In der Samstagsrunde spielte die I. Mannschaft zunächst leicht favorisiert gegen die Schachgesellschaft aus Trier. Da wir in der letzten Saison über ein Unentschieden nicht hinausgekommen waren, gingen wir davon aus, dass der Kampf kein »Spaziergang« werden würde, was sich letztlich als richtig erweisen sollte. Aber der Reihe nach:
Als erste Partie endete die von Alexander Naumann mit Schwarz gegen den Ungarn Gonda (2507) ohne große Aufregungen friedlich. Im Slawen wählte Alexander mit 3… dc4: ein System, welches das anspruchsvolle Ziel verfolgt nachzuweisen, dass bereits der 3. weiße Zug ungenau ist. Die Zeit, die Weiß damit verbringt, den Bauern c4 zurückzugewinnen, will Schwarz dazu nutzen, seine Entwicklung zu vollenden und schließlich den befreienden Vorstoß c5 durchsetzen. Überrascht wurde Alex durch 7. Sg3 statt des üblicheren 7. Sd2 c3 8. bc3: bc3: 9. Sb1 Da5=, wie bereits in einer früheren Runde zwischen Potkin und dem ehrenwerten Richter Holzke geschah.
In der Partie sicherte 10… Da5 kompletten Ausgleich und alsbaldige Punkteteilung. Unternehmungslustiger war im 9. Zug auch durchaus … e6 10. 0-0 Ld6 11. Ld2 (Dc2?! b3) h5!? 12. Se5 h4 13. Lf3 Da5 bzw. im 10. Zug … h5 möglich. ½:½ auf Vorschlag des Weißen.
Friedlich endete auch die Partie zwischen Markus Ragger und dem Ungarn Galyas (2454). Markus beantwortete den seltenen Aufbau im Franzosen mit 3…. Sc6 mit dem ebenfalls nicht so populären Zug 5. Ld3, der aber an Nachhaltigkeit vermutlich dem normalen Vorstoß e5 in nichts nachsteht. Die weiße Stellung dürfte nach der Eröffnung zumindest bequemer zu spielen sein. Statt 19. Sc3 dürfte 19. Sfd2 Sd7 20. f3 als Alternative zu erwägen sein. Die Partiefolge hatte den Nachteil, daß Weiß zu sehr am Bauern d4 »klebt«, was Aktivitäten am Königsflügel zunichte macht. Die Punkteteilung nach 25 Zügen war insofern sachgerecht. 1:1.
Jan Werle diskutierte mit Schwarz gegen den jungen ungarischen GM Erdös (2577) eine seit der legendären Partie Botwinnik–Capablanca gut bekannte, strategisch anspruchsvolle Variante innerhalb des Rubinstein-Systems im Nimzoinder. Mit 15… Te6!? verfolgte er meines Wissens ein Konzept, das Ivanchuk in diesem Stellungstyp unlängst angewandt hat. Schwarz stemmt sich mit aller Kraft dem Vorstoß e4 entgegen, um nicht wie in der besagten Capablanca-Partie oder auch der aus weißer Sicht der weiteren Modelpartie Kasparov–Ivanovic von 1983 überrollt zu werden.
Dennoch dürfte Weiß in der Partie mit 19. a4! eine gute Chance ausgelassen haben. Damit wäre als nächstes der programmatische Vorstoß e4 durchzusetzen gewesen, da Weiß La3 in der Hinterhand behält nach einem eventuellen doppelten Tausch auf e4. Eine plausible Fortsetzung wäre 19… Sa5 20. e4 Sb3 21. Lg5 mit weißer Initiative. In der Partie sichert die weißfeldrige Blockadestrategie Jan eine erfolgreiche Verteidigung.
Die Schlußstellung scheint mir bereits etwas angenehmer für Schwarz zu sein. 1½:1½.
