Traditionell gehört unsere I. Mannschaft zu den Teams in der Bundesliga, die sehr wenige Partien verliert. Unter diesem Gesichtspunkt war der 5:3-Erfolg des ambitionierten Aufsteigers SK Schwäbisch Hall in der Stadtsparkasse verdient, denn die Gäste konnten gleich vier Partien an den ersten sechs Brettern gewinnen, wo sie nominelle Vorteile besaßen. Somit waren die schön herausgespielten Siege von Mads Andersen und Jörg Wegerle zu wenig, um noch einen Mannschaftspunkt ergattern zu können.
Der SK Schwäbisch Hall ist der ambitionierteste Bundesliga-Neuling seit vielen Jahren. Nach dem Durchmarsch von der vierten in die erste Liga verstärkten sich die Württemberger noch einmal mit diversen internationalen Spitzengroßmeistern und gehen angeführt vom ehemaligen Vize-Weltmeister Boris Gelfand als Zweiter der Setzliste in die Saison. Während der Israeli aufgrund seiner Verpflichtungen bei den beiden Grand-Prix-Turnieren in Baku und Taschkent nicht am Start war, wurde am Vorabend noch spekuliert, ob das Samstag-Spitzenbrett der Haller, GM Dmitry Jakovenko (2747), auch gegen uns zum Einsatz kommen würde, da auch er bereits am Montag Abend zur Eröffnung des Grand-Prix-Turniers in Taschkent sein musste. Doch der russische Spitzenspieler saß pünktlich um 10.00 Uhr am Brett und lediglich am achten Brett war FM Alexander Raykhman (2414) für IM Matthias Womacka in die Mannschaft gerutscht. Damit waren die Gäste mit gleich sechs Großmeistern, die eine höhere Elo als unser Spitzenbrett Markus Ragger aufwiesen, klar favorisiert.
Bei Ragger und Jakovenko kam es dann auch zur ersten Punkteteilung des Kampfes. In einer katalanischen Hauptvariante wurde das Gleichgewicht niemals ernsthaft gestört und nach einer dreimaligen Stellungswiederholung Frieden geschlossen. Dagegen hatten wir mit den schwarzen Steinen mit deutlich größeren Problemen zu kämpfen: Alexander Naumann erwischte diesmal ein rabenschwarzes Wochenende. Nach der unnötigen Niederlage am Vortag konnte er mit Schwarz gegen den bescheiden anmutenden, aber giftigen Anti-Grünfeld-Aufbau von Open-Spezialist GM Viktor Laznicka (2666) nicht völlig ausgleichen und geriet auf die Verliererstraße, als der Tscheche die f-Linie öffnen und ergänzend sein Läuferpaar mustergültig zur Geltung bringen konnte.
Nicht viel besser erging es Ralf Appel, dessen Aljechin-Verteidigung vom naturalisierten Franzosen GM Tigran Gharamian (2657) scharf attackiert wurde, so dass eine sehr zweischneidige Position entstand, in der sich beide Monarchen in der Brettmitte nicht wirklich wohl fühlten. Leider unterlief Ralf ein entscheidender Rechenfehler, der in diesem Stellungstyp schnell entscheidende Konsequenzen hatte, so dass auch er noch vor der Zeitkontrolle aufgeben musste. Auch die dritte Schwarz-Partie brachte uns kein Glück: im Duell der beiden Anand-Sekundanten hatte Sandipan Chanda mit Schwarz gegen Radek Wojtaszek (2698) in einem klassischen Damengambit nach präziser Verteidigung mit dem Übergang in ein Schwerfigurenendspiel endlich vollständigen Ausgleich erreicht, als er mit einem fatalen Turmzug seine vorherige Arbeit zunichte machte. Der Pole konnte danach durch diverse Schachgebote unter Tempogewinn in die schwarze Stellung eindringen, wonach Sandipans Position nicht mehr zu halten war.
Das völlige Debakel mit den schwarzen Steinen verhinderte Jörg Wegerle, der gegen FM Alexander Raykhman (2414) in einem bogo-indischen Stellungstyp sukzessive die Überlegenheit seines Springers gegen den weißen Läufer demonstrierte und schließlich einen entscheidenden Bauern gewinnen konnte, wonach ihm der Gewinn keine größeren technischen Probleme mehr bereitete. Das perfekte Wochenende unserer Hinterachse vollendete schließlich Mads Andersen, dem gegen die englische Verteidigung des französischen GM Anthony Wirig (2490) eine blitzsaubere Positionspartie gelang, so dass dank des erneuten Doppelsiegs von Jörg und Mads nach der Zeitkontrolle der Kampf beim Stande von 2½:3½ zumindest noch nicht verloren war.
Dennoch gab es Teamchef Herbert Scheidt und den Solinger Zuschauern zu diesem Zeitpunkt bereits keine wirklichen Hoffnungen auf einen Punktgewinn mehr. Bei Predrag Nikolic war aus einem ruhigen g3-Grünfeld-Inder ein völlig ausgeglichenes Mittelspiel entstanden, in dem er sich zwar noch lange mühte, gegen die präzise Verteidigung von GM Li Chao (2711) aber nichts ausrichten konnte. Nach seinem Remis verblieb nur noch die Partie von Florian Handke, dem in einem typischen spanischen Positionskampf gegen GM Ernesto Inarkiev (2672) in der Zeitnotphase eine taktische Fehleinschätzung unterlaufen war, nach der er sich mit seiner Dame gegen Turm und zwei Leichtfiguren verteidigen musste, was sich gegen die gute russische Technik letztlich als aussichtslos erwies.
Damit war das 5:3 und somit der erste Bundesliga-Sieg für die Liga-Neulinge perfekt. Unsere Erste geht mit ausgeglichenem Mannschafts- und Brettpunktekonto in das zweite Wochenende, bei dem vom 07.-09.11.2014 in Mülheim am Freitag zusätzlich die Einzelrunde gegen unseren Reisepartner ansteht.
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