Im Spitzenspiel beim SV Hockenheim musste unser Bundesliga-Team mit 3:5 die erste Saisonniederlage hinnehmen. Diese ging nach dem Spielverlauf absolut in Ordnung, denn während es uns nicht gelang, an irgendeinem Brett realistische Gewinnchancen zu generieren, behielten die Gastgeber bis zum Schluss zwei vorteilhafte Positionen, in denen Nikita Vitiugov und Vladimir Fedoseev schließlich starke russische Technik gegen Markus Ragger und Erwin L’Ami demonstrierten.
Die Ausgangslage vor dem Spitzenduell des 5. Spieltages war klar. Das Rennstadteam um Dieter Auer und Mannschaftsführer Blerim Kuci will in dieser Saison die langjährige Vorherrschaft von Serienmeister OSG Baden Baden brechen. Zu diesem Zwecke wurden vor der Saison mit dem amtierenden US-Meister Sam Shankland, der großen chinesischen Hoffnung Wei Yi, dem russischen Aufsteiger des letzten Jahres, Vladimir Fedoseev und dem aus Bulgarien stammenden und kürzlich zum georgischen Schachverband gewechselten Ivan Cheparinov gleich vier Weltklassespieler mit einer Elo über 2700 verpflichtet, die den ohnehin beeindruckenden Kader noch einmal deutlich verstärken. Auch wenn einige der Topspieler fehlten, gingen die Hockenheimer somit als klarer Favorit in das Duell, zumal unsere Bilanz gegen sie in den letzten Jahren ohnehin ausbaufähig war und wir von den letzten fünf Begegnungen nur den Kampf in der Meistersaison 2015/2016 hatten gewinnen können.
Eines der wenigen Bretter, an denen wir zumindest kleine Elo-Vorteile aufwiesen, war die Partie von Mads Andersen gegen GM Dennis Wagner (2576). In einer aktuell häufig gespielten Englisch-Variante versuchte Mads mit 15. b3 einen neuen Zug, konnte jedoch trotzdem die ausgleichenden schwarzen Bauernvorstöße e5 und c5 nicht verhindern, so dass die Partie schnell Remis durch Dauerschach endete.
Wenig später gab es den nächsten Friedensschluss in der Partie unseres früheren SG-Spielers GM Rainer Buhmann (2576) mit Aryan Tari. Aus einem Engländer mit 3. … d5 entstanden hier typische Grünfeld-Strukturen, in der Rainer mit Weiß lange einen kleinen Vorteil bewahrte. Doch Aryan konnte bei geschlossenem Zentrum mit einem schönen Feld für seinen Blockade-Springer schließlich f5 durchsetzen und nutzte dies zu einem Remisangebot, das akzeptiert wurde.
Das gleiche Ergebnis gab es bei vermeintlich spektakulärerem Partieverlauf in der Begegnung von Borki Predojevic mit dem amtierenden Einzel-Europameister GM Ivan Saric (2695). Beide folgten allerdings in einer Nebenvariante des klassischen Lf5-Systems in der Caro-Kann-Verteidigung sehr lange bereits erprobten Theoriewegen, so dass das Stellungsgleichgewicht auch hier nicht ernsthaft gestört wurde und ein weiteres Remis durch Dauerschach die Folge war.
Eine überzeugende Vorstellung zeigte Teamkapitän Alexander Naumann mit den schwarzen Steinen gegen den bisherigen Hockenheimer Topscorer GM Tamas Banusz (2612). In einem geschlossenen Katalanen konnte Alex recht problemlos ausgleichen und stand nach einem Qualitätsopfer mit seinem mächtigen Springer eher besser, so dass er sich nach dem Kampf fragte, ob er besser noch weiterspielen sollen, auch wenn die Punkteteilung isoliert betrachtet in Ordnung ging.
Allerdings zeichnete sich an den Spitzenbrettern bereits die Entwicklung ab, dass wir bei optimaler Ausbeute nur auf acht Remisen hoffen konnten. Loek van Wely hatte in einer aktuellen Katalanisch-Modevariante mit 7. … b6 ein ambitioniertes System gewählt, das GM Ivan Cheparinov (2709) in früheren Partien bereits auf dem Brett gehabt hatte. Es entstand nach weißem Bauernopfer eine sehr komplizierte Position mit dem störenden schwarzen Freibauern auf c2, so dass Loek den Druck auf die schwarze Stellung nicht weiter erhöhen konnte. Vielmehr verflachte die Position in der Zeitnotphase nach einigen interessanten taktischen Scharmützeln zu einem ausgeglichenen Endspiel, in dem keine Seite Fortschritte machen konnte.
Pentala Harikrishna musste beim Bundesliga-Debüt von GM Sam Shankland (2724) froh sein, noch einen halben Zähler mitnehmen zu können. Nach einer sizilianischen Nebenvariante riss der US-Amerikaner mit den schwarzen Steinen schrittweise die Initiative an sich und gewann im Endspiel einen Bauern. Doch Hari konnte sich nach dem ungenauen 37. … Sb6 gerade noch in ein Endspiel retten, in dem er die gefährlichen schwarzen Freibauern mittels Qualitätsopfer eliminieren konnte. Mit Läufer und drei Bauern gegen Turm und Bauer an einem Flügel war das Remis wenig später unterschriftsreich.
Somit verblieben nach 4½ Stunden nur die beiden Schwarz-Partien von Markus Ragger und Erwin L’Ami, die sich beide in schlechteren Endspielen einer Massage von GM Nikita Vitiugov (2719) bzw. GM Vladimir Fedoseev (2719) unterziehen mussten. Markus hatte in einem Spanier die Berliner Variante gespielt, gegen die Vitiugov das klassische Endspiel vermied, sondern die 5. Te1-Variante wählte. Hier entstand wieder einmal eine komplett symmetrische Struktur, in der Weiß dank etwas besserer Figurenaktivität und Raumvorteil stets mikroskopische Vorteile aufwies. Mit starker Technik konnte der Russe diese schrittweise verdichten und erreichte schließlich ein Turmendspiel, das aufgrund von Markus passiv postierten Figuren nicht mehr zu halten war.
Damit war der Kampf entschieden, da Erwin ebenfalls nur noch um einen halben Zähler kämpfen konnte. Er hatte mit Schwarz gegen den russischen Aufsteiger des Jahres 2017 GM Vladimir Fedoseev (2719) ebenfalls die Berliner Variante gewählt und gegen die 4. d3-Variante eine gute Stellung erreicht, bevor er bei 14. … h5 übersah, dass Weiß den Springer auf g6 nehmen und dann mit taktischen Mitteln seine Dame befreien konnte. So entstand ein Turmendspiel, in dem der weiße Springer stets etwas besser als der schwarze Läufer war. Erwin verteidigte sich zäh und schien zumindest gute Chancen auf die Punkteteilung zu haben, landete aber schließlich in einem sehr ähnlichen Turmendspiel wie Markus und konnte dem Russen nur zu guten Leistung gratulieren, so dass nach 6 Stunden das 3:5 perfekt war.
Beim gemeinsamen Abendessen war die Niederlage jedoch schnell abgehakt und morgen soll gegen den starken Aufsteiger aus Viernheim, der heute 6½:1½ gegen unseren Reisepartner Düsseldorfer SK gewann und mit 8:0 Punkten noch eine makellose Bilanz aufweist, ein erfreulicher Abschluss eines sehr erfolgreichen Jahres 2018 erreicht werden.