Bekannter Maßen sind die Sonntags-Runden in der Bundesliga nach einem unglücklich verlorenen Samstags-Kampf immer besonders schwer, vor allem wenn es gegen einen vermeintlich schwächeren Gegner geht. Gerade deshalb war Teamchef Herbert Scheidt sehr zufrieden, dass gegen die stets unberechenbare und immer für eine Überraschung gute Mannschaft von Turm Trier ein souveräner 5:3– Erfolg gelungen war. Nach sechs Remisen sorgten Erwin L’ Ami und Alexander Naumann in den beiden letzten Partien des Kampfes für die Entscheidung.
In Anbetracht unserer Personalnot war es zunächst einmal beruhigend, dass auch die Domstädter nicht ihre beste Aufstellung an die Bretter gebracht hatten, so dass wir leicht favorisiert in den Kampf gingen. Zudem stand Michael Hoffmann, der am Vortag aus privaten Gründen verhindert war, wieder zur Verfügung und rückte für Joker Markus Schäfer ins Team. Der Kampf verlief relativ Sonntags-typisch zunächst ohne größere Höhepunkte, so dass in der vierten Spielstunde einige Punkteteilungen zu verzeichnen waren.
Predrag Nikolic hatte zwar überhaupt keine Probleme gehabt, mit seinem Stonewall-Holländer gegen GM Laszlo Gonda (2520) vollwertiges Spiel zu erreichen, doch gegen das umsichtige Spiel des Ungarn konnte er keine weiteren Vorteile erzielen und offerierte in einem völlig ausgeglichenen Leichtfigurenendspiel Remis. Ebenfalls recht unspektakulär verlief die Partie der beiden Elo-gleichen Spieler am Spitzenbrett, wo Markus Ragger in einem geschlossenen Katalanen mit GM Constantin Lupulescu (2655) positionelle Feinheiten diskutierte, ohne das jemals das Gleichgewicht gestört wurde. Deutlich lebhafter verlief da das Duell am zweiten Brett, wo Daniel Stellwagen wie bereits am Vortag sehr kreativ agierte. In einem ruhigen Tarrasch-Franzosen opferte er mit Schwarz gegen die englische Hoffnung GM David Howell (2633) früh einen Bauern, um den weißen König etwas länger im Zentrum zu halten. Nach interessantem Partieverlauf gab der Brite das Mehrmaterial zurück, konnte jedoch aus seinem Freibauern auf der d-Linie keinen Profit schlagen und offerierte deshalb bei beiderseits knapper Bedenkzeit die Punkteteilung.
Ebenfalls noch vor der Zeitkontrolle endeten auch die hinteren beiden Bretter unentschieden. Michael Hoffmann, der gegen IM Rüdiger Seger (2390), in seiner dritten Weiß-Partie dieser Bundesliga-Saison den dritten Grünfeld-Inder mit 5. Db3 auf dem Brett hatte, konnte aus der Eröffnung nichts herausholen und remisierte ebenso wie Jörg Wegerle. Dieser wählte gegen IM Andrei-Nestor Cioara (2436) mit Schwarz erneut das angenommene Damengambit, konnte diesmal schnell ausgleichen und landete nach korrektem Partieverlauf schließlich in einem völlig ausgeglichenen Schwerfigurenendspiel.
Somit gab es eine Parallele zum Vortag, denn wiederum stand es nach der Zeitkontrolle 2½: 2½, nur das diesmal unsere drei verbleibenden Akteure auf Gewinn spielten. Der Brite Stephen Gordon (2535) hatte mit Schwarz in einem Rubinstein-Nimzo-Inder frühzeitig gegen Artur Jussupow einen Bauern geopfert, um eine Stellung mit jeweils drei Schwerfiguren und ungleichfarbigen Läufern zu erreichen. Trotz seiner bekannten exzellenten Technik gelang es Artur im weiteren Verlauf nicht, diverse Abtäusche und Vereinfachungen zu vermeiden, so dass er sich in einem reinen ungleichfarbigen Läuferendspiel mit Remis zufrieden geben musste.
Dies war aber aus mannschaftlicher Sicht bedeutend leichter zu verkraften, denn inzwischen hatten Erwin L’Ami und Alexander Naumann klare Gewinnstellungen herausgespielt. Erwin war gegen GM Laszlo Gonda (2520) mit Weiß aus einem Anti-Grünfeld-System in einem damenlosen Mittelspiel gelandet, in dem er seinen König auf eine Reise von e1 nach f3 schicken musste, obwohl er erst eine Figur entwickelt hatte. Doch bei reduziertem Material war die weiße Passivität nicht entscheidend auszunutzen und als es Erwin in der Zeitnotphase gelang, seine etwas gekünstelte Figurenstellung sukzessive zu entknoten und die Stellung weiter zu vereinfachen, hatte er nach der Zeitkontrolle ein Springerendspiel auf dem Brett, in dem ihm sein potentieller entfernter Freibauer am Königsflügel und die bessere Struktur entscheidenden Vorteil bescherte, den er in der Folge zum ersten vollen Zähler des Tages ummünzte.
Damit gehörte der Schlussakkord Alexander, der mit Schwarz gegen IM Miklos Galyas (2458) einen sehr interessanten Grünfeld-Inder auf dem Brett hatte, in dem Weiß frühzeitig die Dame gegen drei Leichtfiguren opferte. In der Folge gelang es unserem dienstältesten Bundesliga-Akteur jedoch, seine Schwerfiguren sehr aktiv zu platzieren und klare positionelle Vorteile herauszuspielen, was er schließlich mit einem hübschen Qualitätsopfer krönte. Danach waren die drei verbleibenden weißen Figuren Turm, Springer und Läufer derartig passiv aufgestellt, dass die schwarze Dame diverse Bauern einsammeln und schließlich die schwarzen Freibauern entscheidend unterstützen konnte. So erhielt Alex später das investierte Material mit Zinsen zurück und auch wenn er im abschließenden technischen Teil nicht immer die beste Fortsetzung fand, konnte er dennoch nach knapp 6 Stunden seinen ersten Sieg in dieser Saison zum 5:3-Endstand verzeichnen, der ein spielerisch sehr ansprechendes Wochenende abrundete.
Mit 7:3 Zählern liegt unser Team trotz eines schweren Auftaktprogramms auf einem guten vierten Platz und fährt deshalb optimistisch am 10./11. 12. nach Hamburg, wenn dort der gastgebende HSK und die Schachfreunde Berlin die Gegner sein werden.