieg gegen Kirchheim einfahren können.
»Jetzt haben wir bereits so viele Punkte wie am Ende der vergangenen
Saison«, lautete der zufriedene Ausspruch von Bundesliga-Teamchef Herbert Scheidt
nach dem sehr erfolgreichen langen Heimspielwochenende unserer ersten Mannschaft. Das 4:4
gegen den favorisierten TV Tegernsee bildete das i-Tüpfelchen auf einer exzellenten
ersten Saisonhälfte, nach der unser Team mit 11:3 Zählern auf dem vierten Platz
überwintert. Im Spitzenspiel mit den routinierten Bayern glänzte Alexander
Naumann mit einem blitzsauberen Sieg über Bundestrainer Uwe Bönsch. Nach
Niederlagen von Jan Smeets und Sipke Ernst sorgte schließlich der Spieler des
Wochenendes, Predrag Nikolic, für den umjubelten Ausgleich.
Bereits vor dem Duell mit dem punktgleichen TV
Tegernsee war klar, wie schwer die Aufgabe werden würde. Auch wenn die Gäste
nicht solche Elo-Schwergewichte wie Baden Baden, Porz oder Bremen im Kader haben, sind sie
aufgrund ihrer immensen Routine und dem guten Teamgeist eine extrem starke Mannschaft,
welche in dieser Saison beim Sieg über Porz und dem (unglücklichen) Remis gegen
Baden Baden bereits ihre Ambitionen auf einen absoluten Spitzenplatz deutlich gemacht
hatte. Die exzellente mannschaftstaktische Ausrichtung wurde bereits in den ersten beiden
Spielstunden deutlich, als alle unsere Weiß-Bretter von ihren Kontrahenten
Punkteteilungen angeboten bekamen. Teamchef Herbert Scheidt gab in allen
Fällen die Weisung »Weiterspielen« aus, was sich bei David
Baramidze fast gerächt hätte. Er übertrieb gegen den
Taimanov-Sizilianer von Zoltan Ribli (2585) das Risiko und verlor einen Bauern. Als Ribli
dem Damentausch auswich, opferte David noch einen weiteren Bauern und erhielt dafür
einige Chancen gegen den auf b6 gelandeten schwarzen König. Dies war dem ehemaligen
WM-Kandidaten zu risikoreich, so dass es doch noch zur Punkteteilung kam, auch wenn der
Ungar sicherlich noch weiter auf Gewinn hätte spielen können. Mit weiteren
Remisen endeten das ereignislose Duell von Artur Jussupow mit Igor
Khenkin (2603) und die Partie von Michael Hoffmann gegen Henrik Teske
(2487), in der unser GM-Anwärter nur einen mikroskopischen Vorteil gegen den
unkonventiellen Damengambit-Aufbau von Teske herausgeholt hatte.
Beim Stande von 1½:1½ sorgte dann Alexander
Naumann für die Führung. Gegen seinen früheren Jugend- und
aktuellen Bundestrainer Uwe Bönsch (2547) erzeugte Alex nach einem
Kalaschnikov-Sizilianer am Damenflügel durch einen Aufmarsch seines b-Bauern sehr
unangenehmes Druckspiel. Bönsch konnte die Probleme nicht lösen, opferte
zunächst eine Qualität für einen Bauern, musste sich aber wenig später
endgültig geschlagen geben. Mit dieser exzellenten Vorstellung strafte Alexander alle
Skeptiker Lügen, die ihm nach seinem guten Job als Vorstopper gegen die
Elo-Schwergewichte in der Vorsaison unterstellt hatten, er könne gar keine Partien
mehr gewinnen. Mit 2½/3 avancierte er zu einem der Topscorer des Wochenendes und
erhielt dafür auch ein Sonderlob von Präsident Frank Borkott.
Leider war die Führung nur von kurzer Dauer, denn Jan Smeets wurde
vom geschickt agierenden Gerald Hertneck (2539) in einer ruhigen Slawisch-Stellung langsam
überspielt, so dass der Münchner Großmeister mit der Zeitkontrolle
für den Ausgleich sorgen konnte. Nun deutete sich bereits an, dass sowohl eine
Punkteteilung wie auch eine knappe Niederlage im Bereich des Möglichen lag. Klaus
Bischoff (2555) und Stefan Bromberger (2478) hatten in ihren Duellen leichte Vorteile
gegen Daniel Stellwagen und Sipke Ernst erlangt. Im
Gegenzug hatte sich die Situation am zweiten Brett gedreht. Hier war Predrag
Nikolic gegen den früheren WM-Kandidaten Andrei Sokolow (2623) in einer
Saizew-Variante im Spanier schlecht aus der Eröffnung gekommen; doch als der
naturalisierte Franzose einen falschen Plan gewählt hatte, war Predrag mit gutem
Konterspiel ein Bauerngewinn gelungen, der ihm einige Gewinnaussichten im Endspiel
versprach.
Zunächst musste jedoch der erste Rückstand verzeichnet werden. Stefan
Bromberger wandelte seine positionellen Vorteile mit exzellenter Technik in einen vollen
Zähler um und brachte Sipke Ernst dessen erste Saisonniederlage bei.
