Jan Hobusch hat mit einer konzentrierten und nervenstarken Vorstellung unserer U20-Mannschaft den 17:15 (4½:3½)-Sieg gegen Dortmund Brackel gerettet und den zweiten Saisonsieg in der Jugend-Bundesliga beschert. In der letzten Partie des Kampfes wandelte er sein technisch nicht einfaches Endspiel mit Mehrbauern bei noch zwei Minuten Restbedenkzeit (gegenüber ca. 45 des Gegners) abgeklärt in einen vollen Zähler um. Vorausgegangen war ein Kampf auf sehr niedrigem Niveau und vielen groben Patzern auf beiden Seiten, welche die Nerven der Mannschaftsführer und mitgereisten Schlachtenbummler auf das Äußerste strapazierten.
Unsere Gastgeber aus Dortmund hatten freundlicher Weise der Bitte der Schachbundesliga entsprochen und ihren Heimkampf in die RWE-Sporthalle nach Mülheim verlegt, um der grandiosen Auftaktveranstaltung eine weitere Facette im Rahmenprogramm hinzuzufügen. Parallel fanden auch noch der Jugend-NRW-Liga-Kampf von Mülheim Nord gegen den SV Heiden sowie ein Vergleichskampf zwischen einer Mülheimer U10- und einer Schulschachauswahl statt, so dass sich vielen jugendlichen Schachtalenten die seltene Gelegenheit bot, in den gleichen Räumlichkeiten wie die Weltklasse ihr Können präsentieren zu können.
Leider ließ sich unser Oktett, das gegen die in diesem Jahr deutlich verjüngte Dortmunder Mannschaft nominell favorisiert war, von dieser Atmosphäre nicht sonderlich inspirieren. Insbesondere die Spitzenbretter verursachten frühzeitig einige Sorgenfalten. Alexander Hobusch wählte als Weißer in einem Königsinder im frühen Mittelspiel keinen guten Plan und zog mit einem frühen Remisangebot die Notbremse, als er schon leicht schlechter zu stehen drohte. Ein solcher Teilerfolg war bei Oliver Wroblowski nicht mehr zu erreichen, nachdem er im scharfen Sozin-System des Najdorf-Sizilianers den rechtzeitigen Zeitpunkt für die Rochade verpasst hatte und sein König im Zentrum stecken geblieben war. Sein Gegner nutzte dies konsequent aus und nach 26 Zügen musste der schwarze König kapitulieren.
Als Mannschaftsführer Oliver Kniest kurze Zeit später darüber informiert wurde, dass auch die Partie von Seva Bashylin beendet sei, hatte er gedanklich schon den Ausgleich notiert, musste sich aber leider eines Besseren belehren lassen. Seva hatte nach zweischneidigem Partieverlauf einen Bauern gewonnen und nach einem inkorrekten Figurenopfer seines Gegners eine klare Gewinnstellung erreicht, als er die notwendige Konzentration vermissen ließ und die taktischen Schwindelchancen seines Kontrahenten unterschätzte, was diesem letztlich einen entscheidenden Mattangriff einbrachte. Bei einem Rückstand von ½: 2½ nach drei Stunden musste die Mannschaft nun ihre kämpferischen Qualitäten beweisen.
Der psychologisch wichtige Anschlusstreffer gelang dann Philipp Andrä, der gegen die minderweitige Eröffnungsvariante seines Gegners zunächst noch zu zögerlich agiert, dann im Mittelspiel aber einen Bauern gewonnen hatte. Für diesen besaß der Schwarze aber zumindest leichte Kompensation, bevor ein Figureneinsteller für den ersten Solinger Sieg des Tages sorgte. Eine recht souveräne Vorstellung bot Daniel Reksten, der in einer katalanischen Struktur deutliche positionelle Vorteile herausspielte und im Mittelspiel lediglich einen taktischen Trick seines Kontrahenten übersah, der ihn einen Bauern kostete, jedoch die Stellungsbewertung nicht wesentlich änderte. So konnte Daniel dank eines starken Freibauern letztlich eine Qualität gewinnen und wenig später seinen ersten Bundesliga-Sieg einfahren.
Ein Zeitnot-Drama der besonderen Art bot sich im folgenden am achten Brett, wo Kevin Zolfagharian zunächst gegen den c3-Sizilianer ausgeglichen hatte, danach aber in einem überambitionierten Gewinnstreben seinen eigenen König mit Vorstößen wie f5 und g5 bei einem auf b2 lauernden weißen Läufer empfindlich geschwächt hatte. In beiderseitiger Zeitnot, die beim Dortmunder allerdings deutlicher stärker war, ließ dieser korrekt einen Turm hängen, der wegen dreizügigen Matts nicht zu nehmen war. Kevin übersah diese Drohung jedoch und nahm den Turm, wonach der Kontrahent beim Ausführen des zweiten Zugs der Mattführung kurz innehielt und seine bereits auf dem richtigen Feld befindliche Dame kurz vor dem Loslassen plötzlich auf ein anderes Feld stellte und mit diesem fehlerhaften Schachgebot Kevins König die Flucht ermöglichte, was unsere erste, höchst glückliche, Führung zur Folge hatte.
Nach dieser Aufregung schien nun der Mannschaftssieg bei zwei noch laufenden eher besseren Stellungen gesichert zu sein, doch es sollte anders kommen. Der zuletzt so stark aufspielende Ewald Fichtner hatte in einem komplexen und sehr interessanten Mittelspiel trotz seiner zwei Figuren gegen den gegnerischen Turm und Mehrbauern wegen der großen gegnerischen Aktivität stets exakt spielen müssen, was ihm auch gut gelungen war. So musste sein Opponent schließlich in ein totremises Turmendspiel mit zwei gegen zwei Bauern abwickeln, in dem Ewald jedoch ein unglaublicher Blackout unterlief, so dass er durch einen Bauerntrick seinen Turm einbüsste und aufgeben musste. Damit hing alles von Jan Hobusch ab, der mit Schwarz in einem Slaven zwar einen Bauern gewonnen hatte, der jedoch aufgrund seiner schlechten Bauernstruktur nur sehr schwer zu verwerten war. In der Zeitnotphase konnte er in ein Endspiel mit Freibauern abwickeln, das aber auch seinem Gegner aktive Gegenchancen bot. Doch Jan behielt trotz immer knapper werdender Restbedenkzeit kühlen Kopf und konnte mit den ihm schließlich verbliebenen Turm und Springer den gegnerischen vom König unterstützten und zur Umwandlung bereiten Bauern auf f7 mit einigen Gabelmotiven stoppen und den umjubelten Siegtreffer erzielen.
Falls die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft jedoch tatsächlich geschafft werden soll, wird mannschaftlich in den nächsten Kämpfen eine gewaltige Leistungssteigerung nötig sein.
Dem letzten Satz des Berichterstatters ist nichts hinzuzufügen…dennoch Glückwunsch! Auch solche Kämpfe müssen gewonnen werden!