Nach einem abendlichen Fachgespräch an der Hotelbar mit unserem »Edelfan« Dr. B. wurde schnell klar, dass die Solinger »Südkurve« auch am nächsten Tag gegen die ersatzgeschwächte Mannschaft aus Remagen Punkte sehen wollte.
Dabei gestalteten sich die Gewinnbemühungen des Weißen in der Partie Dgebuadze (2544) gegen Pregrag Nikolic sehr übersichtlich: Im Saitzew-Spanier nutzte Weiß die erste sich bietende Gelegenheit, die Züge zu wiederholen, wobei Schwarz der Schaukel nur durch Wahl einer anderen Variante (z. B. 11… h6) und damit Verlassen des eigenen Repertoires hätte ausweichen können. ½:½ nach ca. 15 Minuten Spielzeit!
In der Partie von Alexander Naumann gegen Popovic ( 2489) diskutierten die Kontrahenten eine Anti-Grünfeld-Variante. Popovic schien über die Feinheiten der Variante gut im Bilde zu sein, fand er doch das nachhaltige Manöver a5 gefolgt von Sb4, das es ihm erlaubte, die Partie sukzessive auszugleichen.
Allerdings lässt sich das weiße Spiel möglicherweise im 11. Zug mit Lb5 aus einer Partie Jakovenko–Vachier (Lagrafe, 2007) verbessern, in der Weiß nach der Folge Sd5 12. Lg3 (Sd5:!?) Scb4 13. Tc1 c5 14. Sd5: Dd5: 15. 0-0 angenehmer stand. Nach 15. Sa4 verflacht die Partie im weiteren Verlauf zügig zu völligem Ausgleich. Vielleicht war deshalb 15. Se4 einen Versuch wert, um mehr Figuren auf dem Brett zu halten. 1:1.
Die Partie Swinkels (2451) gegen Markus Ragger gibt mir einige Rätsel auf. Markus behandelt den Abtausch-Spanier seines Gegners mit 5… Dd6 zunächst recht konventionell. Gleichwohl entsteht bald eine sehr scharfe Stellung, in der Schwarz mit 14… Tc8 gegenüber Vorgängerpartien (z. B. Godena–Krasenkow, 1996), in denen 14… Sc6 geschah, abweicht. Der Nachteil des gespielten Zuges ist offensichtlich: Schwarz vernachlässigt in sträflicher Weise seine Entwicklung. Deshalb hätte Weiß gut daran getan, dem Rat der Kibitze zu folgen, indem er mit 17. e5 die Stellung Vorteil versprechend öffnet. Dazu einige plausible Varianten, die die Gefährdung der schwarzen Stellung veranschaulichen:
Nach 17… Sf4: 18. Df4: Le7 19. ef6: (alternativ Td4: De6 20. Df3) 0-0 (Lf6: 20. Te1+ Kd8 21. Se5 Dd5 22. Te4 c5 23. Tce1 mit Angriff) 20. f7+ Kh8 21. Td4 De6 22. Te4 Df7 23. Df7: Tf7: 24. Se5 Tf5 25. Sg6+ mit klar besserem Endspiel; oder 17… Le7 18. ef6: 0-0 (Lf6: 19. Te1+ Se7 20. Se5) 19. fe7: Tf4: 20. Db7: mit klarem Vorteil. Warum Markus nach dem schwächeren 17. Le3 mit dem provokanten b5 statt Lc5, was die Partie stabilisiert, antwortet, bleibt mir unerfindlich.
Im 22. Zug verpasst Weiß eine weitere Möglichkeit, noch einigen Vorteil mit Tcd1 statt Df5 festzuhalten, z. B. 0-0 23. Sd6 Ld6: 24. Td6: De5 25. T1d4 und Weiß behält dank seiner Zentrumskontrolle Vorteil. Nach 24. Lf4 geht allmählich der Vorteil auf Schwarz über. Besser geschah hier 24. a4 Tb8 25. ab5: Tb7: 26. ba6: Tb2: 27. f4 Sf7 28. a7 0-0 29.Td7 und das wahrscheinliche Szenario ist, dass sich Schwarz in ein Turmendspiel mit drei gegen vier Bauern am Königsflügel retten wird. Endgültig kippt die Partie dann, als es Weiß im 26. Zug versäumt, mit Td7 Tf7 27. Sd6 Ld6: 28. Td6: in ein leicht schlechteres, haltbares Turmendspiel abzuwickeln. In der Folge geht Weiß an seinem gestrandeten “Fianchettospringer” auf b7 zugrunde. 2:1!