Dafür verteidigte Daniel Stellwagen seine aus einem Königsinder
hervorgegangene Stellung zäh und wurde dafür mit einem immens wichtigen halben
Zähler belohnt. Inzwischen hatte Nikolic nämlich große
Fortschritte bei der Verwertung seines Mehrbauern erzielt. Für seinen Freibauern auf
der d-Linie musste Sokolow zunächst eine Leichtfigur opfern und gab schließlich
nach weiterem Materialverlust auf.
So avancierte Nikolic mit drei Siegen zum Matchwinner des
Wochenendes, so dass Herbert Scheidt gegenüber dem wiedererstarkten Bosnier nochmals
seine Dankbarkeit betonte, dass dieser beim Weltcup in Sibirien rechtzeitig
ausgeschieden sei
Zwar hatte Scheidt nur für den Fall von drei Siegen eine
Sonderprämie für die Mannschaft von Michael Kölker in Aussicht gestellt
bekommen. Doch auch wenn dieses Ziel letztlich knapp verpasst wurde, war der Teamchef vom
gesamten Wochenende durch die Leistung seiner Mannschaft, dem Zuspruch und der
Unterstützung des Restvereins und der Live-Berichterstattung so angetan, dass sein
Fazit »So macht die Bundesliga wieder Spass« lautete.
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Mit einem verdienten 5:3-Erfolg über den SC Eppingen hat unser Bundesligateam
seinen Lauf in dieser Saison fortgesetzt und sich mit 10:2-Zählern im Vorderfeld der
Tabelle festgesetzt. Der Kampf wurde an den Brettern unserer "Niederländischen
Fraktion" entschieden, die alle Weiß-Partien unserer Mannschaft spielte.
Während die Deutschen mit Schwarz alle remisierten, sorgten Predrag Nikolic, Daniel
Stellwagen und Sipke Ernst mit ihren Siegen bei nur einem Verlust von Jan Smeets für
die Entscheidung.
Dabei waren die Eppinger der erwartet schwere Gegner. Bereits im vergangenen Jahr hatten
sie uns als Aufsteiger am ersten Spieltag ein Unentschieden abgetrotzt und waren auch
diesmal äußerst motiviert, was bereits an ihrer Ideal-Aufstellung der
nominellen ersten Acht abzulesen war. Der Kampf begann in ruhigem Fahrwasser: Unser
Spieler des Monats November, Michael Hoffmann, war gesundheitlich durch
eine Erkältung ziemlich angeschlagen und versuchte deshalb gegen den c3-Sizilianer
seines Kontrahenten IM Dr. Christian Mann (2464) das Spiel möglichst ruhig zu
gestalten. Als Mann das Spiel nicht verwickeln konnte, war das Unentschieden
unterschriftsreif. Zum gleichen Ergebnis kam es bei Alexander Naumann in
dessen Duell gegen das Mitglied der Jugend-Olympia-Mannschaft Georg Meier (2411). Gegen
dessen 3.Lb5+ im Sizilianer konnte Alexander in gewohnt solider Manier schnell in ein
ausgeglichenes Endspiel abwickeln.
Die Führung
besorgte dann unser 100-%-Mann Sipke Ernst. Im Duell mit dem jungen
Hannes Rau (2421), der noch im Vormonat bei der Junioren-WM aktiv gewesen war, konnte
Sipke als Weißer in einem Dc2-Nimzo-Inder den für diese Stellung typischen
Raumvorteil zu einem Eindringen seiner Schwerfiguren auf der d-Linie nutzen. In der Folge
konnte der unglücklich auf b7 plazierte schwarze Läufer nicht mehr verteidigt
werden, so dass Rau aufgeben musste und Ernst seinen Saison-Score auf 4/4 ausgebaut hatte.
Trotz dieser 2:1-Führung waren die Solinger Zuschauer noch nicht beruhigt, denn der
ungarische Nationalspieler GM Zoltan Gyimesi (2624) hatte in der modischen 5.Lf4-Variante
im Damengambit gegen Artur Jussupow etwas Initiative entwickelt und
David Baramidze hatte mit Schwarz in einem scharfen Najdorf-Sizilianer
gegen den ehemaligen Juniorenweltmeister Peter Acs (2518) die Dame für Turm und
Läufer abgeben müssen.
Doch
ähnlich wie am gestrigen Tag neutralisierte Artur mit einer exakten
Verteidigungsleistung die Vorteile seines Kontrahenten und remisierte. David erzeugte in
der Zeitnotphase einige Gegenchancen, so dass Acs nach einem taktischen Versehen etwas
Mehrmaterial zurückgeben musste und dann lieber das Dauerschach von Baramidze
zuließ. Beim Stande von 3:2 waren die Solinger Aktien beträchtlich gestiegen,
denn Predrag Nikolic nähert sich immer mehr seiner Form der
früheren Jahre an. Gegen den israelischen Neuzugang der Eppinger, GM Evgeny Postny
(2571), verzichtete Predrag als Weißer in einem Slaven auf einen ambitionierten
Aufbau, sondern baute sich in seinem typischen positionellen Stil ruhig auf. Als Postny
ein wenig unaufmerksam agierte, überraschte Nikolic die Kiebitze mit einem
hübschen Figurenopfer für zwei Bauern, das den schwarzen König völlig
entblößte. Diesen Umstand machte sich der Bosnier mustergültig zunutze und
erhöhte auf 4:2.