Michael Hoffmann versuchte in seiner Partie als Weißer gegen den Rumänen Cioara (2452), unter anderem durch einige Kramnik-Partien inspiriert, die Katalanische Eröffnung. Nach 12… Ta7 statt Tc8 13. Sbd2 La8 14. a3 += verließen ihn seine Kenntnisse. Ein bekannter Weg, etwas Vorteil zu erlangen, besteht nun in dem Manöver 13. Sbd2 Ld5 14. Te1!. Dabei besteht die taktische Rechtfertigung darin, dass Schwarz nach dem unvorsichtigen 14… Da8 15. e4! Se4: 16. Se4: Le4: 17. Te4: De4: 18. Se5 Dd4: 19. Sc6 Dc5 (besser Df6 20. Dd2 mit klarem Vorteil) 20. b4 bereits auf Verlust steht. Besser wäre daher 14… Se4 15. Se4: Le4: 16. De3 Da8 17. Tac1 Tc8 18. Se5!? mit leichtem Vorteil für Weiß.
Der Ansatz in der Partie mit 13. De3 und 16. Tc2 stellt jedoch auch einen tauglichen Versuch dar, etwas Vorteil festzuhalten, obwohl Schwarz den Vorstoß c5 durchsetzen kann.
Im 23. bzw. 25. Zug hätte bc4: Tc4: 24. Tc4: bc4: 25. Dc3 bzw. 23… bc4: 24. Dd2! nebst Se3 dem Schwarzen beträchtliche Probleme bereitet, den Bauern c4 zu verteidigen. Dies nicht erkennend ließ ich sich Michael jedoch angesichts knapp gewordener Bedenkzeit (ca. 4–5 Minuten) auf eine Zugwiederholung ein. 2:2.
In der Partie Predrag Nikolic gegen den Polen Bobras (2565) kam ein zunächst ruhiger g3-Grünfeldinder aufs Brett. Auf Predrag’s Nebenvariante 9. Db3 antwortete Schwarz nicht mit üblichen Zügen wie 9… Sc6 10. Td1 Sa5 11. Db2 Lf5 oder 9… cd4: 10. cd4: Sc6 11. Td1 Sa5 12. Db4 aus einer früheren Partie von Predrag gegen Ftacnik aus dem Jahr 2004, sondern mit dem scharfen Bauernopfer 9… Le6. Auch in der späteren Analyse war die schwarze Aktivität für den Bauern nicht so leicht einzudämmen. Etwa nach 12. Sc2 cd4: 13. Scd4: Tc8 hat Schwarz genügend Kompensation für den Bauern. Auch nach dem direkteren Versuch 17. La3 cd4: 18. ed4: Ld5 19. Sfd2 Lg2: 20. Kg2: Sd5 21. Df3 Sc3: 22. Dc3: Ld4: bliebe die Situation weiter unklar. Statt sich im 22. Zug mit Sb4 23. La3 += der Gefahr der positionellen Einschnürung auszusetzen, findet Schwarz die phantastische Ressource 22… Se4:!!, ein positionelles Figurenopfer, das infolge einer ewigen Fesselung zum Remis führt. 2½:2½.
Daniel Stellwagen findet sich als Schwarzer in einer gleichermaßen modernen und scharfen Variante des Taymanov-Sizilianers gegen den Rumänen Parligras (2611) wieder. Nach 11. De1 wählte er nicht den Hauptzug Le7,sondern das interessante Tb8, was er einige Monate vorher bereits gegen Nijboer getestet hatte. Im 17. Zug hätte Weiß meines Erachtens besser mit La7 Tb7 18. Lc5 d6 19. Ld4 bzw. 18… Lc5: 19. Sc5: Tb8 20. Kb1 0-0 21. h4 += um Vorteil gekämpft.
Nach dem unvorsichtigen Zug 20. f4, was den Bauern e4 entwurzelt, dürfte sich die Waagschale endgültig zugunsten des Schwarzen neigen.
Sehenswert ist, wie im weiteren Verlauf der Partie der schwarze “Fianchettospringer” auf b2 den schwarzen Angriff beflügelt. 0:1 nach 41 Zügen. Nach der Zeitnotphase steht es damit 3½:2½ für uns.
