Alle Zweifler an der These, dass sich Geschichte auch im Schach wiederholt, wurden am 4. Spieltag unserer II. Mannschaft eines Besseren belehrt. Vor fast genau einem Jahr war – damals am 2. Advent – ebenfalls der Aachener SV im Schachzentrum zu Gast gewesen. Damals siegten für die Gäste IM Thomas Koch am zweiten Brett und Tom Michalczak für uns am siebten Brett, bevor der belgische IM Thibaut Vandenbussche am dritten Brett in der letzten Partie des Kampfes mit dem entscheidenden Sieg unsere 3½:4½-Niederlage besiegelte. Diesmal verlief es genauso, so dass die Zweite ihre erste Niederlage in dieser Saison hinnehmen musste und mit 5:3 Zählern in der 2. Bundesliga überwintert.
Dabei war die Ausgangslage doch deutlich anders als vor 12 Monaten gewesen. Beide Mannschaften hatten ein famoses erstes Saisondrittel absolviert und lagen mit 5:1 Punkten gemeinsam an der Tabellenspitze. Zudem konnte Mannschaftsführer Markus Schäfer aus dem Vollen schöpfen und mit Artur Jussupow und Predrag Nikolic zwei Legenden an den Spitzenbrettern aufbieten, während das Team im Vorjahr nur zu siebt hatte antreten können.
Nominell waren wir daher sicherlich leicht favorisiert, doch unabhängig von den jeweiligen Aufstellungen verlaufen die Duelle mit den Aachenern grundsätzlich immer sehr hart umkämpft und äußerst knapp. So verwunderte es nicht, dass zunächst einige Punkteteilungen zu verzeichnen waren.
IM Christian Seel (2486) wählte gegen das Damengambit von Artur Jussupow die modische 5. Lf4-Variante, gegen die sich Artur mit einer sehr soliden Variante verteidigte, so dass ausgangs der Eröffnungsphase Frieden geschlossen wurde. Etwas länger dauerte die Punkteteilung am 5. Brett, nachdem Markus Schäfer in einem klassischen Slawen mit Schwarz gegen IM Hans-Hubert Sonntag (2341) komfortabel ausgeglichen hatte. Auch am Nebenbrett stand die slawische Variante mit 4. e3 auf dem Programm. Zwar wählte IM Oscar Lemmers (2326) eine andere Variante als Markus, doch auch Dr. Daniel Schlecht konnte mit Weiß gegen den extrem soliden schwarzen Aufbau kaum etwas herausholen, so dass diese Partie ebenfalls im völlig ausgeglichenen Mittelspiel Remis endete.
Deutlich lebhafter verlief die Begegnung zwischen unserem Topscorer Jan Hobusch und FM Nikolaos Begnis (2275). Aus einer Pirc-Verteidigung entstand später eine an das sizilianische Drachensystem erinnernde Struktur mit heterogenen Rochaden. Nach dem typischen schwarzen Qualitätsopfer auf c3 war der weiße König relativ ungeschützt, so dass die Partie schließlich in ein Dauerschach mündete. Eine Stunde später folgte das nächste Dauerschach in der Partie zwischen Michael Berg und FM Felix Klein (2329). In einer katalanischen Hauptvariante wurde das Stellungsgleichgewicht niemals ernsthaft gestört und mündete in ein Damenendspiel mit ungleichfarbigen Läufern, in dem auch ein schwarzer Freibauer durch die gesicherte Blockade keinen Unterschied machte.
Für die Führung sorgte dann mit Thomas Michalczak ausgerechnet der Spieler, dem im bisherigen Saisonverlauf kaum etwas hatte gelingen wollen. Gegen das Jobava-System im Damenbauernspiel von FM Rudolf Meessen (2261) zeigte sich Tom mit Schwarz gut präpariert und gewann im Mittelspiel einen Bauern. In der Folge konnte er seine Position immer weiter verstärken und fuhr schließlich nach einem Figurengewinn nach etwa vier Stunden den Sieg ein. Die vermutlich matchentscheidende Szene spielte sich parallel am 2. Brett ab. Dort hatte Predrag Nikolic mit Weiß in einem Bogo-Inder gegen IM Thomas Koch (2473) den üblichen minimalen Positionsvorteil besessen, bevor er in der Zeitnotphase eine taktische Abwicklung übersah. Diese Chance ließ sich Thomas nicht entgehen und sorgte im Königsangriff für den Ausgleich.
Damit hing für unsere Zweite zum vierten Mal in Folge in dieser Saison beim Stande von 3½:3½ alles vom Ausgang der letzten Partie ab. Dort war Jörg Wegerle mit den schwarzen Steinen in seiner Russisch-Partie gegen IM Thibaut Vandenbussche (2428) sukzessive in die Defensive geraten und nach der Zeitkontrolle in einer Stellung gelandet, in der sein Isolani auf d5 in einer Stellung mit allen Schwerfiguren eine dauerhafte Schwäche darstellte, da Weiß zudem mit seinem Läufer die bessere Leichtfigur besaß und Jörgs Königsstellung auch geschwächt war. Nun ist Jörg bekanntermaßen einer der zähesten Verteidiger überhaupt, doch der Belgier stellte kontinuierlich neue Probleme und bei immer geringer werdender Bedenkzeit war die Position schließlich nicht mehr zu halten, so dass die Aachener sich nach 6 Stunden Spielzeit über das 3½:4½ freuen durften.
Trotz dieser etwas unglücklichen Niederlage kann die Zweite nach der ersten Saisonhälfte mit 5:3 Zählern dennoch zufrieden sein und besitzt gute Aussichten, in der in diesem Jahr sehr ausgeglichenen Liga, den angestrebten Klassenerhalt zu schaffen.