Somit blieben
nur noch die beiden Weiß-Partien unserer holländischen WM-Fahrer Daniel
Stellwagen und Jan Smeets. Diese hatten jeweils gegen die solide
Lf5-Variante im Caro-Kann zu kämpfen und versuchten es beide entsprechend ihrem
dynamischen Stil mit heterogenen Rochaden. Dabei war Daniel gegen das große Deutsche
Talent IM Arik Braun (2465) erfolgreicher. Mit zwei Bauernopfern erhielt sein Angriff
starke Durchschlagskraft, so dass er später das investierte Material mit Zinsen
zurückerhielt. Das resultierende Endspiel mit zwei Mehrbauern verwertete Daniel
sicher zum Sieg. Da war es zu verschmerzen, dass Smeets gegen den dritten Ungarn im
Gästeteam, GM Zoltan Medvegy (2478), auf die Verliererstraße geraten war. Gegen
den exzellent präperierten Magyaren hatte er keinen Vorteil erlangt und hatte
schließlich einen Springer für zwei Bauern verloren. Den technischen Teil
absolvierte Medvegy vorbildlich und sorgte für den Eppinger Ehrentreffer zum
5:3-Endstand.
Dies bedeutete für unser Team den 5. Sieg in Folge, was in diesem Jahrtausend noch
nie gelungen war. Das morgige Duell gegen den TV Tegernsee stellt damit das Spitzenspiel
der punktgleichen Zweiten und Vierten der Bundesliga dar, in dem unser Oktett als
Außenseiter befreit aufspielen kann.
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Mit einem ungefährdeten 5½:2½-Erfolg über Reisepartner
Wattenscheid startete unser Bundesliga-Team ins lange Heimspiel-Wochenende. Auch wenn
zahlreiche Partien des in den schönen Räumlichkeiten der Firma Oswald Forst
ausgetragenen Kampfes erst in der sechsten Spielstunde beendet wurden, zeichnete sich
frühzeitig ein Solinger Übergewicht an den hinteren Brettern ab, so dass die
Nerven von Teamchef Herbert Scheidt kaum strapaziert wurden und er sich über den
exzellenten Saisonstart von 8:2 Punkten freuen konnte.
Unser Reisepartner trat erneut ohne Spitzenbrett Pavel Eljanov an und musste
zudem auf GM Johannessen verzichten, was den Solinger Elo-Nachteil an den vorderen
Brettern minimierte und uns dank der nominell besseren Hinterachse in eine leichte
Favoritenposition brachte. Diesen Kräfteverhältnissen entsprechend gab es
bereits in einem frühen Stadium des Kampfes positive Nachrichten von den Brettern 7
und 8 zu verzeichnen. Sipke Ernst hatte in einem Damengambit gegen FM
Timo Sträter (2342) wie bereits in der vorigen Runde gegen Van den Doel den
Isolanivorstoß d4-d5 ausgepackt und in der Folge einen Bauern gewonnen. Zudem schien
sich der Lauf von Michael Hoffmann fortzusetzen, der nach einem
Bauernopfer in der Eröffnung gegen den c3-Sizilianer von IM Oscar Lemmers (2425) mit
einer hübschen Kombination die Dame des Holländers gegen Turm und Läufer
gewonnen hatte. Sorgen bereitete dem Wattenscheider Mannschaftsführer Uli Wolf zudem
der gewohnt hohe Bedenkzeitverbrauch von GM Florian Handke (2460), der gegen
Alexander Naumann in einer komplizierten Najdorf-Stellung schnell eine
Stunde mehr Zeit verbraucht hatte.
Die Hoffnungen der Gäste ruhten dagegen auf den
Weiß-Partien von GM Gabriel Sargissjan (2610), der Artur Jussupow
in einem Rubinstein-Nimzoinder positionell unter Druck setzte, und GM Alexander Rustemov
(2564), der in einer bekannten Theorievariante im Abtauschsystem des Damengambits auf
seine strukturellen Vorteile gegen das Läuferpaar von David
Baramidze setzte. In der Tat erhielt Rustemov überwältigenden
positionellen Vorteil, als David im Mittelspiel nicht die beste Fortsetzung fand. Diesen
wandelte der Russe in ein gewonnenes Leichtfigurenendspiel mit Mehrbauern um und erzielte
einen lockeren Sieg für Wattenscheid zum 1:1. Wenige Augenblicke zuvor hatte
nämlich Alexander Naumann sich endlich einmal wieder über einen
vollen Zähler in der Bundesliga freuen können, nachdem Handke in hochgradiger
Zeitnot kurz vor dem Fallen des Blättchens einen Turm eingestellt hatte.
Als schließlich Artur Jussupow kurz vor der Zeitkontrolle dank
starker Verteidigung in einem Leichtfigurenendspiel gegen das Läuferpaar von
Sargissjan das Remis am Spitzenbrett in einer der wenigen Solinger
"Problempartien" gesichert hatte, waren die Weichen für den Erfolg unseres
Teams gestellt. Zwar hatte Jan Smeets nichts aus seinem Raumvorteil gegen
die Aljechin-Verteidigung von IM Ralf Appel (2488) machen können, so dass die Partie
in einem Damenendspiel Remis endete, aber Sipke Ernst wandelte seine
Stellungsvorteile in ein Leichtfigurendspiel mit Mehrbauern um und führte dieses zum
Erfolg.
