Sollte es die Schachgöttin Caissa, die der legendäre Schachautor und Großmeister Helmut Pfleger gerne fürs das schachlich Kuriose und Unverständliche heranführt, wirklich geben, so hatte sie heute im Schachzentrum offenbar ihre schützenden Hände über die VII. Mannschaft gelegt, die gegen die Vierte des Wuppertaler BSW einen zwischenzeitlich kaum für möglich gehaltenen 4½:3½-Sieg erreichte.
Schon ausgangs der ersten Spielstunde hatte Philipp Müller zeitlich dicht nach Reinhold Wygas (Brett sechs) am achten Brett das Remis erreicht. Auch bei Jürgen Grastat (Brett sieben) und Markus Schwedler am vierten Brett einigte man sich noch vor der dritten Stunde auf ein Remis. Zu Beginn des Kampfes hatten die Wuppertaler im Abstiegskampf 3½ Brettprunkte gegen uns als Ziel, um im abschließenden Kampf gegen Mettmann alles auf eine Karte setzen zu können.
Doch dann sah es in der vierten Stunde ganz anders aus. Zunächst erreichte auch Herbert Scheidt am dritten Brett ein Unentschieden. Zu diesem Zeitpunkt stand Kurt Rist mit zwei Minusbauern, vier gegen sechs, bereits kurz vor der Niederlage. Er spielte mannschaftsdienlich jedoch weiter. Denn am ersten Brett hatte Jan Berents nichts wirklich Verwertbares erreicht. Am zweiten Brett hatte David Möller einen Turm für einen Springer für Aktivität ins Geschäft gesteckt, schien aber nicht wirklich gut zu stehen. Eher im Gegenteil. In der Küche analysierte die Siebte die Situation und glaubte, bei einem 2½:2½- Zwischenstand wohl mit 3:5 die dritte Niederlage in Folge einstecken zu müssen. Da Kurts Gegner gleich zwei Bauern bei fehlerfreiem Spiel auf die vorletzte Reihe gebracht hatte, fiel der Vorhang bei diesem Trauerspiel mit einem letzten kümmerlichen schwarzen Bauern in den Händen des Teamseniors.
Philipp Müller gab darauf den beiden ersten Brettern die Regie in die Hände: „Macht, was ihr wollt!“ Jan Berents konterte: „Wir können es aber noch versuchen!“ Und meinte damit, nicht vorschnell ins Remis einzuwilligen. Das war das Aufbruchssignal für Caissa, uns zu helfen. Denn nun kam es knüppeldick für die Wuppertaler. »Das ist nicht gut, gar nicht gut«, entfuhr es Davids Gegner. Er stellte nach Schach und Angriff einen Läufer ersatzlos ein. Der dynamische Aufbau von David erlaubte es ihm nun, die schwarze Dame auf A1 einzuklemmen und aus dem Spiel zu nehmen. Unaufhaltbar lief ein Bäuerchen von David Richtung Grundlinie. »Ich gebe so ungern auf!« Davids Gegner reichte die herunterhängende Hand übers Brett.
Ein 4:4 war in Reichweite. Jans Gegner hatte bei gleichfarbigen schwarzen Läufern und jeweils vier Bauern das Remis sicher, wenn er sich nicht bewegt. Aber er wollte seine Figuren bewegen. Und nun rächte sich sein aggressiver weißer Aufbau in der Eröffnung am Königsflügel mit zwei weit vorgerückten Bauern gegen Jans Franzosen. Sein König konnte nicht gleichzeitig am Damenflügel helfen und so gingen die Landmännern gegen einen Knappen von Jan im Tausch verlustig. Nun wendete sich das Blatt zusehends. Denn umringt von vielen Kiebitzen verrechnete er sich bei einer fünfzügigen Kombination um ein Tempo, was zum Verlust zweier Bauern bei Tausch der Läufer führte. Er gab auf. Wuppertal hatte seine 3½ Punkte – und wir das Glück auf unserer Seite.
Philipp Müller