In der 6. Runde der 2. Bezirksliga traf unsere V. Mannschaft auf die IV. Mannschaft der BSW. In dieser Begegnung stand schon viel auf dem Spiel, da sich beide Mannschaften zusammen mit der Zweitvertretung von Solingen 28 und Wermelskirchen berechtigte Chancen in Richtung 1. Bezirksliga machen. Eine Niederlage wäre eigentlich schon das Ende aller Ambitionen für die V. gewesen. Die Wuppertaler traten leicht ersatzgeschwächt im Schachzentrum an. Die V. trat in Bestbesetzung mit unserem DWZ-starken Neuzugang Andreas Lux an Brett 8 an. Die Solinger trafen dabei auf eine sehr routinierte und äußerst spielstarke Truppe, die den Hausherrn fünfeinhalb Stunden das Leben extrem schwer machte.
Als Erster an Brett 3 mit den schwarzen Steinen spielend vereinbarte Dr. Marius Fränzel mit seinem Gegner Wilhelm Loga in völlig ausgeglichener Stellung nach eineinhalb Stunden und 20 Zügen Remis. Zu diesem Zeitpunkt war bereits zu erkennen, dass Friedel Skiber an Brett 5 mit Schwarz einen schweren Stand haben würde. Schon aus der Eröffnung heraus geriet Friedel schnell in die Defensive, aus der er sich nicht befreien konnte. Andreas Lux hatte gegen einen nominell klar schwächeren Gegner an Brett 8 mit den weißen Steinen unter Figurenopfer einen fulminanten Königsangriff gestartet. Die Partien von Spitzenbrett Athanassios Vranidis, Helmut Meckel, Jan-Hendrik Behrends, Wolfgang Zimdars und Rainer Falge standen zu diesen Zeitpunkt noch einigermaßen ausgeglichen, so dass eine Prognose nicht möglich war. Innerhalb der nächsten 30 Minuten endeten dann jedoch etwas überraschend 3 Partien, deren Ergebnisse so eigentlich nicht zu erwarten waren. Der Angriff von Andreas war ins Stocken geraten, da sein Gegner eine Art Igelstellung mit einem phantastisch stehenden Springer eingenommen hatte. Andreas hätte zwar eine Qualität gewinnen können, was jedoch auch nicht viel geholfen hätte, da er selbst bereits Material geopfert hatte. So willigte er folgerichtig in die Remisofferte seines recht zufrieden wirkenden Gegners ein. Ganze 3 Minuten später endete die Schwarzpartie von Athanassios überraschend Remis. Athanassios hatte einen Bauern verloren. Seine Stellung war zwar nicht schlechter, aber da er sich in dieser Stellung nicht wohl fühlte, akzeptierte auch er zu diesem frühen Zeitpunkt die Punkteteilung. Der bislang in dieser Saison mit den schwarzen Steinen sehr unglücklich agierende Friedel mußte zum Leidwesen seiner Mannschaftskameraden völlig chancenlos zusehen, wie sein äußerst spielstarker Wuppertaler Gegner seine Stellung regelrecht zerpflückte und einen Bauern nach dem anderen abholte. Punkt 12 Uhr gab er dann das mittlerweile ungleiche Duell auf, so dass es 1½:2½ stand.
Nach nur 2 Zeitstunden standen bei den restlichen 4 Partien noch fast alle Figuren auf dem Brett. Bei Jan Hendrik und Rainer konnte man davon ausgehen, dass die Stellungen im Gleichgewicht waren, aber keinesfalls mit Siegchancen. Helmut mit den weißen Steinen stand irgendwie verdächtig. Sein Gegner wirkte unternehmungslustig und stand aktiver. So hatte man das Gefühl, dass bei diesen 3 Partien nur 1 bis 1½ Punkte zu erzielen waren. Eindeutig schlimmer stand es bei Wolfgang, der sich auf ein unangenehmes Duell am Damenflügel eingelassen hatte. Zwei kleine taktische Fehler reichten in Addition, ihm einen isolierten a-Bauern zu verpassen, der prompt präzise von seinem Gegner aufs Korn genommen und regelrecht belagert wurde. Eine taktische Verwicklung in Richtung aktive Gestaltung des Spiels war meilenweit nicht in Sicht.
Zu diesem Zeitpunkt sah es nach einer Niederlage und dem Ende aller Aufstiegshoffnungen aus. Aber es kam anders. Die nächsten 3½ Stunden gehörten eindeutig dem Kampf, wobei den Solingern eine fast unglaubliche Portion Glück zur Seite stand. Knapp zwei Stunden später hatte Helmut seine verdächtig stehende Partie mit seiner jahrzehntelangen Routine und seinem Schachkönnen gedreht und seinen wirklich auch gut spielenden Gegner in einer tollen Partie zur Aufgabe gezwungen. Sein Wuppertaler Gegner Volker Röder zeigte sich als fairer Sportler und erkannte auch Helmuts überlegenes Spiel beeindruckt an. Somit war der Ausgleich 2½:2½ hergestellt. In der Zwischenzeit hatte Jan-Hendrik nicht viel erreicht und stand immer noch ausgeglichen. Bei den anderen beiden eskalierte dann geradezu die Lage. Rainer erhielt von Marlies Kilmer ein Remisangebot, das er jedoch aufgrund der völlig unklaren Gesamtlage, wie immer mannschaftsdienlich denkend und kämpfend, in ausgeglichener Position ablehnte.
