»Mann, war das spannend«, waren die ersten Worte eines erleichterten Teamchefs Alexander Naumann, als er mit seinem Stellvertreter an diesem Wochenende Oliver Kniest telefonierte, nachdem er zuvor sechs Stunden lang den Krimi gegen Werder Bremen am Laptop während seines Apotheken-Notdienstes hatte verfolgen müssen. Nach einem erneuten Marathon-Match hatte unser Bundesliga-Team die frühe Niederlage von Erwin L’Ami durch einen Sieg von Topscorer Mads Andersen ausgeglichen, bevor Markus Ragger in der letzten Partie des Tages noch den Siegtreffer zum 4½:3½ erzielte.
Unsere Duelle mit Werder Bremen haben grundsätzlich das Potential zu langwierigen und spannenden Auseinandersetzungen. Erinnert sei nur an die letzte Saison, als Jan Smeets bei einer Zwei-Punkte-Führung eine Stellungswiederholung ausschlug und gegen Zahar Efimenko noch verlor, was ein 4:4 zur Folge hatte – ein Punkt, der später in der Meisterschaftsentscheidung fehlen sollte. Zudem waren beide Vereine erst vor knapp 5 Wochen auch beim Europapokal mit ähnlich konzipierten Teams, gemischt aus Profis der Bundesliga und Spielern der 2. Bundesliga, aufeinander getroffen. Dabei hatte Werder nach über 6 Stunden Spielzeit einen Rückstand noch durch zwei Siege in remislichen Turmendspielen drehen und mit 3½:2½ gewinnen können.
Folglich wollten wir Revanche und unsere bisher makellose Saison-Bilanz bewahren. Zu diesem Zweck durften wir auf »Joker« Loek van Wely zurückgreifen, der erst am Donnerstagabend Vater einer Tochter geworden war, sich aber nach dem Ausfall von Alex Naumann zu einem Einsatz bereit erklärte und den Matchwinner des Vortages, Kevin Schröder, ersetzte.
Wie zu erwarten war, begann der ausgeglichene Kampf zunächst einmal mit Punkteteilungen. Dabei mussten GM Tomi Nyback (2571) und Aryan Tari sogar den Schiedsrichter bemühen, um bereits vor dem 20. Zug aufgrund einer dreimaligen Stellungswiederholung remisieren zu können. Keiner der beiden Skandinavier sah eine vernünftige Möglichkeit, in einem ruhigen Fianchetto-Grünfeld-Inder ohne Zugeständnisse weiterspielen zu können.
Auch die Partie von Borki Predojevic mit dem tschechischen Werder-Urgestein GM Zbynek Hracek (2569) schlug keine großen Wellen. Nach diversen Abtäuschen schüttelten beide in einem völlig ausgeglichenen Schwerfigurenendspiel die Hände.
Zu diesem Zeitpunkt deutete sich aber bereits die Werder-Führung an, denn ausgerechnet der supersolide Erwin L’Ami, in der Vorsaison mit 6/7 einer der Topscorer im Team, hatte einen völlig gebrauchten Tag erwischt. Mit Schwarz übersah er gegen GM Romain Edouard (2636) beim etwas zu gekünstelten 18. … Sb8 den späteren Läufereinschlag auf d5 und verwaltete im Anschluss eine trostlose Position, die auf lange Sicht nicht zu halten war.
Jan Smeets war definitiv noch damit beschäftigt, seinen Fauxpas vom Vortag zu verdauen, und agierte mit Schwarz gegen IM Gerlef Meins (2412) in einem Semi-Slaven möglichst risikolos. Folglich ergaben sich gegen den sehr soliden »Lokalmatador« der Werderaner, der bereits seit vielen Jahren in Düsseldorf lebt, keine Möglichkeiten auf einen vollen Zähler und die Partie endete kurz vor der Zeitkontrolle leistungsgerecht Remis.
Nach vier Stunden sorgte dann Mads Andersen für den Ausgleich. In einer Nebenvariante der englischen Eröffnung erhielt Mads aus der Eröffnung heraus gegen den tschechischen Routinier GM Vlastimil Babula (2538) dank Läuferpaar und Entwicklungsvorsprung deutlichen Vorteil, der ihm auch einigen Vorsprung auf der Uhr bescherte. Doch in der Folge fand er gegen die zähe Verteidigung von Babula nicht immer das Beste und besaß nach einem Bauernopfer zwar hinreichende Kompensation, aber sicherlich keinen Vorteil mehr. Doch nun wirkte sich die immer knapper werdende Bedenkzeit zu seinen Gunsten aus. Babula fand in seiner schwieriger zu spielenden Position nicht das Beste und geriet in eine hoffnungslose Stellung, in der das weiße Läuferpaar das Brett dominierte und entscheidende Materialverluste nicht zu verhindern waren. Damit schraubte Mads seine Saisonbilanz auf 4/4!