In der Partie Daniel Stellwagens gegen Fedorchuk (2603) kam die moderne Arkhangelsk-Variante im Spanier auf’s Brett. Daniel wählte mit 7. d3 eine sehr solide positionelle Behandlungsweise. Schwarz verbesserte ausgangs der Eröffnung mit 13… g6 eine Vorgängerpartie, in der Weiß nach dem schwächeren … 0-0 mit 14. Shf5 gefolgt von Lg5 und/oder f4 das angenehmere Spiel hätte erhalten können. In der Folge gelingt es dem Schwarzen durch umsichtiges Spiel, den weißen Druck in der f-Linie zu neutralisieren und die Partie auszugleichen. Der spätere Remisschluss ist die logische Folge. 2½:1½.
In der Partie von Jan Werle gegen Degraeve (2544) diskutierten beide den sog. Bajonett-Angriff im Königsinder. Jan wählt allerdings statt des als kritisch geltenden Zuges 11. Sg5 diesmal das eher selten gespielte Sd2. Die schwarze Stellung sieht für meine Begriffe wenig später zufriedenstellend aus. 16… e3 17. fe3: Ta5: scheint mir ein glasklarer Weg zum Ausgleich zu sein. Nachdem Schwarz mit Kg7 noch einen etwas zu langsamen Zug macht, reißt Jan mit den kraftvollen Zügen g4 und f4 die Initiative an sich. Die schwarze Stellung krankt daran, dass der Se7 nicht rechtzeitig ins Spiel kommt. Daher wäre wohl 23… g5 24. fg5: hg5: 25.Dg5:+ Sg6 unter praktischen Gesichtspunkten die letzte Chance gewesen, bei schlechterer Stellung noch Widerstand zu leisten. Nach dem Einsteller 25… Dg5 ist die Partie dann gelaufen; allerdings hätte Schwarz auch nach dem besseren Ta4: 26. Dc3+ Tf6 27. Ld3 b5 28. Tfe3 eine schwierige Verteidigung bevorgestanden. 3½:1½.
In der Schwarzpartie von Michael Hoffmann kam es gegen Grund (2431) durch Zugumstellung zu einem Alapin-Sizilianer. Eine Kurzvorbereitung nach dem Einschwören an der Hotelbar überzeugte Michael davon, dass gegen die heutzutage als recht harmlos geltende Aufstellung des Weißen mit 7.a3 (Lc4 dürfte kritischer sein) neben dem bekannten und bewährten Manöver Ld7-c6 nebst Sd7 und Tc8 auch der von mir gespielte Aufbau seine Vorzüge hat, ermöglicht er doch einen sofortigen Druck gegen den weißen Bauern auf e5. Nach 12… Sce7, was weiße Angriffsbemühungen am Königsflügel im Keim erstickt, dürfte Schwarz bereits bequem ausgeglichen haben. Daher hätte Weiß im 13. Zug zwischen h4 Sf5 14. h5 Ld7; 13. Ld2 nebst Sc3 oder 13. g3 Ld7 14. Sbd2 Tc8 15. Sc4 Lb5 jeweils mit ungefährem Ausgleich wählen sollen. In der Partie spielt sich die schwarze Position nach 14… Tc8 bereits etwas angenehmer.
Es wäre aber noch nichts Nennenswertes passiert, hätte sich Weiß im 22. bzw. 24. Zug jeweils mit Sg4 um Schadensbegrenzung bemüht. Vielleicht war aus diesem Grund statt 21… Sc6 der Zug Sf5 mit der möglichen Folge 22. Sg4 Lc4 23. Db2 Ld3 und etwas Vorteil genauer. Was in der Partie nach dem Fehler 24. Sc2? Td2 noch passierte, mag je nach Perspektive als pure Apokalypse oder Demonstration zentraler Dominanz unterstützt von einem mächtigen Läuferpaar betrachtet werden. Die Partie dürfte jedenfalls aus weißer Sicht kaum noch haltbar gewesen sein. Dieser erste Sieg Michaels in der Saison fiel mit dem endgültigen Mannschaftssieg zusammen: 4½:1½!
