Mit einem 5:3-Erfolg gegen den SV Wattenscheid in der vorgezogenen Einzelrunde der langjährigen Reisepartner ist unsere Bundesligamannschaft vor heimischem Publikum sehr gut in die neue Saison gestartet. Nach einem lange Zeit sehr ausgeglichenen Kampfverlauf sicherten die Siege von Neuzugang Rainer Buhmann und Sipke Ernst schließlich den verdienten Tagessieg nach einer geschlossenen Mannschaftsleistung ohne Niederlage.
Die Duelle gegen unsere Freunde aus Wattenscheid sind traditionell hart umkämpft und sehr interessant. Die Spannung baut sich im Regelfall schon vorher auf, da man beim Team um den langjährigen Mannschaftsführer Uli Wolf die vermeintlichen Aufstellungen häufig schwer einschätzen kann. In den beiden letzten Jahre präsentierte sich Wattenscheid zum Duell der Reisepartner fast in Bestbesetzung und kam zu einem knappen Sieg und einem Remis, so dass Teamchef Herbert Scheidt endlich einmal wieder zwei Zähler aus diesem Lokalderby mitnehmen wollte. Zum Auftakt des Kampfes schienen die Voraussetzungen nicht schlecht, denn die Gäste aus dem Ruhrgebiet mussten nicht nur auf Neuzugang Gudar Guseinov und Mateusz Bartel, sondern mit Dr. Frank Holzke auch auf eine feste Größe in der bekannten Deutschland-Achse »Appel, Holz, Hand« verzichten. Dafür gab mit Benjamin Tereick (2356) das aktuell vielleicht größte Jugendtalent von NRW sein Debüt. Da allerdings auch wir hier mit Predrag Nikolic und Sandipan Chanda gleich zwei prominente Ausfälle hatten, war erneut ein enges Ringen zu erwarten.
Dies bestätigte sich auch in den ersten Stunden des Kampfes, bei dem erstmalig die neue Bundesliga-Bedenkzeit 100 Minuten/40 Züge + 50 Minuten + 30sec/Zug zum Einsatz kam. Artur Jussupow ging nach seinem schrecklichen Turnier beim Kampf der Generationen in Amsterdam mit »angezogener Handbremse« in seine Partie gegen GM Pavel Czarnota (2531). In einem Sämisch-Königsinder mit Lg5 offerierte er mit Weiß bei noch recht vollem Brett, aber knapp werdender Bedenkzeit die Punkteteilung. Keine großen Wellen schlug auch die Partie von Alexander Naumann gegen GM Florian Handke (2498), in dem Alex gegen eine der aktuell slawischen Modevarianten nicht über leichte optische Vorteile hinauskam, die nicht zu verdichten waren. Etwas schärfer ging es in einer komplexen Meraner Variante zwischen IM Dr. Volkmar Dinstuhl (2436) und Markus Ragger zu, in der der schwarze König nicht zur Rochade kommt. Die Kiebitze sahen hier nach einem etwas merkwürdig aussehenden Damenzug von Markus Weiß leicht in Vorteil, doch Volkmar wickelte bald in ein völlig ausgeglichenes Remisendspiel ab. Unser frisch gebackener EU-Champion Jan Werle diskutierte mit Ex-Europameister GM Bartek Macieja (2600) die scharfe Wiener Variante des Damengambits und erreichte ein vorteilhaft aussehendes Turmendspiel. Doch der Pole verteidigte exakt und erreichte dank der Aktivität seines Turmes ebenfalls den Remishafen.
Eine kuriose Läuferposition konnten die Zuschauer am Spitzenbrett bewundern. GM Evgenij Najer (2682) hatte gegen Daniel Stellwagen in einer sizilianischen Scheweninger Struktur ein sehr kreatives temporäres Springeropfer gebracht, dabei aber vermutlich einen Rechenfehler gemacht, so dass sein weißer Läufer eingesperrt auf a7 strandete. Glück für den Russen, dass dies nicht weiter auszunutzen war, so dass Daniel mit einem Springeropfer das Dauerschach forcierte. Somit ging es beim Stande von 2½: 2½ in die Zeitnotphase, wo die Solinger Hoffnungen auf Rainer Buhmann und Sipke Ernst lagen, während die Wattenscheider auf die vielversprechende Position von GM Alexander Rustemov (2520) gegen Jan Smeets bauten.
Letztlich gelang Rainer Buhmann der Traumeinstand im Solinger Trikot: Gegen den frisch gebackenen GM Ralf Appel (2541), der wieder einmal sein geliebtes Damenbauerspiel mit Lf4 ausgepackt hatte, konnte Rainer schnell ausgleichen. Als sich viele bereits auf ein weiteres ereignisloses Remis einstellten, bekam der frühere Deutsche Blitzmeister plötzlich Probleme am Damenflügel und musste einen Bauern geben, worauf Buhmann den Vorteil im Schwerfigurenendspiel sicher zur Solinger Führung verwertete. Nerven kostete dagegen wieder einmal unser »Spike« am achten Brett. Gegen Benjamin Tereick schien Sipke Ernst aus einer Reti-Struktur dank Läuferpaar und deutlich mehr Bedenkzeit klare Vorteile zu besitzen, übertrieb das Gezocke allerdings ein wenig und erreichte nur ein minimal besseres Doppelturmendspiel. In diesem verteidigte sich Benjamin jedoch nicht optimal, ließ den Abtausch eines Turmpaares zu und musste sich geschlagen geben, wonach der Kampf entschieden war. Den positiven Abschluss des Tages lieferte dann Jan Smeets, der in seinem schlechteren Endspiel mit seinen beiden Springern so viel Gegenspiel gegen den gegnerischen König anzettelte, dass Rustemov am Ende mit einem halben Zähler schon eher zufrieden sein musste.
Nach diesem souveränen 5:3 soll morgen nun die nächste Revanche für die Vorjahresniederlage gegen Mülheim Nord folgen. Vielleicht ist gegen den favorisierten Europapokal-Teilnehmer ja eine Überraschung drin.