Mit einer 3:2-Führung im Rücken mussten die Solinger Fans lange auf die
nächste Entscheidung warten. Diese fiel nach mehr als 5½ Stunden, als
Michael Hoffmann seine materiellen Vorteile in einem Endspiel mit Dame
und zwei Bauern gegen Turm+Läufer des sich zäh verteidigenden Lemmers in einen
vollen Zähler umgewandelt hatte. Dagegen musste Daniel Stellwagen
die exzellente Technik seines Kontrahenten, IM Dr.Frank Holzke (2479), anerkennen, der das
schwierig zu spielende Endspiel mit Turm gegen Turm und Läufer perfekt verteidigte
und dafür nach 123 Zügen mit einem Remis belohnt wurde, das uns auf der anderen
Seite aber den Mannschaftssieg sicherte.
So konnten alle
Kiebitze ihre Aufmerksamkeit auf das Duell von Predrag Nikolic gegen
Ex-Europameister Bartek Macieja (2592) konzentrieren. Dort war in einem komplizierten
Mittelspiel mit allen Schwerfiguren und ungleichfarbigen Läufern eine
spannungsgeladene Position entstanden, in der ein schwarzer Freibauer von Macieja bis nach
d2 vordringen konnte, während Nikolic einen Mehrbauern und je einen Freibauern auf
der a- und b-Linie besaß. Mit exzellenter Technik baute Predrag seine Vorteile
sukzessive aus, gewann schließlich eine Figur und fiel auch nicht in die herrliche
Pattfalle hinein, die der Pole bei hängendem Plättchen in der Finishphase noch
konstruiert hatte.
Folglich setzte Nikolic mit 5½:2½ den Schlusspunkt unter
einer gelungenen Abend, welcher den vierten Sieg in Folge für unseren
Bundesliga-Achter brachte. Die Mannschaft deutete bereits an, dass diese Serie morgen im
Duell mit Eppingen verlängert werden soll.
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Der Solinger Jubel im Sportzentrum Porz-Wahn kannte keine Grenzen. Mit dem ersten
Bundesliga-Doppelpack seit Dezember 2003 hatte an diesem Wochenende nun
wirklich niemand gerechnet. Doch trotz des Fehlens von drei Stammspielern gelang
ausgerechnet gegen den früheren Dauerrivalen SG Porz, der fast in Bestbesetzung
angetreten war, ein sensationeller 4½:3½-Erfolg. Von den Solinger Spielern
kannten lediglich noch Artur Jussupow und Christian Gabriel das Gefühl eines Erfolges
über die Domstädter, da sie schon beim letzten Erfolg im Dezember 1996 dabei
gewesen waren.
In den vergangenen Jahren hatten sich die sportlichen Wege der beiden dominierenden
Bundesliga-Vereine der späten 90-er Jahre getrennt. Während die Kölner mit
ihrem Starensemble stets zu den Meisterschaftsfavoriten zählen und in den vergangenen
Jahren immer mindestens Rang 2 erreichten, musste unser deutlich verjüngtes Team
erstmalig gegen den Abstieg kämpfen. So endete das Duell im vergangenen Jahr mit
einer deutlichen 1½:6½-Niederlage. Die Neuauflage in dieser Saison
hätte auch einen Länderkampf unter dem Motto Niederlande A gegen Niederlande B
bedeuten können, doch während die Gastgeber mit Van Wely, Sokolov, Timman und
Van den Doel fast die komplette frischgebackene Europameister-Mannschaft der Oranjes an
die Bretter brachten, weilten die Solinger Talente Stellwagen und Smeets bei der
Junioren-WM in Istanbul. Da zudem auch noch Sandipan ausfiel, lag die ganz klare
Favoritenbürde auf Seiten der Hilgert-Schützlinge, die lediglich Michael Adams
ersetzen mussten.
Doch die Porzer erwischten einen klassischen Fehlstart. Am
Spitzenbrett teilten zunächst Christopher Lutz (2609) und Artur
Jussupow nach ihren langen Partien am Vortag schnell die Punkte. Auch am zweiten
Brett hatte der langsam wieder zu alter Stärke zurückfindende Predrag
Nikolic mit Weiß in einem englischen Doppelfianchetto Loek Van Wely (2648)
stets im Griff, was zu einem weiteren Remis führte. Im Anschluss verfinsterte sich
die Miene von "KingLoek" beim Blick auf das achte Brett, wo sein Team- und
Nationalmannschaftskollege Erik van den Doel (2582) von Sipke Ernst
entzaubert wurde. In einem angenommenen Damengambit lieferte Sipke nach einer
Ungenauigkeit des Porzer Topscorers einen Musterangriff für Stellungen mit dem
isolierten Damenbauern ab. Nach einigen Opfern und nur 24 Zügen musste sich Van den
Doel geschlagen geben. Eine weitere Punkteteilung ergab sich dann noch vor der
Zeitkontrolle, da Alexander Naumann seine im vergangenen Jahr
perfektionierten Fähigkeiten dazu nutzte, dem langjährigen Porzer Mr.
Bundesliga, Rafael Waganjan (2614), nicht eine minimale Gewinnchance zu gewähren.
