Mit einem zwar ungefährdeten, aber auch glanzlosen 5:3-Sieg ist unser Bundesligateam gegen die Mannschaft von Bayern München in die neue Saison gestartet. Nach der frühen Führung durch Sandipan Chanda sorgten Mads Andersen und Jörg Wegerle an den hinteren Brettern für die Entscheidung, bevor Alexander Naumann in der letzten Partie des Tages die einzige Niederlage hinnehmen musste.
Die Mannschaft der Bayern hatte die letzte Saison auf Platz 13, dem ersten Abstiegsplatz, abgeschlossen, verblieb aber durch den Rückzug des SV Wattenscheid in der Bundesliga. Auch wenn die Münchner den Weggang ihres talentierten Spitzenspielers Felix Graf nach Eppingen durch die Verpflichtung von »Mr. Bundesliga« Klaus Bischoff abfedern konnten, gehören sie in der sicherlich nicht schlechter gewordenen Liga erneut zu den Abstiegskandidaten. Somit hatte Teamchef Herbert Scheidt zwei Punkte im Auftaktkampf als eindeutige Pflicht definiert, auch wenn mit Erwin L’Ami, Jan Smeets und Artur Jussupow gleich mehrere Spitzenkräfte nicht zur Verfügung standen.
Doch auch die Gäste traten ohne ihr Großmeisterduo bestehend aus Klaus Bischoff und Michael Bezold an, so dass wir nominell sehr deutlich favorisiert waren. Dies spiegelte sich aber zunächst nicht auf den Brettern wider. Während in den meisten Partien recht ausgeglichene und wenig aufregende Stellungen im frühen Mittelspiel entstanden waren, war ausgerechnet unserem Routinier Predrag Nikolic die Eröffnung völlig mißraten. In einer Modevariante im 4. Dc2-Nimzo-Inder unterliefen Predrag mit Schwarz gegen IM Michail Fedorovsky (2385) frühzeitig zwei Ungenauigkeiten, nach denen das weiße Läuferpaar seine Stärke voll ausspielen konnte und der bosnische Spitzenspieler frühzeitig einen Bauern geben musste, um sich vernünftig entwickeln zu können. Vielleicht musste sich Predrag erst daran gewöhnen, dass er erstmals in den 15 Jahren seiner Vereinszugehörigkeit keinen Teamkollegen aus den Niederlanden mit nach Solingen bringen konnte. Dafür durfte er sich der Gesellschaft seiner Frau erfreuen, die am Wochenende während der Kämpfe mit Ingrid Scheidt das Bergische Land erkundete.
Zu Beginn der dritten Spielstunde gab es dann aber doch erstmals positive Nachrichten zu vermelden: Sandipan Chanda war mit dem festen Vorsatz in die Saison gestartet, seine schwache Leistung beim Europapokal in Bilbao vergessen zu machen, und ließ Taten folgen. In einer französischen Vorstoßvariante nutzte er die Besetzung der offenen c-Linie mustergültig zu einer hübschen Angriffspartie gegen den in der Brettmitte steckengebliebenen König von IM Alexander Belezky (2451) und konnte nach 30 Zügen die Führung erzielen.
Es dauerte bis in die vierte Spielstunde, ehe sich die Vorteile eindeutiger zu unseren Gunsten verteilten, was insbesondere an den beiden hinteren Brettern lag: Jörg Wegerle hatte gegen Dr. Ferdinand Unzicker (2325) wieder einmal seine Spezialvariante im geschlossenen Sizilianer mit 3. Lb5 ausgepackt und erhielt im Mittelspiel genau den gewünschten Stellungstyp. Bei einer weitestgehend blockierten Struktur am Damenflügel ohne schwarzes Gegenspiel besaß er am Königsflügel freie Hand, um langfristig einen gefährlichen Angriff zu initiieren, den er mit einem hübschen Turmopfer zur 2:0-Führung abschloss. In Anbetracht dieses komfortablen Zwischenstandes konnte Markus Ragger seine Schwarz-Partie gegen IM Andreas Schenk (2491) Remis geben. In einer Hauptvariante des 4. Lf4-Grünfeld-Inders kam es hier zum typischen Duell zwischen dem schwarzen Läuferpaar und der deutlich besseren weißen Struktur. Letztlich konnte Markus gegen den sehr solide agierenden Schenk die Stellung nicht entscheidend für sein Läuferpaar öffnen, was zu einer leistungsgerechten Punkteteilung führte.