Damit hatte es für den Mannschaftsausgang keine Bedeutung mehr, wie die beiden für uns jeweils sehr kritisch stehenden Partien von Rainer und Sipke ausgingen.
In der Partie Mainka (2482) gegen Rainer Buhmann wählte Weiß in einem Tarrasch-Franzosen mit 5.dc5: einen relativ seltenen, von S. Rublevsky favorisierten Aufbau. Vor die Wahl gestellt, mit 9… Sg4 10. 0-0 Sde5 solide oder mit 9… Lb4 unternehmungslustiger zu spielen, wählte Rainer die zweite Möglichkeit.
Die lange Rochade des Weißen scheint mir wenig später sehr optimistisch. Mit 16… Da5 bringt sich Schwarz in der Folge unnötig selber in Schwierigkeiten, da die schwarze Dame hier in Nöte hätte geraten können, wenn Weiß statt 18. Tge1 den Zug Sd4, mit der Idee c5 und ggf. Lb5 folgen zu lassen, gefunden hätte. Angezeigt war stattdessen 16… Dh6, um nach 17. g4 entweder mit Df4 oder Df8 fortzufahren und m. E. sehr bequemer Stellung. Nach 18… a5 stand Schwarz in der Partie wieder sicher und gut und hätte in der Folge mit 22… Sd5 23. Dh6 Lf8 24. Dh4 Sf4 einigen Vorteil erlangen können. Durch Zeitnot beeinflusst geht es schließlich nach 30… f5 und 37… Sb3 rapide bergab. 4½:2½.
In der Partie von Sipke Ernst gegen Boidman (2415) schließlich wählt Sipke in bereits hundertfach dagewesener Stellung im Damengambit (Carlsbad-Struktur) im 9. Zug den verwegenen Ansatz h4 (wie Mamedjarov). Konventionellere Geister bevorzugen hier 9. Le7: De7: und nun je nach Gusto entweder 10. 0-0 0-0 11. Db1/Dc2 nebst Minoritätsangriff oder 10. Dc2 nebst langer Rochade. Dies wäre aber noch völlig unschädlich gewesen, wenn Weiß im nächsten Zug auf e7 getauscht hätte. Für 10. Lf4, was ich insbesondere unserer Jugend nicht zur Nachahmung empfehlen kann, gibt es lediglich den »Cowboypoint« für Sipke. Wenig später landet Weiß in einem völlig perspektivlosen Endspiel, in dem nicht nur die weiße Struktur ruiniert ist, sondern sich der Weiße auch dem schwarzen Läuferpaar gegenüber sieht.
Nach 30… Tf8 gelingt es Weiß, mittels 31 f6!? die Partie noch einmal zu verwickeln. Dies hätte aber objektiv die Partie nicht retten sollen.
Nach der Zeitkontrolle konnte Schwarz zwei Mal gewinnbringend seine Freibauern mobilisieren: Zum einen gewinnt 41… Ke4: 42. Tf6: c3 43. Td6 Lf5 auf der Stelle. Zum anderen war mit 45… c3 46. Th6 d2 47. Te7 Th7:! 48. Thh7: Lc6 noch der Sieg sicherzustellen. Einmal sichtlich aus dem Tritt gebracht, versäumt Schwarz schließlich auch die Möglichkeit 48… Kb8, die ihm nach 49. Td5 c3 50. bc3: bc3: 51. Tb6+ Kc7 52. Tb3 Th7: 53. Tc3:+ Kb6 immer noch gute Remischancen verheißen hätte. Nach 48… Kb7 dürfte dagegen die schwarze Stellung bereits verloren sein. Endstand 5½:2½!
Damit verabschiedet sich die Erste Mannschaft mit 13:5 Punkten und dem geteilten 4.–6. Platz in die Winterpause.