Wolfgang wurde mittlerweile am Damenflügel regelrecht zusammengedrückt, wobei ihm allmählich die Verteidigungszüge ausgingen. Der Zusammenbruch der Stellung war in Sicht, da sein Wuppertaler Gegner ruhig und gelassen seine Stellung verbesserte. Also verfiel Wolfgang, die Niederlage in Sicht, auf einen letzten taktischen Trick. Normalerweise völliger Unfug oder geradezu Kamikaze, öffnete er seine Königsstellung über die g und f-Linie, um den Gegner zu Abzug der Figuren vom Damenflügel und zum Mattangriff auf den König zu verleiten. Tatsächlich zog dieser Dame, Läufer und Springer ab zum Mattangriff, so dass der Damenflügel nicht mehr direkt bedroht war. Für die Abwägung dieser Möglichkeiten hatte Wolfgang immens viel Zeit verbraucht, so dass er für die Abwehr des Mattangriffs für die letzten 8 Züge nur noch 30 Sekunden auf der Uhr hatte. Die Partie war faktisch verloren, doch erstaunlicherweise, wohl auch wegen der Hektik der Zeitnot, verlor der Gegner irgendwie immer stärker die Konzentration und fing an, entweder Figuren abzutauschen oder abtauschen zu lassen, obwohl er noch ca. 20 Minuten auf der Uhr hatte. Nach dem 40. Zug, fast in letzter Sekunde, drohte kein Matt mehr. Der gute Klaus Michalik, der weit über 4 Stunden so überlegen gespielt hatte, tauschte dann noch unter Bauerngewinn die Dame ab, wodurch er mit Turm auf der dritten Reihe und 6 Bauern gegen Turm auf der 2. Reihe und 5 Bauern, immer noch besser stand. Wolfgang näherte sich dann mit seinem König dem gegnerischen Turm, der einen Freibauern deckte. Der Freibauer wäre in jedem Fall verlustig gegangen. Soweit kam es aber gar nicht erst, denn der Wuppertaler Schachfreund war offensichtlich mittlerweile so genervt, dass er den weit entfernten König bewegte und den angegriffenen Turm einfach einstellte. Ob verdient oder nicht verdient, eine Partie endet mit Händeschütteln und für bessere Stellungen kann man sich nichts kaufen. Danach stand es völlig unerwartet 3½:2½.
Jan-Hendrik mühte sich unverdrossen weiter um eine bessere Stellung und Rainer kämpfte die »Partie seines Lebens«. Man erinnere sich: Rainer hatte ein Remisangebot mannschaftsdienlich abgelehnt, was sich im übrigen als Mannschaftsführer auch so gehört! Bedauerlicherweise hatte er im Zuge seiner Gewinnbemühungen einen Bauern nach dem anderen eingestellt, so dass er auf einmal 3 Bauern weniger hatte. Da er natürlich den überraschend erfreulichen aktuellen Stand des Mannschaftskampfes mitbekommen hatte – erstens saß er neben Wolfgang und zweitens hatte dessen Gegner seinen Frust in den Raum gebrüllt – offerierte er der überraschten Frau Killmer seinerseits ein Remis. Ob des Spielstandes oder ob sie wegen Rainers Remisablehnung von vor zwei Stunden noch beleidigt war, ist nicht mehr zu klären. Auf jeden Fall teilte sie Rainer und den Zuschauern mit, das sie gern noch weiterspielen wolle.
Um 14,40 Uhr MEZ stellten der unermüdlich kämpfende Jan-Hendrik und sein Gegner die Gewinnbemühungen ein. Jan Hendrik war’s zufrieden, die Mannschaftskameraden auch, denn man führte 4:3 und ein Mannschaftspunkt und die Hoffnung auf den Aufstieg waren erhalten. Warum sich Jan-Hendricks Gegner zufrieden zeigte, ist nicht ganz klar. Die einzig plausible Erklärung muss gewesen sein, dass er den aktuellen Spielstand zwischen Rainer Falge aus Solingen und Marlies Killmer aus Wuppertal falsch eingeschätzt hat.
Nachdem Rainer den 3. Bauern eingestellt hatte, spielte er natürlich trotzdem kaltblütig und umsichtig weiter. Offensichtlich hatte seine Gegnerin die Situation und auch den guten Rainer völlig unterschätzt. In dem Bemühen, ihre 3 Mehrbauern gewinnbringend in Szene zu setzen, tauschte sie den letzten Turm und den Springer ab. Um diese Manöver durchzuführen, opferte sie den dritten Mehrbauern. Damit war die Partie entschieden. Nur Frau Killmer hatte es noch nicht bemerkt. Bei 3 gegen 1 Bauern und je einem Läufer kann ja nichts passieren. Dass es ungleichfarbige Läufer waren, hatte sie nicht bedacht. Auf dem Königsflügel stand einsam Rainers letzter h-Bauer, in der Nähe sein König. Auf g und h Killmers beide Bauern. Mit Hilfe des Läufers und seines Bauern konnte Rainer die beiden gegnerischen Bauern dauerhaft aufhalten. Rainer wanderte inzwischen mit seinem König in Richtung gegnerischem Freibauern auf der b-Linie und blockte ihn. Die völlig konsternierten Wuppertaler brauchten verständlicherweise eine gewisse Zeit, um das ganze Elend zu realisieren und das 3½:4½ zu akzeptieren.
Die Schachfreunde der V. Mannschaft brauchten wiederum eine Weile, um Ihr unglaubliches Glück zu fassen. Wenn das Glück auch in den letzten drei Mannschaftskämpfen der V. zur Seite steht, ist der Aufstieg perfekt.
Wolfgang Zimdars