Nach zuletzt fünf Teilnahmen in den letzten 8 Jahren, die weitestgehend mit Akteuren unserer zweiten und dritten Mannschaft und nur wenigen Bundesliga-Spielern bestritten wurden, geht beim 30. Europapokal für Vereinsmannschaften, der vom 13.–21.09.2014 in Bilbao stattfindet, erstmals wieder ein reines Bundesliga-Team mit vielen Spitzenspielern unter der Ägide des ebenfalls vor Ort weilenden Teamchefs Herbert Scheidt an den Start.
Die Mannschaft ist mit den 4 GM Markus Ragger, Erwin L’Ami, Sandipan Chanda und Alexander Naumann sowie den 3 IM Mads Andersen, Jörg Wegerle und Markus Schäfer im starken Teilnehmerfeld an Position 9 unter den teilnehmenden 52 Teams in der offenen Klasse gesetzt. Zum Auftakt gab es einen unspektakulären, aber souveränen 4½:1½-Arbeitssieg gegen die luxemburgische Mannschaft »The Smashing Pawn Belvaux«.
Die Anreise verlief aufgrund der bunt zusammengewürfelten Mannschaft am Samstag individuell, klappte aber bei allen Spielern reibungslos. Markus Schäfer, Jörg Wegerle und sein Bruder Kai, der bereits wie im Vorjahr auf Rhodos als moralische Unterstützung dabei ist, kamen sogar in den Genuss, von Frankfurt in einer der seltenen »Fanhansa«-Maschinen anzureisen, in der zudem eine wohl sechsstellige Anzahl von Elo-Punkten versammelt war.
Der Austragungsort in Bilbao ist das Euskalduna Kongresszentrum, in dem parallel auch das Damenturnier sowie das Bilbao Masters mit Visvanathan Anand, Levon Aronian, Ruslan Ponomariov und Paco Vallejo stattfindet. Die Spielbedingungen sind dabei für die Spieler in Ordnung, der Service für die Zuschauer ist dafür leider miserabel. Der gesamte Innenraum ist ein abgetrennter Bereich mit nur einem Eingang, so dass man außer den Spitzenbrettern an den ersten 4 Tischen kein Brett einsehen kann und als Internetzuschauer deutlich besser informiert ist als die nichtteilnehmenden Schach-Enthusiasten vor Ort. Dies gilt allerdings nur, falls die Turnierseite funktioniert, was leider am ersten Tag überhaupt nicht der Fall war. Als Folge waren viele Live-Partien auch im Netz überhaupt nicht zu finden oder fehlerhaft. Auch eine z. B. vom Bundesliga-Liveportal gewohnte Übersicht über den Stand der Kämpfe oder eine schnelle Veröffentlichung von Live-Ergebnissen sind leider sowohl online als auch vor Ort absolute Fehlanzeige, so dass der erste Tag doch sehr chaotisch verlief.
Davon unbeeindruckt absolvierte unser Team die Pflichtaufgabe gegen die mit 2 IM antretenden Luxemburger recht souverän: Den Takt gab Spitzenbrett Markus Ragger vor, der gegen den moldavischen IM Vladimir Hamitevici (2453), der eine seltene Variante in der englischen Verteidigung mit e6 und b6 gewählt hatte, bereits im frühen Mittelspiel eine Qualität gewann und danach keine größeren Probleme mehr hatte, die Partie zum Sieg zu führen. Kurze Zeit später erhöhte Jörg Wegerle auf 2:0. Mit den schwarzen Steinen hatte er in der Begegnung mit Pierre Gengler (2178) nach einem Umweg über die O’Kelly-Variante eine typische sizilianische Scheweninger Struktur erreicht, in der er schrittweise den Druck auf der halboffenen c-Linie erhöhte und schließlich durch eine hübsche taktische Kombination zwei Bauern gewann.
Ähnlich war der Verlauf bei Mads Andersen, der mit Weiß in einem g3-Grünfeld-Inder schrittweise den Druck gegen Christian Jeitz (2225) erhöhte und als Folge schließlich eine entscheidende Qualität gewann. Erwin L’Ami hatte seine Schwarz-Partie gegen IM Tom Weber (2414) in einer englischen Doppelfianchetto-Variante sehr solide angelegt, so dass es schnell zu einigen Abtäuschen kam und das Stellungsgleichgewicht bis zum abschließenden Springerendspiel niemals gestört wurde, so dass Erwins Punkteteilung den Gesamtsieg sicherte.
Alexander Naumann hatte gegen die katalanische Eröffnung von Simon Commercon (2209) eine scharfe Benoni-Variante gewählt und erreichte dadurch eine sehr dynamische Position, in der Weiß objektiv sicherlich leicht besser stand. In den taktischen Verwicklungen kam Commercon jedoch vom richtigen Weg ab und verlor schließlich eine Figur, die Alex in einen vollen Zähler ummünzte.
Die tragische Rolle des Tages fiel Sandipan Chanda zu, der gegen die Tschigorin-Verteidigung von Rick Frischmann (2254) zunächst klaren Vorteil besaß, dann jedoch den Vorteil etwas zu akademisch verwaltete. Dadurch konnte sich Frischmann in ein Damenendspiel mit drei gegen vier Bauern an einem Flügel retten, das nicht zu gewinnen war. Sandipan versuchte jedoch verbissen, einen vollen Zähler zu holen, und wickelte in ein Bauernendspiel ab, das er nach einem völligen Blackout sogar noch verlor, so dass der Endstand 4½:1½ lautete.
Beim gemeinsamen Abendessen im Steakhouse konnte Sandipan jedoch wieder ein wenig aufgebaut werden und wird sich morgen bestimmt rehabilitieren, wenn es gegen die französische Mannschaft von Cercle d’Echecs de Bois Colombes geht, die ihr heutiges Auftaktmatch 6:0 gewinnen konnte.