Am 6. Spieltag der Bundesliga stand das Duell der beiden einizgen seit 32 Jahren in der Liga vertretenen Vereine auf dem Programm. Dabei konnte sich unser Oktett gegen die Gastgeber vom Hamburger SK in einem sehr langen und hart umkämpften Match mit 5:3 durchsetzen. Lange schienen die Hanseaten beste Chancen auf einen oder sogar zwei Mannschaftspunkte zu haben, doch in der Zeitnotphase wendete sich das Blatt zu unseren Gunsten, so dass Jan Smeets, Erwin L’Ami und Routinier Artur Jussupow zu vollen Zählern kamen und damit die Niederlage unseres Debütanten Mads Andersen kompensieren konnten.
Unsere Freunde aus Hamburg um den unermüdlichen Christian Zickelbein haben in diesem Jahr in der Liga einen schweren Stand und hatten sich natürlich vor eigenem Publikum vorgenommen, nicht nur die Abstiegsplätze zu verlassen, sondern die gewohnte Skepsis ihres Vorsitzenden und langjährigen Liga-Präsidenten wieder als bloßen Zweckpessimismus zu entlarven. Zwar mussten sie bei diesem Vorhaben mit Spitzenmann Radoslav Wojtaszek, Ehsan Ghaem Maghami und Sune Berg Hansen gleich drei Spitzenkräfte ersetzen, doch dafür feierten der junge Ukrainer Yaroslav Zherebukh (2580), der zuletzt beim Weltcup in Khanty Mansisk für Schlagzeilen gesorgt hatte, der deutsche Meister Niklas Huschenbeth (2510) nach seiner Traumschiff-Kreuzfahrt und auch Endspiel-Experte Dr. Karsten Müller (2534) ihr Saisondebüt.
Die größte Aufregung verursachte zunächst das Duell der beiden Routiniers Dr. Lubomir Ftacnik (2570) und Predrag Nikolic. Predrag hatte gegen den grundsoliden Slowaken die holländische Stonewall-Verteidigung gewählt und schien mit Schwarz die Initiative zu erlangen. Zudem konnte er frühzeitig einen immensen Zeitvorteil für sich verbuchen. Doch als Ftacnik erstmals in ernsthaften Nachteil zu geraten drohte, spielte Nikolic zu schnell auf vermeintlichen Materialgewinn, übersah dabei aber eine hübsche taktische Ausrede und verlor seinen gesamten Vorteil.
Somit zeichneten sich bei Teamchef Herbert Scheidt, als er sich nach dem Ende der Fußball-Bundesliga wieder vertieft in die Stellungen seiner Mannschaft vertiefen konnte, einige Sorgenfalten ab. Am achten Brett hatte unser Debütant, der 16jährige Däne Mads Andersen, in einer sizilianischen Scheweninger Struktur gegen Dirk Sebastian (2446) nach zunächst gelungener Eröffnung einen fatalen Läufer-Einschlag auf h6 zugelassen, musste zur Rettung seines Königs viel Material mit Zinsen zurückgeben und stand glatt auf Verlust. Auf der positiven Seite konnten wir lediglich die positionellen Vorteile von Markus Ragger verbuchen, der am Spitzenbrett gegen das von Robert Kempinski (2604) gewählte sehr solide Schlechter-System im Slaven einen schönen Positionsvorteil mit einem starken Freibauern auf a6 herausgespielt hatte.
So sah sich der Pole genötigt, in beiderseitiger Zeitknappheit auf Komplikationen zu spielen und wurde belohnt, als Markus zunächst völlig legitim eine Figur für viele Bauern opferte, dann jedoch daneben griff und seinen wertvollen Trumpf, den a-Bauern, einbüsste. Glücklicher Weise blieb dies jedoch die einzige Partie, die sich in der Zeitnotphase zu unseren Ungunsten entwickelte. Zunächst patzte Niklas Huschenbeth (2510), der zuvor gegen Erwin L’ Ami mit einem sehr soliden Dameninder völligen Ausgleich erreicht hatte, und erlaubte Erwin trotz sehr reduziertem Material einen Königsangriff, der entscheidendes Material gewann, so dass Niklas direkt nach der Zeitkontrolle aufgeben musste. Kurz danach endete die Partie zwischen Ftacnik und Nikolic Remis, nachdem sich Predrag exakt verteidigt und das Stellungsgleichgewicht nicht mehr gestört wurde.