Die Vorentscheidung fiel dann am 3. Brett, an dem
Ivan Sokolov (2696) kurz vor der Zeitkontrolle im unbedingten Gewinnstreben gegen
David Baramidze ein schwerer Rechenfehler unterlief. Dadurch konnte unser
Youngster Dame + Springer für zwei Türme erobern und verwertete danach in sehr
abgeklärter Manier seinen Vorteil gegen den holländischen
Weltklassegroßmeister. Die Porzer kamen jedoch umgehend wieder heran, da
Schach-Legende Jan Timman (2630) gegen Christian Gabriel aus einer
scheinbar ausgeglichenen Position in einem Doppelturmendspiel sukzessive kleine Vorteile
anhäufte, bis er schließlich den vollen Zähler einstreichen konnte. Doch
ein anderer Holländer im Solinger Dress sicherte uns zumindest den Teilerfolg:
Jan Werle hatte nach einer komplizierten Partie gegen Alexander Graf
(2613) in der Zeitnotphase ein Turmendspiel mit ungleichfarbigen Läufern erreicht, in
dem kurze Zeit später keiner der beiden Spieler mehr Gewinnversuche unternehmen
konnte.
Beim Stande von 4:3 blieb der finale Auftritt dann dem Solinger Spieler des Monats
überlassen: Michael Hoffmann lieferte mit Schwarz gegen Michail
Gurewitsch (2652) eine tolle Partie und konnte schließlich aus einer Position der
Stärke mit Turm + 2 Bauern gegen Turm + 1 Bauer das Remisangebot des belgischen
Klassemanns akzeptieren, das die Sensation perfekt machte.
Mit den nicht erwarteten 6:2 Zählern aus den ersten 4 Kämpfen herrscht nun
große Vorfreude auf die Dreifachrunde im Dezember, wenn in der Klingenstadt die
Teams aus Wattenscheid, Tegernsee und Eppingen zu Gast sein werden. Vielleicht liefert der
Überraschungserfolg über die Domstädter die Initialzündung für
weitere Großtaten. Beim letzten Sieg über Porz in der Saison 96/97 wurde man
schließlich Deutscher Meister
Durch einen 5:3-Erfolg über Aufsteiger Godesberg konnte unser Bundesligateam
bereits am Samstag die Zielvorgabe von zwei Punkten für dieses Bundesligawochenende
erfüllen. Besondere Bedeutung besaß die Begegnung mit der jungen und
ambitionierten Mannschaft vom Mittelrhein für Teamchef Herbert Scheidt durch das
erste Aufeinandertreffen mit Fide-Ex-Weltmeister Rustam Kasimdzhanov, der im Sommer 2004
im Unfrieden unseren Club verlassen hatte.
Unabhängig von dieser besonderen Personalie galt es, gegen die
Godesberger, die mit dem Remis gegen Tegernsee ihr Potential offenbart hatten, weitere
zwei Zähler einzufahren, um sich frühzeitig vom Tabellenende zu lösen. In
diesem Sinne begann der Kampf verheißungsvoll, denn nach einem soliden Schwarz-Remis
von Alexander Naumann gegen Christian Seel (2492) erreichte
Michael Hoffmann gegen Thomas Jackelen (2454) aus der Eröffnung
heraus eine Quasi-Gewinnstellung mit zwei Mehrbauern. Danach ließ die technische
Verwertung zwar zu wünschen übrig, so dass Jackelen unverhofft gute Gegenchancen
erhielt, doch Michael hat derzeitig einen solchen Lauf, dass ihn auch dieses Hindernis
nicht vom Erzielen der Führung abhalten konnte. Kurze Zeit später konnte
David Baramidze gegen Jan Sprenger (2505) sogar auf 2½:½
erhöhen, nachdem Sprenger in ungefähr ausgeglichener Stellung durch einen groben
Rechenfehler und das Übersehen eines Zwischenschachs eine Figur verloren hatte.
Dafür lieferte Jan Werle gegen Florian Grafl (2413) den Punkt auf
dem Silbertablett ab. Bereits die Eröffnung und das frühe Mittelspiel waren
nicht im Sinne unseres sonstigen Topscorers gelaufen, doch nach einem fatalen
Damenrückzug nach e7 war seine Stellung sofort aufgabereif.
Beim Stande von 2½:1½ wurde die Zeitkontrolle mit großem
Optimismus bei den Solinger Kiebitzen passiert. Deren Stimmung verbesserte sich weiter,
als Predrag Nikolic nach einer starken Vorstellung mit Schwarz gegen
Florian Jenni (2502) in einem Winawer-Franzosen den ungestümen Angriff des Schweizers
souverän abwehrte und das 3½:1½ erzielte. Dennoch musste um den Sieg
gezittert werden, was an den Ereignissen am 5. und 8. Brett lag. Christian
Gabriel hatte gegen Ferenc Langheinrich (2391) zunächst positionelle
Vorteile erhalten und zwischenzeitlich zwei Mehrbauern. Bei deren Verwertung stieß
er gegen seinen erfindungsreich verteidigenden Kontrahenten jedoch auf einige Probleme und
verlor schließlich völlig den Faden, so dass er die Partie sogar noch zum
Verlust verdarb. Im Vergleich zu den Ereignissen am Brett von Sipke Ernst
war Christians Partie jedoch völlig unspektakulär. Sipke hatte mit Schwarz gegen
Alexander Armbruster (2376) bereits nach der Eröffnung deutlichen Vorteil, nachdem
sein Gegner die Eröffnung völlig verdorben hatte. Statt diesen Vorteil
souverän und ruhig zu verwalten, fuhr Sipke jedoch weiter im "Cowboy-Stil"
fort und stellte eine Qualität ein. Davon unbeeindruckt gelang es ihm unter Mithilfe
seines Gegners, diese zurückzugewinnen und ein noch immer etwas schlechteres Endspiel
für ihn zu erreichen, dass er dann "souverän" zum Sieg führte.
