Nach einem umkämpften 2½:1½ gegen das Schachzentrum Seeblick und einem in dieser Höhe völlig unerwarteten und etwas schmeichelhaften 3½:½ im Spitzenspiel gegen den Düsseldorfer SK haben sich unsere U14-Mädchen bei den Deutschen Meisterschaften in Neumünster mit 8:0 Punkten zur Turnierhalbzeit alleine an die Tabellenspitze gesetzt und besitzen nun sehr gute Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung.
Am Vormittag des zweiten Spieltages trafen unsere Mädels auf den sächsischen Vertreter, das an Nummer 4 der Startrangliste gesetzte Team des Schachzentrums Seeblick. Diese von GM Henrik Teske gecoachte Mannschaft beeindruckt dadurch, dass sie aus vier Schwestern besteht, was in der Geschichte der Deutschen Jugend-Vereinsmeisterschaften vermutlich einen einmaligen Rekord darstellen dürfte. Am vierten Brett verwechselte das jüngste Teammitglied, Dora Peglau (1301), mit Schwarz in einem Sizilianer gegen Luisa Bashylina, die vorbereiteten Varianten, so dass Luisa im Eiltempo ihren dritten Sieg einfahren und unser Quartett früh in Führung bringen konnte.
Nach ihrem suboptimalen Start ins Turnier beeindruckte Dana Berelowitsch mit einer tollen Angriffspartie gegen die französische Verteidigung von Sarah Peglau (1533) und sorgte schnell für eine beruhigende 2:0-Führung. Da auch Melanie Müdder und Elizabeth Kublanov in ihren Schwarz-Partien sehr bequeme und vorteilsträchtige Positionen besaßen, deutete alles auf einen sehr klaren Erfolg hin. Doch ähnlich wie im gestrigen Duell mit Dortmund-Brackel kam in der Zeitnotphase noch einmal unnötige Spannung auf.
Elizabeth gewann durch eine taktische Abwicklung eine Qualität und stand gegen Charis Peglau (1454) glatt auf Gewinn, als sie ab dem 30. Zug bei kontinuierlicher Zeitknappheit unvermittelt völlig den Faden verlor und nicht nur ihren Vorteil vergab, sondern nach einem Figureneinsteller in einem Endspiel mit Turm und drei Bauern gegen Turm, Läufer und zwei Bauern landete. Unterdessen öffnete Melanie gegen Mirjam Peglau (1726) am Damenflügel mustergültig die Linien gegen den lang rochierten weißen König und gewann ebenfalls eine Qualität. In der Folge ließ sie jedoch mehrere Gewinnmöglichkeiten aus und sicherte schließlich lieber mit einem Remisangebot den Mannschaftssieg ab, als die technische Gewinnführung schon nicht mehr trivial war.
Im Anschluss gab Elizabeth in einer technisch nur sehr schwer gewinnbaren Position für ihre Gegnerin etwas überraschend sofort auf, so dass der Endstand von 2½:1½ perfekt war. Vermutlich war Elli hier einerseits von ihrem Patzer in der Zeitnotphase noch sehr frustriert und wollte eventuell auch schon Kraft für das Duell gegen den Düsseldorfer SK sparen, das nur wenige Stunden später auf dem Programm stand.
Die Begegnungen mit dem DSK sind definitiv der Klassiker des NRW-Mädchen-Schachs der letzten Jahre. Beide Mannschaften kennen sich aus unzähligen Einzel- und Mannschaftsmeisterschaften sowie dem regelmäßigen gemeinsamen Kadertraining bestens, sind miteinander befreundet und sorgen trotzdem stets für immens spannende Kämpfe. Unvergessen bleibt unser knapper Sieg im Vorjahr, der in der letzten Runde den ersten Deutschen Meistertitel sicherte. Diesmal war die Ausgangslage insofern anders, als sich beide Teams als Topgesetzte mit 6:0 Punkten auf Augenhöhe begegneten, wobei die Düsseldorferinnen in den ersten drei Runden den etwas stabileren Eindruck hinterlassen und am Vormittag sehr souverän gegen SF Sasbach mit 3½:½ gewonnen hatten.
Besonders merkwürdig war die Situation vielleicht für Dana Berelowitsch, da ihr Vater GM Alexander Berelowitsch diesmal hauptsächlich als Trainer des DSK vor Ort ist, aber natürlich auch seine Tochter unterstützt. Wie zu erwarten war, entwickelte sich ein spannendes Duell, bei dem die Schlachtenbummler vor Ort ebenso wie die zahlreichen Zuschauer der Internet-Liveübertragung nach ungefähr drei Stunden eine völlig offene Partie sahen. Melanie Müdder besaß am Spitzenbrett einen gesunden Mehrbauern, den Eva Rudolph (1795) mit einem Blackout einzügig auf h6 eingestellt hatte. Zudem machte Luisa Bashylina mit Schwarz im Prestigeduell gegen Alicia Orlova (1511), die ihr in diesem Jahr den Titel als U12w-NRW-Meisterin weggeschnappt hatte, am Damenflügel in einem geschlossenen Sizilianer Druck.
Auf der anderen Seite befand sich Dana Berelowitsch mit Schwarz gegen Judith Sokolowski (1647) nach einer kleinen Eröffnungsungenauigkeit in einer unangenehmen Druckstellung und auch Elizabeth Kublanov stand mit Weiß in einem Londoner System gegen Dina Rachel Kogan (1442) zwar kompakt, aber etwas passiv. In der vierten Spielstunde nahm dann aber wirklich jede Partie den Verlauf, den sich Kapitän Joachim Görke erhofft hatte.
Melanie zeigte sehr gute Technik, erhöhte das Druckspiel und gewann mit einer kleinen Kombination schließlich noch eine Qualität und wenig später die Partie. Parallel konnte sich Dana aus ihrer etwas passiven Lage befreien und ein nur minimal schlechteres Doppelturmendspiel erreichen, dass sie dann ohne größere Schwierigkeiten Remis hielt. Für die Entscheidung sorgte dann schließlich unsere DVM-Rekordspielerin Elizabeth, fast schon traditionell in einem Zeitnotdrama. Als Dina die Geschehnisse forcierte und die Stellung öffnete, behielt Elizabeth trotz der üblichen Abhängigkeit vom 30-Sekunden-Inkrement die Übersicht und koordinierte ihr Läuferpaar so optimal, das sie wenig später im Endspiel entscheidendes Material gewann und mit dem Erreichen der Zeitkontrolle Matt setzte.
Es passte zu dieser perfekten Stunde, dass sich zum Abschluss auch noch Luisa für ihre sehr starke positionelle Leistung belohnte und geduldig den Vorteil ihres Läuferpaares zum Sieg im Leichtfigurenendspiel nutzte, was ihre persönliche Bilanz auf 4/4 ausbaute. Aus einem lange Zeit völlig offenen Kampf war plötzlich ein 3½:½ im Spitzenspiel geworden.
Damit haben sich unsere Mädchen erstmals alleine an die Tabellenspitze gesetzt und einen großen Schritt Richtung Titelverteidigung getan. Nun gilt es, in den verbleibenden drei Runden die noch fehlenden 5 Mannschaftspunkte einzufahren.
Unsere Daumen sind gedrückt!