In der sonntäglichen Frühe ging es dann gegen einen unserer in der Vergangenheit schwierigsten Gegner, Werder Bremen. Hier wäre nach unseren Vorstellungen schon ein Punktgewinn als Erfolg zu verbuchen gewesen, waren wir doch an den meisten Brettern nominell klar schwächer besetzt. Allerdings war zu berücksichtigen, daß Bremen am Tag zuvor überraschend deutlich gegen Wattenscheid unterlag.
Als erste Partie wurde die von Jan Werle gegen den von Bremen besonders geförderten Georg Meier (2558) beendet. Vielleicht noch unter dem Eindruck der Vortagspartie ließ es Jan gegen Meiers Bogoinder mit 6. g3 und 9. e3 betont ruhig angehen. Eröffnungsvorteil war mit dieser Aufstellung indes nicht zu erzielen. Die Punkteteilung nach 17 Zügen auf Meiers Vorschlag hin, der sich sogar bereits leicht im Vorteil wähnte, geht insofern völlig in Ordnung.
Auch meine Partei gegen Vlastimil Babula (2608) sollte nur 20 Züge dauern. Statt meines ansonsten bevorzugten Keres-Angriffs gegen seinen Scheveninger-Sizilianer wählte ich mit 6. Le3 gefolgt von f4 und Df3 einen bisher in meiner Praxis noch nie vorgekommenen Aufbau, um einer gegnerischen Vorbereitung aus dem Wege zu gegen. Babula zeigte sich jedoch auch hier mit 8… e5 bestens gewappnet. Im sich anschließenden, von beiden Seiten prinzipiell geführten taktischen Scharmützel gelang es mir, Schwarz zu einem typischen sizilianischen Qualitätsopfer zu »überreden«. Als Kompensation erhielt Babula einen Bauern und Gegenspiel gegen meinen etwas luftig stehenden König. Die spätere Analyse bestätigte, daß ich wenig später gut daran tat, mit einer Zugwiederholung das Remis zu erzwingen. Gewinnversuche mit 20. Td5 oder Td2 hätten das Gleichgewicht der Stellung zu Gunsten von Schwarz aufgehoben.
Alexander Naumann hatte mit Weiß ebenfalls die Bogoindische Verteidigung zu bekämpfen, nämlich gegen Zbynek Hracek (2613). Meines Erachtens hätte er statt seines gespielten Zuges 10. de5: mit 10. Tad1 oder e4 energischer spielen müssen, um Eröffnungsvorteil nachzuweisen. Nach 16… Sc5 hatte Hracek zumindest bequemen Ausgleich erzielt, und es lag bereits bei Weiß, die nötige Vorsicht walten zu lassen, um nicht in Nachteil zu geraten.
Von da an zeigte Alexander jedoch seine gewohnte Zähigkeit, die es ihm schließlich erlaubte, ein leicht nachteiliges Schwerfiguren- bzw. Damenendspiel zu halten. Zwar hätte Hracek im 35. Zug mit Df3: noch kein Dauerschach zulassen müssen, aber zu diesem Zeitpunkt war der Remisschluß ohnehin bereits der sehr wahrscheinliche Ausgang der Partie.
Kurz vor der Zeitkontrolle konnte auch Romain Edouard gegen Gennadi Fish (2531) seine Partie beenden, und zwar mit einem Schwarzsieg! Romain griff mit 12… f5 und 13… Tf5: in einer komplizierten Benoni-Partie eine Idee auf, die Kramnik 2005 bereits erfolgreich in seinem Match gegen Leko angewandt hatte. Mit einer eher zweifelhaften Idee, nämlich 20. Tb1 gefolgt von 21. b4, wich Fish einer dreimaligen Stellungswiederholung aus. In der danach entstandenen kritischen Situation griff Weiß mit 22. Le4 fehl. Stattdessen hätte 22. Se4 Tf3: 23. Df3: Ld5: 24. Te1 zu einer völlig unklaren Lage mit offenem Ausgang geführt. In der Partie kam Romain klar »ans Ruder« und dürfte bereits nach 27… Sfd5: auf Gewinn gestanden haben. Bis zur Zeitkontrolle verwertete er sodann umsichtig seinen Vorteil. Spätestens mit diesem zweiten Sieg Romains dürften sich weitere Fragen nach seinem Einstand in Solingen erübrigt haben. :)
Nach 4 Stunden stand es also 2½:1½ für Solingen! Allerdings war der Mannschaftskampf noch völlig offen, da wir in drei der verbliebenen Partien schlechter bis verloren standen bei einer weiteren remisträchtigen Position.
