Am zweiten Spieltag der 2. Bundesliga West konnte unsere II. Mannschaft mit einem 5½:2½-Erfolg beim Wiesbadener SV zwei wichtige Zähler im Abstiegskampf einfahren und sich gleichzeitig über den ersten Saisonsieg freuen. Dieser fiel jedoch am Ende wesentlich deutlicher aus, als es dem Kampfverlauf entsprach. Nach dem souveränen Schwarz-Sieg von Jan Hobusch wären in den letzten beiden Partien der schließlich siegreichen Thomas Michalczak und Dr. Daniel Schlecht durchaus auch einige andere Ergebnisse möglich gewesen.
Der Wiesbadener SV spielte vor zwei Jahren noch in der Bundesliga und gehörte in der letzten Saison mit einer starken Achse von Spitzenspielern wie dem ehemaligen russischen Meister GM Evgenij Alekseev oder dem ehemaligen deutschen Meister GM Igor Khenkin zu den stärksten Teams der 2. Bundesliga West. Vor dieser Spielzeit wurde aber ein Personalschnitt vollzogen und man trennte sich von allen Legionären, was in der traditionell sehr stark besetzten West-Liga direkt einen Absturz auf Platz 10 der Setzliste nach sich zog.
Doch bereits am ersten Spieltag hatten die Hessen eine Punkteteilung gegen Turm Emsdetten II erreicht, so dass wir durchaus gewarnt nach Wiesbaden reisten und froh waren, dort trotz der an diesem Wochenende kurzfristig anberaumten Bahnstreiks pünktlich den schönen Schlosspark zu erreichen, an dem das Spiellokal direkt gelegen ist. Zwar mussten wir diverse Akteure unserer ersten Acht ersetzen, doch auch bei den Gastgebern fehlten ebenfalls zwei Stammspieler, so dass wir dennoch als nomineller Favorit in den Kampf gingen.
Nach knapp einer Stunde gab es die erste Punkteteilung zu verzeichnen: Samuel Minor (2217) legte seine Weiß-Partie mit der französischen Abtauschvariante extrem ambitionslos an und Oliver Kniest hatte nach der erst am Vortag beendeten anstrengenden NRW-Meisterschaft nichts gegen eine schnelle Punkteteilung einzuwenden. An den anderen Brettern kam es zunächst weitestgehend zu sehr ausgeglichenen Partieverläufen, lediglich bei Jan Hobusch war etwas mehr Dynamik vorhanden, da sein Gegner Felix Mayer (2162) als Weißer gegen Jans Caro-Kann-Verteidigung mit 3. f3 eine scharfe Variante gewählt hatte, die letztlich in einem Bauernopfer und einem Stellungstyp wie im Blackmar-Diemer-Gambit mündete.
Zu Beginn der vierten Spielstunde stellte dann Milon Gupta seine Bemühungen gegen Dr. Daniel Wichmann (2193) ein. Mit Weiß hatte er aus einer Doppelfianchetto-Eröffnung zwar das schwarze Läuferpaar erobern können, doch der prächtig postierte schwarze Zentralspringer erstickte jede Hoffnung auf weißen Vorteil bereits im Keime. Kurze Zeit später mündete auch eine weitere unserer Weiß-Partien in den Remishafen. Michael Berg hatte in einem klassischen Dameninder mit 4…Lb7 zwar strukturelle Vorteile am Damenflügel erreicht, doch Bernhard Nagel (2194) entfaltete selbst bei reduziertem Material eine unangenehme Initiative gegen den weißen König, so dass Michael mittels Dauerschach das Remis forcierte.
Am Spitzenbrett hatten wir uns leichte Sieghoffnungen gemacht, nachdem dort Markus Schäfer in einem aus einem ruhigen italienischen Zweispringerspiel entstandenen spanischen Stellungstyp unter Bauernopfer sein Läuferpaar bedrohlich gegen den schwarzen König positioniert hatte. Doch IM Julian Geske (2395) verteidigte sich exakt, so dass Markus keine andere Option sah, als unter Rückgewinn des geopferten Bauerns die Stellung verflachen zu lassen. Kurz vor der Zeitkontrolle gab es dann die erhoffte Führung zu verzeichnen: Jan Hobusch war es gelungen, schrittweise das latente weiße Druckspiel zu neutralisieren und seine eigenen Figuren optimal zu platzieren, so dass er bereits deutlichen Vorteil aufwies, bevor sein Gegner mit einem Einsteller das Partieende beschleunigte.
