So richtig selbstbewusst ging die achte Mannschaft heute nicht an die Bretter. Die Drittvertretung von SW Remscheid schien an allen Brettern zu homogen besetzt, der DWZ-Schnitt lag zwischen 1500 und 1600. In den Räumen des Remscheider Roten Kreuzes hoffte das Team um Klaus Drunk auf Ideen-Infusionen für das bisher recht glücklose Auftreten, das zu vier Saisonniederlagen führte.
Doch die Fatalisten sollten zunächst richtig liegen: »Verlieren wir halt wieder!« Nach 90 Minuten, Ausgangs des Mittelspiels hatte Philipp Müller mit Schwarz in seiner Schottischen Partie am falschen Ende, sprich am Nachdenken, gespart und verlor ersatzlos einen Springer und die Lust am Spiel. 1:0 für Remscheid. Zehn weitere Minuten später hatte Jürgen Grastat, ebenfalls mit Schwarz, bitter lernen müssen, dass zu zaghaftes Behandeln der sizilianischen Verteidigung auf dem Fuße bestraft wird. Letzter Strohhalm: Ein vermeintlicher Freibauer bei zwei Leichtfiguren im Minus, doch der »Altinternationale« der Remscheider, Willi Stollwerk, behielt die Ruhe, gewann noch einen Turm und damit die Partie. Wieland Wolf stärkte sich zuversichtlich mit einer Schwarzbrotstulle, was seinen Gegner offenbar anspornte, seinen schwarzen Steinen den Auftrag zu erteilen, Weiß einfach zu überrollen. 3:0 für Remscheid, noch keine zwei Stunden gespielt.
Während Wieland sich sofort aufmachte, um kulinarische Highlights in den Niederungen der Remscheider Imbiss-Szene zu vertilgen, verpasste er die Wende: Zunächst war es Reinhold Wygas, der zur Zeit in bestechender Form spielt, der mit den weißen Steinen aktiv aus dem Damengambit in Vorteil kam. Schließlich bot Reini einen vergifteten Bauern auf b2 an. Schwarz schluckte das »Geschenk«, um erschüttert zu erleben, wie Reini dann mit einem kühl, doch präzise kalkulierten Springeropfer die schwarzen Verteidigungslinien zertrümmerte und einen unwiderstehlichen Mattangriff hatte.
Plötzlich strahlte Klaus Drunks Gegner an Brett acht über beide Backen: »Das ist Remis!« Klaus mit einem Läufer mehr auf dem Brett, zeigte aber, was ein aktiver König alles leistet, holte des Gegners Bauern und Verteidigungsfigur Gewinn bringend ab. 3:2! Sollte was gehen? Ja!
Als nächster gewann Uli Kalkum mit weißem Spielmaterial. Im Spanier verwechselte sein Kontrahent die Verteidigungssysteme, verlor den Faden und die Stellungsstruktur. Uli nutze das gnadenlos zum Figurengewinn aus, der aber erst zum Sieg reichte, als Schwarz in völlig verlorener Stellung auch noch die Zeit überschritt. Zuvor hatte Uli, was ihn in der Analyse ärgerte, sogar einen dreizügigen, forcierten Gewinnweg übersehen.
Schon in der Eröffnung hatte Engelbert Kletzl mit den schwarzen Figuren im Abtausch-Franzosen einen Bauern gewonnen. Der Routinier war im Verlauf des Mittelspiels in der Lage, diesen zuerst mikroskopischen Vorteil Zug um Zug auszubauen, schließlich eine Bauernwalze von drei Freibauern am Damenflügel in Gang setzen zu können. Als sein Gegner keinen vernünftigen Zug mehr hatte, gab er dann auch auf. 4:3!
Alles hing von Herbert »Endspiele-kann-ich« Scheidt ab. Herbert – »Auf mich muss die Mannschaft immer warten, bei mir dauert es immer lange« – hatte im abgelehnten Damengambit mit Weiß schon in der Eröffnung viel Initiative entwickelt. »Ich muss teuflisch aufpassen«, diagnostizierte Herbert seine Stellung in der Raucherpause und machte sich ans geliebte Endspiel. Und er passte teuflisch auf, ließ seinen freien f-Bauern mit Angriff auf die schwarze Dame laufen und dieser Dynamik war Schwarz nicht mehr gewachsen. Praktisch zugestellt und bewegungsunfähig reichte Herberts Gegner die Hand übers Brett. 5:3! Der erste Saisonsieg der einst so erfolgsverwöhnte »Kulttruppe« war unter Dach und Fach und damit zugleich die ersten beiden wichtigen Punkte im Abstiegskampf!
Ein Gedanke zu „Achte bricht den Bann“
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