Die remisträchtige Stellung war die von Markus Ragger gegen Nyback (2639). In einer beliebten Slawisch-Nebenvariante (4. e3 Lf5) folgten beide zunächst der durchaus aus schwarzer Sicht zur Musterpartie geeigneten Begegnung von Alexander Naumann gegen Daniel Fridman aus der vorletzten Saison. Leider war Markus wohl diese Partie nicht bekannt (es ist ja erst seine zweite Saison für Solingen!), sonst hätte er vermutlich das von Alexander gespielte ehrgeizigere 12… Dc7 gewählt, um der weißen Zentrumsstrategie nach 13. e4 mit e5 und Spiel auf den schwarzen Feldern entgegen zu halten. Die schwarze Stellung blieb jedoch auch so hinreichend solide. Mit 30. c5 gab Weiß im weiteren Verlauf die Möglichkeit aus der Hand, ein zumindest leicht vorteilhaftes Endspiel mit ungleichen Läufern zu erreichen, da im Gegensatz zur Partie der auf d1 gestrandete schwarze Springer nicht mit dem späteren Zug Lb4 zu retten gewesen wäre. Dies war mit dem stärkeren 30. Ld4 zu bewerkstelligen. Im weiteren Partieverlauf sorgte die reduzierte Bauernanzahl jedoch dafür, daß Nyback trotz Minusfigur ohne nennenswerte Mühe die Partie in den Remishafen lenken konnte.
Rainer Buhmann diskutierte als Schwarzer mit dem starken Israeli Michael Roiz (2677) eine ruhige Reti-Eröffnung. Gleichwohl gelang es dem Weißen, nach 25 Zügen ein klar vorteilhaftes Endspiel mit schwarzem Isolani auf d5 zu erreichen. In der Folge demonstrierte Rainer jedoch seine volle »Verteidigungshärte« und führte die Partie nach 25 weiteren Zügen zum Remis.
Predrag Nikolic wählte gegen den jungen Ukrainer Alexander Areshenko (2664) in einem Spanier mit 8… Lg4 eine alte und heute nicht mehr so populäre Nebenvariante. Im Mittelspiel ergab sich die seltene Konstellation Springerpaar (auf Predrags Seite) gegen Läuferpaar. Dies schien Weiß anfänglich einigen Vorteil zu verheißen. Als Predrag die Partie jedoch bereits komplett ausgeglichen hatte, unterlief ihm mit 32… Ta8 eine Ungenauigkeit, die es Weiß ermöglichte, unter Aufgabe des Läuferpaares einen Bauern zu gewinnen. Nach den Anstrengungen der Zeitnot hätte Predrag dessenungeachtet mit 41… Tc3: auf taktischem Wege ins Remis abwickeln können. Statt dessen wickelte er in ein Turmendspiel mit zeitweiligem Minusbauern ab, das er jedoch dank seiner hervorragenden technischen Fähigkeiten ohne größere Probleme remis hielt.
Damit wurde es beim Stand von 4:3 noch einmal äußerst spannend, denn Daniel Stellwagen hatte ein Endspiel zu verwalten, das entweder verloren oder sehr knapp remis zu halten war. Er mußte in seiner Partie gegen Sachar Efimenko (2680) gegen die »Berliner Wand« ankämpfen. Mit 16. e6!? unternahm er einen interessanten Versuch, die besagte Wand, an der sich schon so mancher Weißspieler die Zähne ausgebissen hat, aufzumeißeln. Im weiteren Verlauf dürfte jedoch 21. g4 zu forsch gewesen sein, da sich so dem schwarzen Springer saftige »Weidegründe« auf f4 eröffneten. Besser wäre an dieser Stelle wohl das neutralere 21. Tfe1 bei weiter unklarer Lage gewesen.
In der Partie übernahm Schwarz langsam die Führung, allerdings hatte Daniel im 35. Zug die Möglichkeit, die Partie mit Td1 auszugleichen. Nach der Zeitkontrolle sah es dann äußerst kritisch im Endspiel aus, da Schwarz die überlegene Leichtfigur hatte. Mit 44. Tc6:! fand Daniel jedoch eine exzellente Verteidigungsressource, die es ihm erlaubte, in der Partie zu bleiben. Im weiteren Verlauf wäre sein Gegenspiel mit 49. Kg4-f5-g6 laut Rybka gerade rechtzeitig gekommen, um den beiden verbundenen schwarzen Freibauern das nötige Gegenspiel entgegenzusetzen, welches die Partie hält. Nach 49. Kg2 gab es dagegen meines Erachtens einen schmalen Grat für Schwarz, die Partie zu gewinnen: Statt 50… b5 hätte er mit 50… a3 in ein Endspiel mit Turm und b-Bauer gegen Turm abwickeln sollen. Nach der erzwungenen Folge 51. Tf3 Tg7: 52. Ta3:+ Kb5 53. Ke2 (Tb3+ Kc5) Td7 54. Ta1 dürfte sowohl Td4 als auch Td6 zu einer technisch gewonnenen Stellung führen. In der Partie ist die Position nach 57. Tf1 trotz zweier Mehrbauern nicht zu gewinnen. Eine brillante Kampf- und Verteidigungsleistung von Daniel!
Endstand 4½:3½ für Solingen. Damit sind wir auf den dritten Platz in der Tabelle geklettert und Herbert Scheidt kann dem restlichen Verlauf der Saison gelassen und entspannt entgegensehen.
Lieber Michael,
vielen Dank für diese zwei sehr guten Artikel!
Tolle Berichte!! Waren eine schöne Feiertagslektüre Danke