Somit konnte Ralf Hubert seine Schwarz-Partie gegen Felix Kayser (2151) etwas beruhigter Remis geben. In einem sizilianischen Grand-Prix-Angriff schien Hubi zunächst mit Schwarz unter Druck zu geraten, konnte dann das Blatt jedoch wenden und die Initiative übernehmen. Aus den taktischen Verwicklungen konnte er aber lediglich einen Mehrbauern mitnehmen, der in einem Turmendspiel bei ungleichfarbigen Läufern und unglücklich platzierten Figuren nicht verwertbar war.
So ging es beim Zwischenstand von 3½:2½ in eine spektakuläre Zeitnotphase, in der wir auch das nötige Glück auf unserer Seite hatten. Besonders die Partie von Thomas Michalczak zog dabei die Blicke der Kiebitze magisch an: Tom hatte gegen den klassischen Franzosen von FM Daniel Malek (2390) leichte Stellungsvorteile herausgearbeitet, als er sich zu einem klassischen Läuferopfer auf h7 entschloss, wobei ihm klar war, dass ihm dies diesmal »nur« Langzeit-Kompensation einbringen würde. Die Engines bestätigen jedoch Toms Stellungseinschätzung und bescheinigen ihm klaren Vorteil, sofern er die richtige Fortsetzung gewählt hätte. Tom bevorzugte jedoch einen anderen Plan, wonach die Defensiv-Ressourcen von Malek die Oberhand zu behalten schienen. Die Position wurde nun immer komplexer und die Zeitvorräte beider Spieler immer geringer, so dass es kaum verwundert, dass in der hektischen Phase vor der Zeitkontrolle beide Spieler einige Chancen ausließen. Der Kulminationspunkt wurde dann im 40. Zug erreicht, wo Malek, nachdem er zuvor mittels einer längeren Wanderung seinen König von h7 bis nach c6 evakuiert hatte, erstmals wieder Zeit für aktive Handlungen besaß. Mit noch zwei Restsekunden Bedenkzeit spielte er 40… Sc2, während Sd3 der Gewinnzug gewesen wäre…
So hatte Tom genau im richtigen Moment etwas Zeit, um ein forciertes hübsches Mattfinale unter Turmopfer zu berechnen und den entscheidenden vollen Punkt zum Mannschaftssieg einzufahren. Etwas im Schatten dieser äußerst spektakulären Partie hatten sich parallel auch die Ereignisse am zweiten Brett gedreht. Dort hatte Dr. Daniel Schlecht in einem ruhigen Slaven mit 4. e3 als Schwarzer gegen FM Andrej Dubkov (2315) zunächst komfortabel ausgeglichen, erlaubte sich dann jedoch im Mittelspiel einige Ungenauigkeiten, die schließlich zu einem Stellungstyp mit vier Türmen und ungleichfarbigen Läufern führte, in dem Weiß aufgrund seines deutlich aktiveren Turmpaares und der etwas unsicheren schwarzen Königsstellung eine unangenehme Initiative besaß und folgerichtig auch Daniels Remis-Angebot ablehnte.
In der Zeitnotphase verlor Dubkov jedoch die Kontrolle über die Stellung und Daniel konnte seine Figuren so optimal aktivieren, dass er nach der Zeitkontrolle einen Mehrbauern besaß. Dieser war zwar nur äußerst schwer im Gewinnsinne zu verwerten, doch Dubkov tauschte basierend auf der Halluzination, dass Daniel den falschen Läufer besäße, die Türme im für ihn ungünstigsten Zeitpunkt ab. So entstand schließlich ein ungleichfarbiges Läuferendspiel, in dem Daniel noch den e- und a-Bauern sowie den dessen Umwandlungsfeld kontrollierenden Läufer besaß, was ihm nach über 6 Stunden schließlich einen vollen Zähler zum in dieser Höhe natürlich glücklichen 5½:2½ sicherte.
Unsere Zweite erwartet nun am 09.11.2014 den Überraschungs-Tabellenführer, die SF Schöneck, im Schachzentrum.