Nach dieser Partie war das Nervenkostüm der Solinger Delegation zwar deutlich
angeschlagener, dafür aber das Punktekonto um zwei Zähler reicher. So konnte man
sich befreit der letzten noch laufenden Partie zwischen Artur Jussupow
und Rustam Kasimdzhanov (2670) widmen, in der die Dinge sich doch wesentlich rationeller
entwickelten. Der Usbeke überraschte Artur mit Albins Gegengambit, doch Artur
verzichtete darauf, den Bauern auf e5 zu nehmen und leitete mit 3.e3 in einen ihm gut
bekannten Stellungstyp der Französischen Abtauschvariante über. Nach
schwerblütigen positionellen Manövern schien Kasimdzhanov nach der Zeitkontrolle
leichtes Übergewicht zu bekommen. Doch Artur agierte souverän, opferte
schließlich aufgrund des unklaren Kampfstands eine Qualität für einen
Bauern, bevor die Partie letztlich in den korrekten Remisschluss mündete.
Nach diesem gelungenen Saisonstart mit 4:2 Zählern kann das Team nun als
Außenseiter gegen Porz befreit aufspielen.
Als Alexander Naumann beim Stande von 4:3 nach 85 Zügen endlich das ersehnte
Remisangebot seines Kontrahenten Thies Heinemann erhielt, machte sich bei Teamchef Herbert
Scheidt große Erleichterung breit. In einem spannenden Kampf zweier
Bundesliga-Urgesteine wurde gegen den Hamburger SK der erste Saisonsieg perfekt gemacht
und der befürchtete Fehlstart verhindert, während sich die Hanseaten nach zwei
unglücklichen 3½:4½-Niederlagen zunächst auf den
Abstiegsplätzen wiederfinden.
Der zweite Spieltag
begann mit einer Premiere, dem ersten Sonntagsspieltag um 10.00 Uhr. Diese von vielen
Profis mehr als ersehnte einstündige Verschiebung des Partiebeginns nach hinten war
durch die Verkürzung der Gesamtspielzeit auf 6 Stunden möglich geworden.
Vermutlich hätte sich an den Geschehnissen am Spitzenbrett jedoch auch bei einem
früheren Beginn nicht viel geändert. Artur Jussupow griff gegen
Jan Gustafsson (2615) (Bild rechts) auf das ruhige Colle-System zurück und nach
15-zügigem respektvollem Abtasten der beiden (hoffentlich) künftigen
Nationalmannschaftskollegen war das Remis unterschriftsreif. Auch Daniel
Stellwagen zeigte nach seiner gestrigen Schlappe nicht den Willen zum letzten
Risiko. Er erreichte gegen den früheren Solinger Oliver Reeh (2449) zwar optische
Vorteile, konnte aber ein Verflachen der Stellung in ein ausgeglichenes Damenendspiel
nicht verhindern und remisierte ebenfalls.
Nach diesen beiden Weiß-Remisen konzentrierten sich die Solinger Hoffnungen auf die
hinteren Bretter, an denen unsere holländischen Youngster doch beträchtliche
Elo-Vorteile aufwiesen. Dort war es wieder einmal Jan Werle, der mit
einem wichtigen Sieg für die Initialzündung sorgte. Sein Gegner Dirk Sebastian
(2362) hatte Jans Russische Verteidigung mit dem modernen 5.Sc3
bekämpft, was eine spannungsgeladene Stellung mit heterogenen Rochaden zur Folge
hatte. Werle opferte zwei Bauern und konnte dafür gegen den
weißen König die a- und b-Linie öffnen. Dadurch war sein Angriff nicht
mehr zu stoppen und die Führung die Folge. Diese wurde durch Jan
Smeets ausgebaut, der gegen Nils Michaelsen in einer Sizilianischen Igel-Struktur
nach der schwarzen Sprengung des Zentrums mittels d5 seinen weißen Bauern bis nach
d6 vorstoßen und als gedeckten Freibauern installieren konnte. In Verbindung mit dem
weißen Läuferpaar war die Stellung dann nicht mehr zu halten.
Zwei weitere Entscheidungen fielen dann in der Zeitnotphase: Sandipan
Chanda agierte mit Weiß in einem typischen Manövrierkampf in einem
Scheweninger-Sizilianer gegen Robert Kempinski (2619) zu unentschlossen und wurde nach
einem taktischen Versehen sehenswert ausgekontert. Diese unnötige Niederlage wurde
jedoch durch einen couragierten Auftritt von David Baramidze kompensiert,
dem gegen Sune Berg Hansen (2555) zwar erneut die Eröffnung mißlungen war, der
danach aber sukzessive die Initiative an sich gerissen hatte und schließlich sehr
hübsch taktisch zum vollen Zähler vollstreckt hatte.
