van Wely – Drabke
Erwartungsgemäß hat unsere II. Mannschaft im Auftaktspiel gegen die SG Porz eine Niederlage hinnehmen müssen. Dabei verkaufte sich das Team beim 3:5 gegen die mit 5 GM angetretenen Kölner allerdings mehr als teuer und konnte an den Spitzenbrettern zwei sensationelle Einzelsiege von Lorenz Drabke über Hollands Spitzenspieler Loek van Wely sowie von Markus Schäfer über Schachlegende Jan Timman verbuchen, auch wenn ein Punktgewinn letztlich niemals wirklich in Reichweite war.
Im Vorfeld war lange gerätselt worden, ob die freiwillig aus der Bundesliga ausgeschiedenen Porzer in der 2. Liga eher mit ihrer altbewährten Zweitligabesetzung auftreten oder aber tatsächlich ihre verbliebenen niederländischen Stars ans Brett bringen würden, zumal das Porzer Urgestein Rafael Waganjan wegen eines GM-Turniers in Barcelona unabkömmlich war. Teamchef Hilgert entschied sich dafür, im Prestigeduell mit Solingen (auch wenn es nur die Zweite war) die »Muskeln spielen zu lassen«, so dass wir an den Spitzenbrettern die halbe niederländische Nationalmannschaft begrüßen konnten.
Trotz der nominell deutlichen Unterlegenheit entwickelte sich ein offener Kampf, in dem die Gäste nur leichte Positions-Vorteile für sich verbuchen konnten, die interessanter Weise meistens an den Brettern mit den geringsten Elo-Differenzen entstanden. So musste Markus Balduan nach einer lange andauernden positionellen Massage von IM Jakob Balcerak (2420) in seinem üblichen Maroczy-Drachen letztlich einen Bauern geben, so dass er die Partie nach einer Abwicklung in ein Leichtfigurenendspiel kurz vor der Zeitkontrolle aufgeben musste. Das gleiche Ergebnis gab es am 8. Brett bei Alois Kocur, dem in leicht besserer Position mit Weiß ein seltenes Missgeschick passierte. Er griff mit seinem Läufer den gegnerischen Turm an, um die schwarze Rochade zu verhindern und war ziemlich perplex, als diese trotzdem einfach erfolgte! Wenig später krankte die weiße Stellung an einem eingesperrten Läufer und FM Leon Konings (2294) hatte keine größere Mühe, ebenfalls den vollen Zähler einzufahren.
Sensationelle Dinge spielten sich dagegen am Spitzenbrett ab: Dort traf Lorenz Drabke auf GM Loek van Wely (2679), die aktuelle Nummer 31 der Weltrangliste, der am Vortag beim GM-Turnier in Hoogeveen noch sehr überzeugend Ex-Weltmeister Ponomariov mit Schwarz bezwungen hatte. Lorenz erhielt in der slawischen Hauptvariante die gewohnt solide und feste Stellung, musste aber nach dem Übersehen eines Zwischenzuges eine Qualität opfern, um nicht in Nachteil zu geraten. Wie häufig bei derartigen Notopfern der Fall, erhielt er plötzlich vortreffliche Kompensation, da der Königsflügel des Holländers völlig entblößt wurde. Mit weiteren Opfern setzte Lorenz alles auf eine Karte und als »King Loek« den vermutlich letzten Ausweg zum Dauerschach verpasste, war die Sensation nach nur 27 Zügen perfekt! (Partie nachspielen!) Beim Stande von 1:2 ging es in zahlreiche Zeitnotduelle, die schließlich die Entscheidung zu Gunsten der Domstädter brachten.
Milon Gupta hatte mit Schwarz gegen Jens Kipper (2365) immer minimal schlechter gestanden, doch in der Blitzphase konnte er sich befreien und hätte für einen Zug sogar entscheidend in Vorteil kommen können, doch er gab sich mit Dauerschach zufrieden. Michael Berg hatte es am sechsten Brett mit GM Dimitri Reindermann (2510) zu tun, aus dessen Leningrader Verteidigung im Holländer eine sehr komplexe Stellung entstand, in der sich der Routinier in der Zeitnotphase entscheidenden Vorteil sichern konnte, den er wenig später zum Sieg ummünzte. Den Siegtreffer erzielte dann GM Erik van den Doel (2593) gegen den Martin Becker eine sehr engagierte Vorstellung bot. In einem Najdorf-Sizilianer erreichte er Ausgleich und besaß durchaus reale Aussichten auf eine Punkteteilung, bevor ein schwerer Zeitnotfehler im Endspiel Material und damit die Partie kostete.
Schäfer – Timman
Das nächste Solinger Highlight gab es dann am zweiten Brett, wo Markus Schäfer bereits zum zweiten Mal auf den früheren WM-Finalisten Jan Timman (2559) traf. Nach einer unglücklichen Schwarz-Niederlage vor zwei Jahren in Amsterdam bewahrte Markus diesmal in einem Tarrasch-Franzosen stets minimalen Mittelspiel-Vorteil und erreichte so ein ziemlich ausgeglichenes Turmendspiel. In diesem startete Timman einen nicht gerechtfertigten Gewinnversuch und musste sich schließlich nach der guten technischen Vorstellung von Markus geschlagen geben. Dieser volle Zähler blieb Herwig Pilaj leider versagt, der als Weißer in einem Pertrosian-Dameninder immer »am Drücker« war und sicherlich die bessere Hälfte des Remis für sich reklamieren konnte. Doch sein Kontrahent GM Arkadij Rotstein (2534) fand sowohl während als auch nach der Zeitnotphase stets die richtige Verteidigung und konnte sich in der längsten Partie des Tages noch das Unentschieden zum 3:5-Endstand sichern.
Sollte die Zweite diese spielerische Leistung jedoch auch in den kommenden Kämpfen konservieren können, besitzt sie durchaus realistische Chancen auf den Klassenerhalt.
Fotos: Philipp Müller
Siehe auch den Erlebnisbericht einer Nichtschachspielerin auf »Büchertage«.