Mit einem 5½:2½-Erfolg über den SK Zehlendorf verteidigte unsere 1. Mannschaft souverän ihren 5. Platz in der Bundesliga und sorgte mit dem dritten Sieg in Folge für einen schhönen Saisonausklang. Die Gäste aus der Hauptstadt besaßen nach den gestrigen Ergebnissen ohnehin nur noch theoretische Chancen auf den Klassenerhalt und hatten zudem bereits mit ihrer sehr schwachen Aufstellung das Fehlen jeglicher Ambitionen verdeutlicht. So traten sie wie bereits gestern nur mit sieben Spielern an, ließen diesmal aber nicht das vierte, sondern das Spitzenbrett frei und sorgten so für den ersten kampflosen Sieg von Predrag Nikolic in einem Mannschaftskampf, was dieser gewohnt nüchtern mit »It’s a pity« kommentierte.
Das nominelle Übergewicht unserer Mannschaft wurde vor allem an den hinteren Brettern deutlich, wo der frisch gebackene holländische Meister Jan Smeets gegen den bedauernswerten Dr. Wolfram Heinig (2338) den Unterschied zwischen Profi und Amateur demonstrierte. Nach einer langen Theorievariante der Caro-Kann-Verteidigung reichte eine Ungenauigkeit des Berliners, die Smeets bereits früher analysiert hatte, für die Entscheidung aus. Jan überprüfte nur seine früheren Analysen am Brett und spulte die gesamte Partie in knapp einer halben Stunde ab, während Heinig sich in hochgradige Zeitnot manövrierte und schließlich mit klarem Materialnachteil kapitulieren musste.
Nach dieser schnellen 2:0-Führung konnten es unsere Mittelbretter etwas ruhiger angehen lassen, so dass Markus Ragger, der als Schwarzer gegen Dominik Orzech (2483) nach einer Abtauschvariante im Halbslawen schließlich in einem völlig remisen Turmendspiel gelandet war, ebenso in die Punkteteilung einwilligte wie Jan Werle. Dieser schien zwischenzeitlich mit leichten Schwierigkeiten gegen IM Jakov Meister (2491) zu kämpfen zu haben, konnte aber mit einem riskant erscheinenden Bauernraub auf g2 und anschließendem kreativen Spiel das Gleichgewicht aufrechterhalten. Die nächste Punkteteilung gab es dann bei Michael Hoffmann, der seine minimalen Vorteile als Weißer in einem Rubinstein-Franzosen gegen Routinier IM Dimo Werner (2348) niemals verdichten konnte.
In der Zeitnotphase fiel dann die endgültige Entscheidung durch den Sieg von Sipke Ernst, der gegen Wolf-Dietrich Klimm (2286) schnell Ausgleich erlangt hatte und dann in seinem typischen Stil so lange herumwuselte, bis dem Berliner in Zeitnot der entscheidende Einsteller in einem bereits schwierigen Endspiel unterlief. So war es auch zu verkraften, dass Sandipan Chanda die einzige Solinger Niederlage an diesem Wochenende in Kauf nehmen musste. In der semislawischen Anti-Meraner-Variante unterlief dem Inder bei seinem geplanten Ausgleichmanöver ein schwerer Rechenfehler, so dass er in einer sehr schlechten Struktur gefangen blieb, die der ukrainische Großmeister Andrei Maksimenko (2505) sehr konsequent ausnutzte.
Den Schlusspunkt der Saison setzte dann passender Weise unser dienstältester Spieler Alexander Naumann. Dieser war ebenso wie Sandipan von der Berliner »Aufstellungsrochade« ein wenig überrascht und absolvierte nach dem Erscheinen im Spiellokal noch eine Kurzvorbereitung auf seinen Gegner, den ungarischen Heißsporn IM Peter Priohaszka (2480), der prompt das ultrascharfe Botwinnik-System im Halbslawen aufs Brett brachte. Für die Zuschauer bot die Partie damit die für das Abspiel typischen irrationalen Stellungsbilder, aus denen Alexander, auch wenn er an einer Stelle das modernste Abspiel scheute, schließlich ein vorteilhaftes Endspiel erreichte. Während sein Gegner und er hier bereits einen Großteil ihrer Bedenkzeit investiert hatten, überraschte Semi-Slawisch-Experte Jan Smeets im Analyseraum mit der Nachricht, dass die Stellung noch Theorie sei … In jedem Falle führte Alexander das Endspiel sicher zum Sieg, konnte seine Bilanz nach der mißlungenen Saison weiter aufbessern und machte sich mit neuem Selbstvertrauen zusammen mit einem großen Spielertroß auf den Weg zum Kölner Flughafen, wo es noch heute Abend zur morgen beginnenden Europameisterschaft nach Plovdiv ging.
Währenddessen zog Teamchef Herbert Scheidt eine sehr zufriedene Saisonbilanz. Nach den Plätzen 4 und 6 in den Vorjahren bestätigte unsere Mannschaft in dieser Saison mit Rang 5 ihre Position in der Liga. Dabei trägt das vor sechs Jahren begonnene Konzept des Aufbaus einer jungen, ambitionierten und vor allem mit sehr gutem Teamgeist ausgestattenen Mannschaft weiter Früchte. Diesem Konzept folgend soll die Mannschaft zusammenbleiben und vielleicht noch mit einem aufstrebenden jungen Spieler verstärkt werden.
Nach dem ebenfalls sehr erfreulichen Klassenerhalt der 2. Mannschaft in der starken 2. Bundesliga West soll die erfolgreiche Spielzeit nun noch beim Pokal-Final Four und den Deutschen Blitzmeisterschaften fortgesetzt werden, bevor man in der kommenden Saison vielleicht eine weitere Verbesserung der Platzierung anstreben möchte.