Bei einem Zwischenstand von 4:2 nach der Zeitkontrolle schien der Kampf endgültig
gelaufen, da HSK-Dauerbrenner Lubomikr Ftacnik (2612) gegen Predrag
Nikolic nur mikroskopische Vorteile aufwies und auch Alexander
Naumann gegen Thies Heinemann (2441) eine zwar sehr gedrückte, aber haltbar
erscheinende Stellung hatte. Doch plötzlich agierte Predrag ungenau;
ein Bauern- und kurz darauf auch Partieverlust war die Folge. Nun hing alles ausgerechnet
von unserem "Hamburger" Alexander ab. Heinemann verstärkte
mit Dame+Läufer gegen den offen stehenden schwarzen König den Druck, doch
Alexander rettete sich in ein Leichtfigurenendspiel, in dem er mit
König, Springer und zwei Bauern gegen den weißen Läufer und die drei
Bauern eine Festung aufbauen konnte, so dass auch Heinemanns Freibauer nicht zu verwerten
war. Nach dem Remisschluss im 85.Zug konnte sich Alex der verdienten
Glückwünsche seiner Teamkollegen sicher sein.
Damit schloss unsere Mannschaft das umkämpfte Auftaktwochenende in Wattenscheid, in
dem es vier 4½-Ergebnisse gab, mit achtbaren 2:2 Zählern ab. Ein solches
Ergebnis wird auch im November angestrebt, wenn es in Porz gegen die Gastgeber und das
junge Aufsteigerteam aus Godesberg geht.
Weitere Bilder vom Spieltag bei www.schach-ticker.de
Die neue Saison begann für unsere Bundesligamannschaft genau wie die alte
geendet hatte: In einem spannenden Match mit vielen hochklassigen Partien wurde Werder
Bremen voll gefordert, musste insbesondere wegen zweier Klassepartien unserer Routiniers
Jussupow und Nikolic lange um den Sieg bangen und gewann schließlich doch mit dem
fast schon traditionellen 4½:3½.
Dabei waren die Vorzeichen durchaus verheißungsvoll: Teamchef Herbert Scheidt hatte
alles versucht, um einen erfolgreichen Saisonstart zu gewährleisten, brachte alle
Spitzenspieler ans Brett und konnte sich sogar den Luxus leisten, auf den möglichen
achten GM im Team, Christian Gabriel, zu Gunsten des ambitionierteren
Jan Werle zu verzichten. Da der Deutsche Meister auf seine Spitzenbretter
Luke McShane und Zahar Efimenko verzichten musste, ergab sich ein interessantes Duell mit
nur sehr geringen Elo-Nachteilen für unsere Mannschaft. Die Hoffnungen ruhten dabei
vor allem auf unserer jungen Hinterachse, doch gerade hier waren frühzeitig
Hiobsbotschaften zu verzeichnen.
Jan Smeets kannte sich mit Schwarz in der
von Rainer Knaak (2487) gewählten giftigen Nebenvariante der Slawischen Verteidigung
nicht aus, griff bereits in der Eröffnung daneben und wurde danach vom Chefredakteur
des ChessBase-Magazins sehenswert auseinandergenommen, was nach ca. drei Stunden die
Führung für die Werderaner bedeutete. Nicht besser erging es einem anderen
Niederländischen Youngster: Daniel Stellwagen geriet in seinem
Königsinder gegen den Bajonett-Angriff von Tom Nyback (2563; Bild links)
frühzeitig in eine perspektivlose Stellung, die der aktuell in riesiger Form
aufspielende Finne sich nicht mehr nehmen ließ.
Unser Team wurde jedoch von Predrag Nikolic (Bild unten) im Spiel
gehalten. Der stets bescheiden auftretende Bosnier wollte keinen Zweifel daran aufkommen
lassen, dass die vergangene Saison nur ein böser Betriebsunfall war, und entwickelte
gegen den Tschechen Zbynek Hracek (2581) aus einer Fianchetto-Variante gegen dessen
Benoni-Verteidigung schnell aggresives Druckspiel, opferte eine Qualität und erhielt
diese später mit Zinsen in Form eines Mehrbauern zurück, bevor er mit einem
hübschen Mattangriff der Partie ein stilvolles Ende setzte. Die erste Punkteteilung
gab es wenig später bei Alexander Naumann, der gegen den
letztjährigen Topscorer Gennadij Fish (2550) mit Weiß nichts Substantielles
hatte erreichen können, mit einem Bauernopfer jedoch stets genügend
Aktivität bewahrte, ohne dass das Gleichgewicht ernsthaft gestört wurde.
Eine Vorentscheidung fiel dann durch die Niederlage
von David Baramidze im Duell mit Vlastimil Babula (2593). Unser Neuzugang
erreichte mit Weiß in einem scharfen Najdorf-Sizilianer nicht viel und wurde vom
stark aufspielenden Tschechen immer mehr in die Defensive gedrängt. Bereits mit einem
Minusbauern kämpfend unterlief David vor der Zeitkontrolle noch ein
weiteres taktisches Versehen, welches ihn endgültig zur Aufgabe zwang. Doch bereits
kurze Zeit später sorgte der Russische Bär am Spitzenbrett wieder
für den Anschlusstreffer. Artur Jussupow hatte bei seinem Comeback
am Spitzenbrett die schwere Aufgabe, die Angriffsqualitäten des aufstrebenden
19-jährigen Ukrainers Alexander Areshchenko (2653) auszubremsen. Dabei entschied er
sich natürlich für seine geliebte Russische Verteidigung. Im frühen
Mittelspiel büsste Artur dann jedoch – wie er selbst sagte,
durch eine Zugverwechslung – einen Bauern ein und sah sich nun gezwungen, auf
Angriff zu spielen. Fast würde man ihm solche Fingerfehler häufiger
wünschen, denn es folgte eine fantastische Demonstration von kreativem
Angriffsschach, die ein wenig an seine legendären Partien im Kandidatenmatch gegen
Vasily Iwantschuk im Jahre 1991 erinnerte. Mit einem hübschen Figurenopfer
krönte Artur seinen Auftritt, der von den Kiebitzen klar als die
spektakulärste und beste Partie der Runde eingeschätzt wurde.