Somit stand es nach der Zeitkontrolle 1½:½ und die Entscheidung fiel bei noch 6 laufenden Partien erst in der sechsten Spielstunde. Erfreulicher Weise waren die Zeitnotschlachten in den Begegnungen zwischen Yaroslav Zherebukh (2580) und Jan Smeets sowie zwischen Artur Jussupow und Dorian Rogocenko (2572) sehr in unserem Sinne verlaufen. Der talentierte Ukrainer brach in einer symmetrischen Russisch-Struktur bei sehr knapper Bedenkzeit alle Brücken für einen vermeintlichen Angriff hinter sich ab, doch der Zeitnot-erfahrene Smeets behielt die Übersicht, sammelte zwei geopferte Bauern ein, wehrte die weißen Drohungen ab und verwertete nach der Zeitkontrolle eine Mehrqualität zum sicheren Sieg. Artur hatte die Partie gegen den ultrasolide 4…. Lg4-System im e3-Slawen sehr ruhig und positionell angelegt und besaß vermutlich keinen objektiven Vorteil. Doch als es ihm in der Zeitnotphase gelang, die Stellung für sein Läuferpaar zu öffnen, geriet Rogocenko in Schwierigkeiten und und musste nach 40 Zügen ein trostloses Endspiel mit Springerpaar und Minusbauer gegen die beiden weißen Läufer verteidigen, was ebenfalls letztlich nicht zu halten war.
Zuvor hatte Michael Hoffmann einen weiteren wertvollen halben Zähler beisteuern können. Gegen die Züricher Verteidigung von Thies Heinemann (2469) in einem Dc2- Nimzo-Inder konnte Michael mit Weiß keinen Vorteil erzielen, sondern musste im Leichtfigurenendspiel eher genau spielen, um das Gleichgewicht zu halten. Letztlich stellte der Hamburger jedoch nach 50 Zügen seine Bemühungen ein, aus seinem mikroskopischen Vorteil etwas Substantielles zu erreichen. Der entscheidende halbe Zähler ließ beim Stande von 4:1 jedoch noch eine Weile auf sich warten.
Mads Andersen hatte sich erfindungsreich verteidigt und davon profitiert, dass Dirk Sebastian bei knapper Zeit die Stellung so sehr vereinfachen wollten, dass er dabei den größten Teils seines Vorteils verlor. Doch das Happy End für unser Jungtalent blieb aus: als er kurz vor der zweiten Zeitkontrolle trotz Minusbauern im Turm und Läufer-Endspiel eine perfekte Auffangstellung errichtet hatte, unterlief ihm später ein weiterer schwerwiegender Fehler, der Sebastian einen entscheidenden zweiten Mehrbauern einbrachte, der zum Anschlusstreffer für den HSK führte.
So ging das entscheidende Hälftchen letztlich auf das Konto von Alexander Naumann, der gegen den starken Angriffsspieler Karsten Müller (2534) mit Schwarz in einer Wiener Partie eine sehr statische Stellung erreicht hatte, in welcher der vortreffliche schwarze Springer auf e5 immer die weiße Initiative eindämmen konnte. Alex spielte bis zum Schluss exaktes Schach und erreichte nach 70 Zügen das umjubelte Remis. Zum Abschluss konnte auch Markus Ragger die Punkteteilung erreichen, nachdem es ihm gelungen war, in ein Endspiel mit Turm und 3 Bauern gegen Turm, Läufer und Bauer abzuwickeln, in dem Kempinski keine Fortschritte machen konnte.
So stand schließlich nach sehr harter Arbeit, die sich auch im Zügeschnitt von 59 dokumentiert, der 5:3-Sieg fest und unser Oktett ging müde, aber glücklich als geteilter Tabellenzweiter in das Duell mit den Schachfreunden Berlin am Sonntag.