Fast schon die endgültige Entscheidung bedeutete dann der halbe Zähler von Predrag Nikolic. Unser Routinier ließ wieder einmal seine ganze Verteidigungshärte aufblitzen und aktivierte unter doppeltem Bauernopfer seine Figuren, so dass es für Fedorovsky trotz der materiellen Vorteile nicht so einfach war, gewinnbringende Fortschritte zu erzielen. Schließlich griff der Münchner in der Zeitnotphase entscheidend fehl, was Nikolic dazu nutzte, einen Bauern zurück zu gewinnen und alle Bauern am Damenflügel zu liquidieren, so dass Fedorovsky enttäuscht in die Punkteteilung einwilligen musste. Derweil hatte Mads Andersen in einem klassischen Spanier mit 9. d4 als Schwarzer gegen Dr. Johannes Zwanzger (2329) schrittweise die Initiative übernommen und gewann schließlich nach einer sehr sauberen Positionspartie entscheidendes Material zur 4:1-Führung.
Kurz nach der Zeitkontrolle sicherte dann das Schwarz-Remis von Florian Handke gegen IM Wolfgang Richter (2398) den Mannschaftssieg ab. Dieser hatte die Eröffnung mit einem sehr ruhigen Londoner System wenig ambitioniert behandelt, ließ aber Florian im weiteren Verlauf durch solides Spiel wenig Chancen, die Position zu verkomplizieren. So mündete die Partie schließlich in ein Schwerfigurenendspiel, in dem Handke nach Bauernverlust selbst das Dauerschach forcierte, da dem etwas luftig stehenden weißen König bei reduziertem Material kein weiterer Schaden zugefügt werden konnte. Einen ebenfalls recht unspektakulären Auftritt hatte auch der zweite Debütant in unserer Mannschaft Ralf Appel. Er erhielt mit Weiß gegen IM Christoph Renner (2375) aus einem Altinder schnell eine recht ausgeglichene Position, in der dank seines Läuferpaares zumindest einen akademischen Vorteil für sich verbuchen durfte. Doch die schwarze Stellung erwies sich als sehr robust, so dass Ralf keine weiteren Vorteile erzielen konnte und schließlich ein völlig ausgeglichenes Läuferendspiel entstand, in dem nach 50 Zügen Frieden geschlossen wurde.
Wesentlich spektakulärer entwickelten sich die Ereignisse in der wildesten Partie des Wettkampfs zwischen Alexander Naumann und IM Julian Jorczik (2405). In einer bekannten königsindischen Sämisch-Struktur verschärfte Alex mit Weiß die Gangart und forcierte im Mittelspiel eine Abwicklung, in der er nach Damentausch drei Freibauern am Königsflügel erhielt, dafür aber eine Qualität geben musste. Während er hierfür zunächst aufgrund der sehr schnell aktiv werdenden schwarzen Türme keine hinreichende Kompensation zu haben schien, war die weiße Stellung nach der Zeitnotphase, in der beide Spieler in der komplizierten Stellung verständlicherweise nicht immer die besten Züge fanden, trotz des geringen materiellen Defizits vermutlich völlig in Ordnung. Im weiteren Verlauf entstand dann ein Wettlauf der Freibauern, bei dem Alexander schließlich die letzte Ungenauigkeit unterlief, als er die falsche Möglichkeit einer Umwandlung wählte, so dass Jorcziks Gespann aus Läufer und frisch gekürter Dame den weißen König zuerst attackieren und schließlich zum Endstand von 5:3 auch mattsetzen konnte.
Trotz dieses für Alex sehr unglücklichen Partieendes war die Gesamtstimmung in der Mannschaft nach dem erfolgreichen Saisonstart natürlich gelöst, so dass man sich im neu eröffneten Restaurant »Pfaffenberg« unseres Sponsors Michael Kölker bei exzellentem Essen und guter Laune eine Strategie für das morgige Duell mit dem starken Aufsteiger SK Schwäbisch Hall zurechtlegte, der bei seinem heutigen Bundesliga-Debüt ein 4:4 gegen unseren Reisepartner SV Mülheim Nord erreichte.
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