Nach der Zeitnotphase stand es somit 2½:3½, doch es zeichnete sich bereits
die knappe Niederlage ab. Jan Werle hatte mit Weiß gegen den von
unseren Turnieren bestens bekannten Gerlef Meins (2441) stets leichte Vorteile gehabt,
konnte diese aber niemals ernsthaft verdichten und ließ im während der Zeitnot
entstandenen Bauernendspiel die vielleicht letzte Chance aus. So konnte Meins nach einer
akkuraten Leistung eine Zugwiederholung forcieren. So blieb nur noch die Partie von
Sandipan Chanda, der mit Schwarz gegen den Schweizer Yannick Pelletier
(2583) nach dessen feinem Bauernopfer zunächst in Bedrängnis geraten war, sich
dann jedoch befreien und vollständigen Ausgleich erreichen konnte. Durch den Stand
des Kampfes gezwungen, lehnte er ein Remisangebot ab und versuchte mit bemerkenswertem
Kampfgeist, noch eine Entscheidung zu erzwingen. Um im Endspiel mit Damen und
gleichfarbigen Läufern noch Angriffschancen gegen den König zu schaffen, opferte
er 2 Bauern und wich bis in die sechste Spielstunde hinein dem Dauerschach aus. Der
präzise Vortrag des Schweizer Nationalspielers ließ jedoch nicht mehr als einen
halben Zähler zu, so dass die knappe Auftaktniederlage perfekt war.
Nun geht es darum, im Duell gegen den Hamburger SK, der ebenfalls gegen Wattenscheid
knapp unterlag, die nominellen Vorteile auszuspielen und zumindest das Mindestziel von 2
Punkten an diesem Wochenende zu sichern.
Am Samstag beginnt die Schach-Bundesliga in ihre neue Saison mit einer Neuauflage des
Duells der Solinger gegen die Werderaner. Erinnern wir uns: Am 15. Spieltag der
vergangenen Saison blickten nach der Zeitkontrolle diverse Großmeister aus Porz auf
die Internetübertragung aus Solingen und hofften, dass Predrag Nikolic nach einer
dramatischen Partie sein Turmendspiel gegen Luke McShane doch noch gewinnen und den
Ausgleich für Solingen erzielen würde.
Das Ergebnis ist bekannt:
Der Brite hielt das Unentschieden und sicherte den Bremern mit dem 4½:3½ die
Teilnahme am Stichkampf, in dem sie sich den Deutschen Meistertitel sicherten.
Natürlich würde Teamchef Herbert Scheidt nur zu gerne dem
amtierenden Deuschen Meister den ersten Punktverlust beibringen. Leicht wird das gegen die
ungemein homogene Bremer Mannschaft nicht werden, zumal sich diese noch mit dem frisch
gebackenen Ukrainischen Meister, dem 19jährigen Alexander Areshchenko verstärkt
hat und beim Europacup im September mit Platz 5 bereits sehr gute Form zeigte.
Am Sonntag kommt es dann zum Aufeinandertreffen mit einem anderen Urgestein der Liga, dem
Hamburger SK, der im Rahmen seines 175-jährigen Vereinsjubiläums erst in der
vergangenen Woche mit der mustergültigen Ausrichtung des Hamburger Schachfestivals
glänzte.
Während also
alle anderen Teams dieser Doppelrunde in diesem Jahr kräftig Anlass zum Feiern
besaßen, musste aus unserer Sicht nach der vergangenen Seuchen-Saison
der bloße Klassenerhalt bereits als Errungenschaft angesehen werden. Damit sich dies
nicht wiederholt, wurde der Kader der Vorsaison verstärkt: Am Spitzenbrett wird
Artur Jussupow nach seiner kreativen Bundesliga-Auszeit, die er zum
Gewinn der Deutschen Meisterschaft und der Schnellschach-Europameisterschaft nutzte, sein
Comeback geben und dem jungen Team zusätzliche Stabilität verleihen. Zugleich
wird mit David Baramidze eines der größten Deutschen
Schachtalente seinen Einstand in der höchsten deutschen Spielklasse geben und die
Fraktion der Solinger Jungen Wilden weiter verstärken.
Des weiteren hofft die Solinger Schachgemeinde darauf, dass Predrag
Nikolic wieder an die Form der Vorjahre anknüpfen und die vergangene Saison
vergessen machen wird. Wenn zudem die Oranje-Fraktion und der frisch gebackene
Großmeister Alexander Naumann an ihre starken Leistungen aus der
Endphase der letzten Saison anknüfen können, sollte der Klassenerhalt diesmal
frühzeitig gesichert sein.
Auf die ersten Punkte hofft das Team bereits an diesem Wochenende und würde sich
über moralische Unterstützung sehr freuen.
Spielort:
Aula der Pestalozzi Realschule
Graf-Adolf-Str. 40
44866 Bochum-Wattenscheid