Nach der Zeitnot war noch einige Spannung zu erwarten, da Rainer Buhmann ein remisliches Endspiel auf dem Brett hatte und Sipke Ernst ein tendenziell immer noch schlechteres Endspiel mit Minusbauern zu spielen hatte, aber in der Partie schon wesentlich schlechter als nach dem 40. Zug gestanden hatte.
Zunächst endete die Partie von Rainer gegen den Ungarn Flumbort (2489) trotz aller Bemühungen leistungsgercht unentschieden zum 4:3 Zwischenstand.
Schwarz wählte mit 5… Db6 eine recht dynamische Variante der Englischen Eröffnung und trug auch das Bauernopfer 16… d5!? aus einer Partie zwischen Timman und Alterman von 1997 noch ohne nennenswerten Bedenkzeitverbrauch vor. Alternativ kam an dieser Stelle auch der positionellere Ansatz 16… g5 in Frage, um den Springer auf e5 zu befestigen, ebenfalls mit etwa gleicher Stellung. Vielleicht lässt sich Rainer’s Spiel im 20. Zug mit 0-0-0 verbessern, um das Einbruchsfeld b2 zu kontrollieren. Insgesamt scheint mir aber die schwarze Stellung angesichts seiner Aktivität zufriedenstellend zu sein. Es sind zu viele Figuren auf dem Brett, als dass der Bauer c4 in absehbarer Zeit zur Schwäche neigen könnte.
Mit 26. Tb1!? statt z. B. des vorsichtigeren Tc1 gibt Rainer selber einen Bauern für Aktivität. Insgesamt dürfte aber die Remisbreite in der Partie niemals überschritten worden sein. Der Remisschluss war demnach die logische Folge. 4:3.
In der Partie Seger (2394) gegen Sipke Ernst wählte Sipke in einem Abtausch-Spanier mit 5… Df6 eine sehr moderne Aufstellung. Bereits 7… Dg6 scheint mir aber bereits die Ursache aller späteren schwarzen Schwierigkeiten zu sein.Besser ist an dieser Stelle Dd6 mit der weiteren Folge 8. Dd4 Dd4: 9. Sd4: Ld7 mit etwa ausgeglichenem Endspiel oder das riskantere 8… Lg4 9. Dc3 mit komplizierter Stellung.
Sipke’s Zug 14… Sc6 stellt später bereits den verzweifelten Versuch dar, sich durch Bauernopfer aus der weißen Umklammerung zu lösen.
Als Weiß später mit den etwas »schlaffen« Zügen 21. Sc4 (statt Sb3) und 22. b3 nachlässt, hätte Schwarz mit 24… Db6 bereits einige Kompensation für den Bauern erlangen können (d-Linie!). Nach 31… Dh4 wären in Zeitnot bereits alle drei Partieausgänge möglich gewesen; die weiße Königsstellung ist ziemlich geschwächt. Weiß lässt weiter mit 32. Df6: eine gute Möglichkeit aus und Schwarz konnte seinerseits mit 35… Lf5: in Vorteil kommen. Nach der Zeitnotphase ist der Partieausgang immer noch unklar, die nächsten Ungenauigkeiten schleichen sich beim dramatischen Finale zunächst bei Schwarz mit mit 44… Tgg8 und 52… Dh7 (besser Ka8 oder De2 mit unklarer Lage) ein. Nach 53. d6 ist wieder Weiß klar am Ruder. Im 56. Zug hätte f4 oder Td2 den Vorteil festgehalten. Bei ca. einer Minute Restbedenkzeit beiderseits hätte Sipke nach 58. Td3 am Ende sogar mit Tg2+ 59. Kg2 Df1+ 60. Kh2 Tf2+ noch als lachender Sieger vom Brett gehen können. Aber selbstverständlich ist ihm in dieser Situation nicht zu verdenken, dass er mit dem Dauerschach den Mannschaftssieg sicherstellen wollte.
Endstand 4½:3½!