Beim Stande von 2½:2½ liefen noch die ersten drei Bretter und boten Anlass zu leichtem Optimismus, da Markus Ragger im Duell mit GM Luke McShane (2668) in der Zeitnotphase als Folge seiner klaren positionellen Vorteile in einem Italiener schließlich einen Bauern hatte gewinnen können. Zwei Bretter weiter war Surya Shekhar Ganguly in einer weiteren ruhigen Italienisch-Partie gegen GM Zahar Efimenko (2635) im Mittelspiel die Kontrolle abhanden gekommen und er hatte in ein Turmendspiel mit drei gegen vier Bauern, einschließlich eines gegnerischen Freibauern auf der a-Linie abwickeln müssen. Es gelang Surya jedoch ähnlich wie Markus im Duell gegen Rasmus Svane vor zwei Wochen den Remisnachweis mit präziser Verteidigungstechnik zu führen.
Damit war klar, dass der Ausgang des Kampfes von der Partie am Spitzenbrett abhängen würde. Denn am zweiten Brett hatte Loek van Wely mit Schwarz gegen GM Alexander Areshchenko (2652) zwar ein ausgeglichenes Schwerfiguren- und späteres Doppelturmendspiel sehr lange mannschaftsdienlich weitergespielt und sogar ein Remisangebot abgelehnt. Letztlich bestand am remisen Ausgang der Partie aber niemals ein ernsthafter Zweifel.
Folglich bildete sich in der sechsten Spielstunde eine größere Zuschauertraube um die einzig noch verbliebene Partie des Tages am Spitzenbrett. Hier versuchte Markus die zähe Verteidigung des stets trickreichen Briten zu durchbrechen. Nach langem Lavieren wurden erst die Läufer und später die Damen getauscht und McShane versuchte, im Turmendspiel noch genügend Gegenspiel zu kreieren. Doch Markus, der in den ersten drei Runden der Saison so unglücklich agiert hatte, verwertete seinen Materialvorteil nach 81 Zügen und sechs Stunden Spielzeit technisch sehr sauber zum enorm wichtigen 4½:3½-Sieg.
Besonders freute sich »Edel-Fan« Dr. Hans-Joachim Beyer, der als Schulfreund von Herbert Scheidt über viele Jahrzehnte die Bundesliga-Wochenenden begleitete und auch in Düsseldorf wieder bis zum letzten Zug mitfieberte. Er und Herbert haben zusammen als bekennende Schalke-Fans viele Partien der Königsblauen auch während der Schachbundesliga-Kämpfe verfolgt. So wusste »Büb« aus jahrzehntelanger Erfahrung zu berichten, dass man die seltenen Wochenenden ganz besonders genießen müsse, an denen es drei Siege »seiner Mannschaften« zu feiern gäbe, was nach dem samstäglichen 5:2 der Schalker gegen Nürnberg diesmal der Fall war.
Auch die Düsseldorfer Schach- und Fußball-Fans waren glücklich. Am Samstag trumpfte die Fortuna mit einem sensationellen 3:3 bei den Bayern auf und am Sonntag feierten unsere Freunde vom DSK mit einem 4½:3½-Sieg dank einer Gewinnpartie von Jan Timman gegen Mülheim ihren ersten Sieg in der Bundesliga und veredelten so ihr erstes Heimspielwochenende. Insofern waren wir uns als Reisepartner einig, künftig durchaus häufiger 9 erzielte Brettpunkte wie an diesem Sonntag auf beide Kämpfe zu verteilen…
So reisen wir mit einer tollen Zwischenbilanz von 8:0 Zählern am 15./16.12.2018 nach Hockenheim, wo dann gleich zwei Spitzenduelle gegen die beiden ebenfalls noch verlustpunktfreien Teams der Gastgeber und von Viernheim anstehen.
Zur Seite der I. Mannschaft
Rundenbericht Schachbundesliga
Video-Impressionen aus Düsseldorf