Der bekannte frühere Trainer von Waldhof Mannheim, Klaus Schlappner, prägte nach einer hohen Niederlage seiner Mannschaft beim FC Bayern München einst den Spruch »lieber einmal 0:6 als sechsmal 0:1 verlieren«. Die darin enthaltene Botschaft, die knappen Duelle zu gewinnen, hatten wir ja bei unseren drei 3½-Siegen bereits perfekt umgesetzt. Auf der anderen Seite hatten wir uns auch bereits die 0:6-Niederlage in der Auftaktrunde gegen Baden Baden abgeholt. Deshalb konnte die Zielsetzung vor dem Duell mit ShSM 64 Moskau nur lauten, zumindest etwas Zählbares mitzunehmen. Kein leichtes Unterfangen gegen ein Team, deren zweiter Ersatzspieler eine Elo-Zahl von 2684 aufweist … Doch es wurde ein richtig interessanter Kampf mit einer starken Mannschaftsleistung, bei der Milon Gupta und Thomas Michalczak die beiden Remisen zur 1:5-Niederlage beisteuerten.
Einzig Andreas Peschel hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt. Gegen GM Ian Nepomnatchij (2632), der vor zwei Monaten noch im Schnellschach-Finale der Mainzer Chess Classics gestanden hatte, ging die Eröffnung völlig daneben, was einen schnellen 0:1-Rückstand zur Folge hatte. Danach hatten die russischen Meister jedoch bedeutend mehr Widerstand zu brechen, als ihnen lieb war. GM Sergej Karjakin (2722) verzichtete mit 4.d3 darauf, gegen die Berliner Mauer von Jörg Wegerle anzurennen, hatte aber auch danach einige Probleme, die schwarze Verteidigung zu durchbrechen. Letztlich opferte er sehr kreativ eine Figur, wobei die endgültige Korrektheit bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Auf jeden Fall stellte diese Veränderung des Stellungstyps Jörg vor solch große Probleme, dass er nach den weißen Angriff nicht abwehren konnte.
Noch spektakulärer für die Zuschauer war die Partie am Spitzenbrett, wo Michael Hoffmann sich mit GM Boris Gelfand (2756) ein fantastisches Duell im modernen Anti-Moskau-Gambit der halbslawischen Verteidigung lieferte. Auch hier dürfte erst eine längere und genauere Analyse die Wahrheit über die Stellung zu Tage fördern. In jedem Fall ging Michael »ohne Rückwärtsgang« volles Risiko, musste sich aber letztlich der geballten Rechenkraft des seit zwei Jahrzehnten zur absoluten Weltklasse gehörenden Gelfand beugen. Dann war es Zeit für den ersten Teilerfolg: Milon Gupta hielt gegen die Stonewall-Verteidigung von GM Evgenij Najer (2681) mit Weiß stets die Stellung unter Kontrolle. Als das Bundesliga-Spitzenbrett des SV Wattenscheid das Gewinnstreben etwas übertrieb, konnte Milon mit seinem Turm im Endspiel entscheidend auf der siebten Reihe eindringen, so dass der Großmeister wenig später zufrieden sein musste, dass Milon mit Dauerschach das Remis forcierte.
Eine tolle Vorstellung bot auch Thomas Michalczak gegen das italienische Spitzenbrett GM Fabianio Caruana (2662), der aus einer modernen Verteidigung mit Schwarz das Läuferpaar eroberte und die Initiative übernahm. Doch Thomas spielte danach sehr exakt und kreierte immer genügend Gegenspiel, so dass er nach einigen taktischen Schlagabtäuschen schließlich ein ungleichfarbiges Läuferendspiel mit Minusbauer erreichte und für seine beste Turnierleistung mit einem halben Zähler belohnt wurde. Dieses Erfolgserlebnis blieb Oliver Kniest leider verwehrt. Sein Kontrahent, GM Alexander Riazantsev (2646), hatte mit Weiß aus der Eröffnung nichts herausgeholt und eine Qualität auf Chance geopfert. Leider fand Olli gegen das kraftvolle weiße Angriffsspiel danach nicht immer die beste Verteidigung und landete nach der Zeitnotphase in einem Turmendspiel mit Minusbauern, das nicht mehr zu halten war.
Nach dieser sehr achtbaren 1:5-Niederlage geht es morgen zum Abschluss gegen das isländische Team von Bolungarvik.
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