Mit einem glücklichen 4:4 gegen den TV Tegernsee hat unser Bundesliga-Oktett einen wertvollen Zähler erringen und damit die Bilanz des langen Wochenendes zumindest etwas freundlicher gestalten können. Nach Niederlagen von Michael Hoffmann und Christian Gabriel avancierte nach einem Erfolg von Jan Werle wieder Sipke Ernst zum Spieler des Tages, als er eine klare Verluststellung in der Zeitnotphase dank tätiger Mithilfe seines Gegners noch zum Sieg drehen konnte.
Angesichts des bisherigen nicht sonderlich erfreulichen Verlaufs des Wochenendes war Herbert Scheidt sehr froh, dass er bereits zuvor Daniel Stellwagen hatte zur Rückkehr für den Sonntagskampf nach seinem gestrigen Fehlen bewegen können, so dass die nominelle Dominanz der routinierten Bayern nicht ganz so gravierend war. Außerdem standen auch sie nach der gestrigen Niederlage gegen Wattenscheid mit 2:4-Zählern unter Druck, was die Hoffnungen auf eine Überraschung weiter nährte.
Nach den beiden langwierigen Kämpfen der Vortage mit vielen voll ausgekämpften Partien gab es am Sonntagmorgen einige kürzere Unentschieden. Das diese auch sehr spannend sein können, stellten Alexander Naumann und sein Kontrahent, der frühere WM-Kandidat GM Zoltan Ribli (2584), eindrucksvoll unter Beweis. In seiner dritten Schwarz-Partie dieses Wochenendes vertraute Alex auf die gewohnt solide Slawische Verteidigung und wählte eine Nebenvariante, die kürzlich auch im WM-Kampf zwischen Topalov und Kramnik diskutiert worden war. Ribli setzte sehr scharf fort und die Zuschauer konnten sich an vielen hängenden Figuren erfreuen, bevor der Ungar die völlig unklare Stellung so abwickelte, dass eine Zugwiederholung mit Dauerschach die einzig logische Folge gewesen wäre.
Bedeutend undramatischer verliefen die Punkteteilungen von Artur Jussupow gegen den jungen Ukrainer GM Evgenij Alekseev (2639) in einem Nimzo-Indischen Hübner-System sowie von Predrag Nikolic gegen Igor Khenkin (2620), der in einer katalanischen Struktur ebenfalls keinen Vorteil erzielt hatte. Danach geriet unser Team jedoch noch vor der Zeitkontrolle in Rückstand: Michael Hoffmann hatte gegen Bundestrainer Uwe Bönsch nach der Eröffnung mit Schwarz ausgeglichen, agierte dann im frühen Mittelspiel aber etwas nachlässig, so dass Bönsch einen gefährlichen Freibauern auf der a-Linie bilden konnte, der später eine schwarze Qualität kostete, wonach die Partie für Michael nicht mehr zu halten war.
Kurz danach stand es 3:2, nachdem auch die höchst interessante Partie von Daniel Stellwagen gegen den früheren Weltranglisten-Dritten GM Andrei Sokolov (2580), in der aus einem scharfen Sozin-Angriff im Sizilianer schließlich ein Endspiel mit zeitweilig vier Damen entstanden war, ebenfalls Remis endete. Den Ausgleich erzielte im Anschluss Daniels Landsmann Jan Werle gegen den Tegernseer Neuzugang Eduard Rosentalis (2591). Dieser hatte im frühen Mittelspiel etwas spekulativ einen Bauern geopfert/ verloren, den er jedoch nach Jans kreativem Vortrag und der Stärke seines Läuferpaares nicht mehr wieder sah.
Dennoch hielt sich der Solinger Optimismus vor der Zeitnotphase in Grenzen. Am Brett von Christian Gabriel deuteten sich im deutschen Großmeisterduell mit Gerald Hertneck (2520) bereits die kommenden Probleme im Endspiel an, da der Münchener am Damenflügel über eine gefährliche Bauernmajorität verfügte. Zudem hatte Sipke Ernst gegen den deutschen IM David Gross (2478) in einem offenen Spanier zwar Ausgleich erzielt, danach jedoch zum zweiten Mal an diesem Wochenende eine absolute „Zitrone” entkorkt, die ihn zwei Bauern kostete. Sipke baute nun auf einige „Fudelchancen” dank der Existenz sämtlicher Schwerfiguren und ungleichfarbiger Läufer und tatsächlich hatte er bei seiner dritten spektakulären Partie des Wochenendes endlich das Glück auf seiner Seite, als sein Kontrahent in Zeitnot völlig den Faden verlor und Ernst nach der Zeitkontrolle praktisch auf Gewinn stand, den er kurze Zeit später auch realisieren konnte.
Nun wäre sogar ein Sieg möglich gewesen, doch der aktuell in einer ziemlichen Formkrise befindliche Christian Gabriel konnte seine Partie leider nicht mehr halten. Zwar konnte er als Kompensation für seine Minusbauern im Turmendspiel noch einen eigenen Freibauern bilden, für den Hertneck später noch seinen Turm opfern musste, doch seine verbundenen g+h-Bauern entschieden gegen Gabriels Turm die Partie, so dass es wie in der Vorsaison zwischen beiden Mannschaften 4:4 hieß.
Trotz dieses Teilerfolges zum Abschluss blieb unsere Erste an diesem Wochenende hinter der Zielvorgabe zurück, so dass nun dem kommenden Heimspielwochenende im Dezember mit den weiteren NRW-Derbys gegen Katernberg und Mülheim noch größere Bedeutung zukommen wird.