Am Abend des zweiten Spieltags bei der deutschen Jugend-Vereins-Meisterschaft war von unserem Trainer- und Betreuerteam sehr viel psychologische Aufbauarbeit notwendig, um unsere frustrierte Jugendmannschaft wieder aufzurichten. Trotz guter spielerischer Leistung hatte sie in zwei hart umkämpften und sehr kräftezehrenden Kämpfen zwei unglückliche Niederlagen erlitten.
Am Vormittag hatte es im NRW-Derby gegen die SG Bochum 31 einen offenen Kampf gegeben, bei dem man nach einem Sieg von Oliver Wroblowski und einer Niederlage von Ewald Fichtner mit einem Zwischenstand von 1½: 1½ in die Zeitnotphase ging, wo aus drei unklaren Stellungen letztlich zwei Remisen und ein Verlust von Kevin Zolfagharian zur 2½:3½-Niederlage führten.
In der Nachmittagsrunde führten wir nach einem Sieg von Marcel Kyas gegen Königsspringer Hamburg, bevor innerhalb einer Minute Alexander Hobusch in einer haltbaren Stellung die Zeit überschritt und Seva Bashylin in einer klar besseren Stellung einen entscheidenden Fehler beging. So hieß es statt einer möglichen Zwei-Punkte-Führung plötzlich 1:2 und die verbleibenden drei Bretter mussten erhöhtes Risiko gehen, was schließlich in weiteren Niederlagen für Olli Wroblowski und Jan Hobusch und einer ganz bitteren 1½:4½-Niederlage führte.
Die SG Bochum 31 ist seit fast 25 Jahren der dominierende Verein im NRW-Jugendschach und auch in den bisherigen drei Jugendbundesliga-Duellen gab es für uns gegen die Schützlinge von Norbert Franke bei einem 2:6 und zwei 1½:6½-Niederlagen absolut nichts zu holen. Dennoch war unsere Mannschaft nach dem grandiosen Turnierauftakt höchst motiviert, dieser Serie endlich ein Ende zu bereiten und den einen Mannschaftspunkt Vorsprung gegenüber Bochum zumindest zu verteidigen.
Der Kampf begann auch sehr vielversprechend, da wir an vielen Brettern die gewünschten Stellungen aufs Brett bekamen. Eine exzellente Vorstellung lieferte Oliver Wroblowski, der gegen die aus Königsindisch entstandene Benoni-Struktur von Pascal Werrn (2022) mit dem agressiven Dreibauern-System schnell Stellungsvorteile erzielte und schließlich zwei Leichtfiguren für einen Turm erhielt, was er souverän zur Führung umsetzte. So erhielt Marcel Kyas die Erlaubnis zu einer Punkteteilung gegen Jürgen Mazarov (2111), nachdem er mit Schwarz in einer spanischen Nebenvariante völligen Ausgleich erzielt hatte. Leider gelang den Bochumern kurz vor der Zeitnotphase der Ausgleich. Leonid Zeldin (2023) hatte mit Weiß gegen Ewald Fichtner in einer Reti-Struktur stets etwas Initiative bewahrt und konnte schließlich entscheidend eine Qualität gewinnen.
Somit ging es in eine hoch spannende Zeitnotphase, in der alle sechs Spieler in drei sehr unklaren Stellungen über sehr wenig Restbedenkzeit verfügten. Am dritten Brett attackierte Jan Hobusch in einer komplexen Sizilianisch-Partie die Scheweninger-Struktur von Philipp Kelbling (2129), wobei die Partie letztlich wie so oft im Dauerschach mündete. Ebenfalls eine sehr scharfe Stellung ergab sich bei Kevin Zolfagharian, der gegen den soliden c3-Sizilianer von Marc Butschek (1970) mit frühem Bauernopfer die Initiative an sich gerissen hatte. Leider verwechselte Kevin in der Blitzphase einmal die Züge und verlor in der sehr scharfen Stellung eine Figor, was die Entscheidung bedeutete. Denn Alexander Hobusch war in seinen Angriffs-Bemühungen gegen das Alt-Benoni von Konstantin Tkachuk (2222) nicht entscheidend weiter gekommen und musste schließlich mit einem Minusbauern nach der Zeitkontrolle ins Remis einwilligen, so dass die knappe 2½:3½-Niederlage perfekt war.
Am Nachmittag wartete dann mit Königsspringer Hamburg der nächste Setzlistennachbar, so dass wieder ein sehr ausgeglichener Kampf zu erwarten war. Dies wurde er tatsächlich, denn als die Spitzenbegegnung zwischen Bochum und dem HSK bereits entschieden war, liefen bei uns noch alle 6 Bretter! Alle Partien gingen in die vierte Spielstunde und wie bereits am Vormittag konnten wir die erste Führung des Kampfes für uns verbuchen. Marcel Kyas konnte gegen das angenommene Damengambit von Adrian Lock (2021) in einer scharfen Variante das Eröffnungsduell für sich entscheiden und nutzte seine Vorteile zu Materialgewinn, der nach 30 Zügen zu einem vollen Zähler führte.
Dann folgte eine ganz bittere Minute, die den weiteren Kampfverlauf entscheidend beeinflusste: Alexander Hobusch hatte mit Schwarz gegen Max Borgmeyer (2111), gegen den er schon bei vielen Meisterschaften antreten musste und keine sehr gute Bilanz hat, lange im Franzosen unter Druck gestanden, sich dann jedoch unter Qualitätsopfer ein wenig befreien können, als er in einem haltbar erscheinenden Endspiel an einer Stelle plötzlich die Zeit vergaß und trotz 30-Sekunden-Bonus diese überschritt. Fast zeitgleich übersah Seva Bashylin, der gegen Max Hort (1838) in einem königsindischen Angriff klare Vorteile besessen hatte, einen Konter, durch den er in eine sehr unangenehme Fesselung geriet, die Schwarz zu einem siegbringenden Angriff nutzen konnte.
Aufgrund dieses unerwarteten Rückstands musste Oliver Wroblowski, der gegen Eugen Raider (1985) lange unter Druck gestanden, sich aber erfolgreich verteidigt hatte, ein Remisangebot ablehnen, da in den beiden verbleibenden Partien ebenfalls höchstens halbe Zähler drin waren. Wie so oft im Schach, wurde auch hier das Vorgehen mit der Brechstange bestraft und unser bisheriger Topscorer kassierte seine erste Turnierniederlage. Damit war der Kampf endgültig entschieden, denn wenig später endete die Partie zwischen Ewald Fichtner und Markus Langmann (1947), in der nach einem sehr ruhigen angenommenen Damengambit niemals die Remisbreite verlassen wurde, leistungsgerecht unentschieden.
Zum Abschluss mühte sich dann Jan Hobusch noch lange, sein etwas schlechteres Endspiel gegen Guido Stanau (2111) Remis zu halten. Doch sein Gegner agierte technisch sehr sauber und fuhr damit noch einen Sieg zu unserer am Ende sicherlich zu hohen 1½:4½-Niederlage ein.
Damit stehen wir nach diesem bitteren Tagesverlauf mit 4:4 Zählern auf Rang 7. Morgen wartet aber bereits mit der SG Forchheim eine weitere schwere Aufgabe. Die Franken erlitten heute eine in dieser Höhe völlig unerwartete 0:6-Schlappe gegen Bebenhausen, so dass es auch darauf ankommen wird, wer die Rückschläge von heute psychologisch besser verkraftet hat. Wir drücken unseren Jungs die Daumen!