Siebte mit Pech nur Remis

Es war ein Drama in drei Akten, an dessen Ende ein 4:4 gegen die Zweitvertretung von Solingen 1924 stand. Gemeint ist der Kampf der VII. Mannschaft in der 1. Bezirksklasse im heimischen Schachzentrum.

Akt I oder »Helden sterben früh«: Zweimal ging es mit den weißen Steinen mutig auf in den Kampf. An Brett 2 Markus Schwedler und an Brett 4 Reinhold Wygas. Doch sie erlebten, was am 5. Brett mit dem schwarzen Spielmaterial Philipp Müller erlebte: Den frühen Heldentod in der Eröffnung noch vor dem Pausen-Sekt. Markus kam mit dem weißen Aufbau im Damengambit nicht zurecht. Reini verlor eine Figur, hatte zwar guten Angriff, aber der König zog sich feige und die Partie gewinnend in heimische Gefilde zurück. Philipp hatte im sechsten und neunten Zug schon den englischen Aufbau des Gegners so stark unterschätzt, Bauer und drei Tempi verloren, so dass er nach zwanzig Zügen forciert matt ging. Das zwischenzeitliche Remis von Uli Kalkum am 6. Brett gegen die Italienische Verteidigung konnte da kaum die Stimmung heben.

Akt II oder »The Return of the Chess-Jedi«: Die VII. Mannschaft wäre nicht die VII. Mannschaft, wenn jetzt nicht ein Ruck durchs verbliebene Quartett gehen würde. Und der gegnerische Mannschaftsführer unkte bereits, man werde den Kampf mit 3½ verlieren. Zunächst setze Wieland Wolf an Brett 8 seinen jungen Kontrahenten matt. An Brett 7 und an Brett 3 waren Kombinationen gefragt: Jürgen Grastat, Brett 7, spielte das Endreihen-Stück »Ich wechsle einen Bauern gegen die Dame aus«, an dessen Ende ein Mehrturm die Siegesfanfare blasen konnte. Kurt Rist hatte auf der e-Linie den großen Chor aller Schwerfiguren zum Singen gebracht. Kurt steckte in der Schlusskombination alle Figuren ins Geschäft und ein kleines Bäuerchen sang die Triumph-Arie: »Ich bin die neue Dame!«

Akt III oder »Die babylonische Zeitverwirrung«: Jetzt kam es auf Altmeister Herbert Scheidt an. Er sah sich mit Schwarz an Brett 1 schon in der Eröffnung durch seinen passiven, sizilianischen Aufbau am Damenflügel stark eingeengt. Doch kurz vor der Zeitkontrolle stand er mit zwei Springern, Dame und fünf Bauern gegen Turm, Dame und vier Bauern des Gegners bereits wieder erfolgversprechend. Nach Damentausch und Bauerntausch am Damenflügel war die Partie, so Herbert, »theoretisch« gewonnen. Doch er fand den Gewinnweg nicht, bzw. nicht schnell. Zwischenzeitlich erkundigte er sich bei seinen Mannschaftskollegen und bei den Gegnern, wie das mit der Zeitregel aussehe. Alle nicht so firm in dieser Materie, ist man doch in der 1. Bezirksklasse spätestens zum Mittagskaffee fertig, sagten etwas anderes. Herbert aber glaubte, nach vierzig Zügen erst eine Stunde, dann noch mal eine halbe Stunde zu haben. Als Ersatzteamchef Philipp Müller mitbekam, dass Herbert in inzwischen klar besserer Stellung nur noch knappe zwei Minuten auf der Uhr hatte, informierte er ihn über die Zeitregel: »Eine Stunde für den Rest«. Herbert fiel aus allen Wolken und willigte ins angebotene Remis ein. Die verbliebene Zeit hätte es auch sehr schwierig gemacht, noch alle technisch notwendigen Züge zu machen.

Wer nicht beim Drama dabei war, für den hier die Stellung, die Herbert viel Zeit kostete:

Schwarz zieht und gewinnt!

Philipp Müller

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