Mit einem dramatischen 5:3-Erfolg über die Schachfreunde Berlin konnte unsere Bundesligamannschaft den dritten Erfolg in Serie verzeichnen und das Punktekonto auf 10:6 Zähler aufstocken. Die Erfolgsgaranten waren diesmal die Mittelbretter Sandipan Chanda, Alexander Naumann und Michael Hoffmann, die beim Stande von 2:3 nach der Zeitkontrolle hervorragenden Kampfgeist bewiesen und einen sehr kritischen Kampf noch umbogen.
Trotz des gelungenen Dezember-Wochenendes und des durch den Doppelsieg über Katernberg und Mülheim erstmalig erreichten positiven Punktekontos trat das Solinger Bundesliga-Oktett die Reise nach Berlin mit gemischten Gefühlen an, da durch die Termin-Überschneidung mit der holländischen Liga mit Ausnahme von Sipke Ernst keiner unserer holländischen Youngster zur Verfügung stand. Dabei stand insbesondere mit dem Match gegen die Schachfreunde Berlin eines der enorm wichtigen Duelle gegen einen direkten Mitkonkurrenten im Abstiegskampf auf dem Programm. Die mannschaftlich sehr geschlossenen Berliner hatten ihre Gefährlichkeit bereits in der Vorsaison unterstrichen, als sie mit einer rein deutschen Mannschaft einen völlig verdienten Erfolg in Solingen erzielt und für den einzigen Schönheitsfleck unserer fast perfekten Saison gesorgt hatten.
Zudem bot die erstmals in der Bundesliga ausgetragene Achter-Runde im Schöneberger Rathaus für die Gastgeber ein ideales Ambiente, um vor heimischem Publikum vielleicht die letzte Chance im Abstiegskampf zu nutzen. Folglich war erwartungsgemäß eine starke Aufstellung der Neuköllner am Start; lediglich Rainer Polzin pausierte wegen der parallel laufenden Gründungsversammlung des Schachbundesliga-Vereins.
Wenig spektakuläres gab es von den Spitzenbrettern zu vermelden: Artur Jussupow trennte sich vom Franzosen GM Igor Nataf (2599) nach einem ruhigen Fianchetto-Grünfeld-Inder schnell Remis. Eine weitere Punkteteilung gab es am zweiten Brett zwischen GM Evgenij Miroshnichenko (2626) und Predrag Nikolic. Der Ukrainer hatte es mit der gleichen Variante des Damenbauernspiels probiert, mit dem er am Vorabend hatte David Navara bezwingen können. Doch nach einer Verbesserung von Predrag war die Position sehr schnell verflacht.
In der Zeitnotphase fielen dann die ersten Entscheidungen: Zunächst unterlag der völlig indisponierte Robert Zysk mit den weißen Steinen gegen IM Martin Krämer (2435). Frühzeitig war er in seinem Reti-Aufbau mit den weißen Steinen in die Defensive geraten und verlor nach dem Eindringen der schwarzen Figuren am Damenflügel schließlich entscheidend Material. Für den Ausgleich sorgte Sipke Ernst, der in seinem gewohnten chaotisch-erfindungsreichen Stil mit Schwarz in einer ruhigen Caro-Kann-Stellung gegen Dr. Martin Borriss (2455) mit g5 einen Bauern geopfert hatte. In der komplexen Position mit heterogenen Rochaden behielt »Spike« die bessere Übersicht und in der Zeitnot den weißen Monarchen auf e4 mattsetzen. Damit wäre eigentlich der Kampf unter Kontrolle gewesen, wenn nicht Lorenz Drabke bei akuter Zeitknappheit ein grauenhafter Zug unterlaufen wäre, mit dem er es in die »Gurken des Wochenendes« auf dem Blog von Georgios Souleidis schaffte. Gegen Ilja Schneider (2391) hatte Lorenz mit Schwarz klare positionelle Vorteile angesammelt und hatte erste Materialgewinne vor Augen, bevor er mit seinem Horrorzug gleich zwei Bauern und damit die Partie einstellte.
Damit war der kritische Stand von 2:3 nach der Zeitkontrolle gegeben, zumal an keinem der anderen Bretter irgendein substantieller Vorteil zu erkennen war: Der erst am Vorabend aus Gibraltar eingetroffene Sandipan Chanda hatte gegen Open-Spezialist GM Normunds Miezis (2529) mit Weiß nichts erreicht und besaß nun sogar ein unklares Doppelturmendspiel mit ungleichfarbigen Läufern und Minusbauern. Michael Hoffmann konnte lediglich mikroskopische Vorteile im Damenendspiel gegen IM Stephan Berndt (2445) für sich reklamieren. Gleiches galt für Alexander Naumann, der sich mit Schwarz in einem Turm- und Läuferendspiel gegen den extrem soliden IM Lars Thiede (2509) mühte.
Was in den restlichen zwei Spielstunden passierte, war eine perfekte Demonstration Solinger Kampfkraft verbunden mit dem Glück des Tüchtigen, das im Kommentar »So macht Schach keinen Spaß mehr« im Berliner Live-Ticker gipfelte. Zunächst nutzte Michael kleinere Ungenauigkeiten seines Kontrahenten akribisch aus und erzielte gegen den Berliner Strafrichter den Ausgleich. Im Anschluss verlor Miezis unter immer größer werdendem Zeitdruck völlig den Faden und verdarb seine Stellung gegen den immens zähen Sandipan noch zum Verlust, so dass kurz vor Ende der sechsstündigen Spielzeit die überraschende 4:3-Führung verzeichnet werden konnte. Leider hatte Alexander das ihm gegebene Zeichen über den Ausgang der Sandipan-Partie missverstanden und fühlte sich zum Spielen auf Gewinn verpflichtet, so dass er in der Finish-Phase mit leichtem Zeitvorteil sein objektives remises Endspiel so lange ausreizte, bis Thiede schließlich den entscheidenden Fehler beging.
Dieses 5:3 bedeutet natürlich einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt und führte zu einer exzellenten Stimmung im Solinger Lager, die noch dadurch abgerundet wurde, dass Markus Schäfer in den Vorstand des neu gegründeten Schachbundesliga-Vereins gewählt wurde.