Nach der vermutlich schwächsten Saisonleistung kassierte unsere Bundesligamannschaft am 13.Spieltag eine verdiente 3½:4½-Niederlage gegen den SC Kreuzberg und verpasste damit die Gelegenheit, das neue Saisonziel von 15 Zählern vorzeitig zu sichern. Ausschlaggebend für die erste Niederlage in dieser Saison vor heimischem Publikum war der Einbruch der Hinterachse: Jan Smeets, Sipke Ernst und Robert Zysk mussten sich alle trotz nomineller Überlegenheit geschlagen geben, was auch durch die vollen Zähler von Daniel Stellwagen und Alexander Naumann nicht mehr ausgebügelt werden konnte.
Dabei schienen die Vorzeichen für den Sonntag eigentlich günstig zu sein. Unser Oktett hatte am Vortag gegen Tegel eine souveräne Vorstellung geboten und den Klassenerhalt endgültig gesichert. Die Kreuzberger hatten dagegen eine Niederlage gegen Wattenscheid kassiert und waren zudem durch das Fehlen ihrer Spitzenbretter Levon Aronian (Monaco) und Gabriel Sargissjan (Spanisch-Thematurnier) so ersatzgeschwächt, dass wir nominell favorisiert in die Partie gingen.
Relativ schnell gab es drei Punkteteilungen zu verzeichnen: Michael Hoffmann beschränkte sich auf symbolische Bemühungen, um gegen die »Berliner Mauer« von IM Karsten Volke (2478) etwas herauszuholen. In einem weiteren Spanier verzichtete GM Thomas Luther (2594) gegen die Saitzew-Variante von Predrag Nikolic mit einem ruhigen System auf jegliche Gewinnversuche. Bedeutend unterhaltsamer verlief da schon die Partie am Spitzenbrett, wo sich Artur Jussupow und GM Bartosz Socko (2630) aus einem zunächst ruhigen g3-Königsinder heraus einen sehr interessanten taktischen Schlagabtausch lieferten, der letztlich in einem Dauerschach mündete.
Alle anderen Partien wurden entschieden und es kam dabei zum seltenen Fall, dass der Kampf bereits mit der ersten Zeitkontrolle beendet war. Dabei untermauerte Daniel Stellwagen seine aktuell glänzende Form mit einem souverän herausgespielten Positionssieg gegen GM Sergej Kalinitschew (2471). Gegen dessen Taimanov-System im Sizilianer brachte Daniel sein Läuferpaar in Verbindung mit einem Angriff am Königsflügel sehr effektiv in Einsatz, so dass er verdient einen vollen Zähler einfuhr. Gleiches gelang Alexander Naumann im Duell mit SCHACH-Chefredakteur GM Raj Tischbierek (2486). Dieser hatte sich als Weißer in einer ruhigen Slawischen Abtauschvariante zu einem Bauernraub auf b7 verleiten lassen, was ihn nach der Rückführung seiner Dame eine Qualität kostete. Zwar besaß Alexander einen etwas löchrigen Königsflügel, doch bot dieser keine hinreichende Kompensation für das materielle Defizit des Weißen, so dass Alexander letztlich seinen vierten Sieg bei seinem vierten Einsatz in Solingen in dieser Spielzeit feiern konnte!
In Anbetracht der Elo-Vorteile an den hinteren Brettern wären die meisten Prognosen bei einem 3½:1½ an den vorderen Brettern auf einen klaren Solinger Sieg hinausgelaufen, doch insbesondere die beiden jungen Kreuzberger Damen scherten sich nicht um die Papierform. Deutschlands Vorkämpferin IM Elisabeth Pähtz (2449) erlangte gegen Jan Smeets nach einem ruhigen schottischen Vierspringerspiel leichte Stellungsvorteile in Form eines unangenehmen Freibauern am Damenflügel, als Smeets etwas gekünstelt agierte. Später konnte sie mit einem Qualitätsopfer daraus ein Freibauernpaar machen, gegen das die schwarze Position keine Verteidigungsressourcen mehr aufwies.
Die Österreichische Meisterin der Herren, WGM Eva Moser (2396), tat es ihrer deutschen Kollegin gleich. Zwar schien Robert Zysk nach einer modernen Verteidigung mit 4…a6 gegen die ruhige positionelle Spielweise der Österreicherin vollen Ausgleich erlangt zu haben, doch einige Ungenauigkeiten im Mittelspiel führten zunächst zur Bildung eines gefährlichen Freibauern auf der d-Linie und schließlich zu einem spektakulären Springereinschlag auf f7, nach dem die schwarze Stellung binnen weniger Züge wie ein Kartenhaus zusammenfiel.
Zu allem Überfluß hatte auch Sipke Ernst einen seiner »Off Days« erwischt. Seine Reti-Aufbau machte gegen den bekannten Berliner Schachtrainer IM Michael Richter (2396) von Beginn an keinen überzeugenden Eindruck. Richter riß dann folgerichtig mit einem Bauernopfer sehr schön die Initiative an sich und nutzte sein Läuferpaar mit hübschen geometrischen Motiven dazu, den weißen Entwicklungsrückstand zu verdeutlichen. Unter Qualitätsopfer konnte er einen Freibauern auf der d-Linie bilden, der schließlich Sipkes Figuren zu völliger Passivität verurteilten. Mit zwei an die Grundreihe gefesselten Türmen musste »Spike« mit ansehen, wie der schwarze König in Seelenruhe entscheidend in die weiße Stellung eindrang, so dass ihm nach einigen Alibi-Zügen nur noch die Aufgabe blieb.
So war bereits nach vier Stunden der Kampf mit einer verdienten Niederlage beendet. Die Mannschaft liegt nun mit 13:13 Zählern auf dem achten Tabellenplatz, droht aber angesichts des schweren Schlusswochenendes gegen Remagen und Porz noch den einstelligen Tabellenplatz zu verlieren, wenn dort nicht eine deutliche Leistungssteigerung zu verzeichnen sein wird.