Trotz einer spielerisch ansprechenden und kämpferisch sehr starken Vorstellung musste sich unser U20w-Team am dritten Tag der deutschen Vereinsmeisterschaften mit nur einem Punkt zufrieden geben. Sowohl beim 2:2 gegen das bereits nach 6 Runden als Deutscher Meister feststehende Team vom SV Stuttgart-Wolfbusch als auch bei der 1½:2½-Niederlage am Nachmittag gegen den SV Lingen war jeweils ein Mannschaftssieg möglich, doch die aufgrund der vorhandenen Stellungen gebotenen Chancen wurden unzureichend genutzt. Mit einem klaren Sieg in der morgigen Schlussrunde kann das Team um Mannschaftsführer Joachim Görke allerdings zumindest noch die Bronzemedaille holen.
Hoch motiviert waren die Mädels in das Duell der 5. Runden gegen den SV Stuttgart-Wolfbusch gegangen. Das topgesetzte Team aus Württemberg war bisher mit 8:0 Zählern seiner Favoritenstellung gerecht geworden, so dass ein Sieg notwendig war, um zur Spitze aufschließen zu können. Die Eröffnungsphase verlief verheißungsvoll, denn Rebecca Browning erwischte die Deutsche U16w-Vizemeisterin Jacqueline Kobald (1821) in einem königsindischen Vierbauernangriff auf dem falschen Fuß und erreichte aus der Eröffnung eine Gewinnstellung. Doch leider fand sie die beste Fortsetzung nicht und wickelte in eine Stellung mit nur einem Mehrbauern ab, in der ihre Gegnerin dank des Läuferpaares vortreffliche Kompensation besaß.
Im Mittelspiel folgte ein taktisches Versehen, dass Becca schließlich eine Figur kostete. Um praktische Chancen zu wahren, wickelte sie in ein Endspiel mit Turm und fünf Bauern gegen drei Leichtfiguren und drei Bauern ab, kämpfte aber in der Folge für eine verlorene Sache. Am Spitzenbrett traf Luisa Bashylina gegen die stärkste Spielerin des Turniers WFM Zhuoling Li (2076), die bisher 4/4 erzielt hatte. Luisa zeigte ihre bisher beste Turnierleistung und spielte in einem Rossolimo-Sizilianer positionelle Vorteile heraus. Doch im Mittelspiel agierte sie etwas zu zögerlich, so dass Schwarz die Initiative übernahm und schließlich einen entscheidenden Bauern gewann, so dass Luisa kurz vor der Zeitkontrolle aufgeben musste.
Trotz dieser beiden Rückschläge kämpften die Mädels hervorragend. Melanie Müdder zeigte mit Schwarz gegen Sabrina Ley (1916) eine exzellente Leistung und nutzte die etwas optimistische lange Rochade der Weißen in einem Engländer mustergültig aus. Schrittweise öffnete sie die Linien am Damenflügel und gewann entscheidendes Material zum 1:1-Ausgleich. Leider musste Rebecca danach ihren zähen Widerstand nach 84 Zügen einstellen, da sich das materielle Defizit als zu groß herausstellte.
Somit lag die Verantwortung bei Dana Berelowitsch, die sich mit Schwarz gegen die bisher bei 3½/4 liegende Sijia Anna Liu (1607) aus einer schwierigen Mittelspiel-Position befreit und einen Bauern gewonnen hatte. Dennoch war das nach der Zeitkontrolle entstandene Turm und Springer-Endspiel mit sechs gegen fünf Bauern nicht trivial »auf Bestellung« zu gewinnen. Doch Dana zeigte sich der Herausforderung bestens gewachsen und sorgte mit guten Nerven und starker Technik nach fast 5 Stunden für den verdienten Ausgleich zum 2:2.
Damit lagen die Mädels mit 7:3 Zählern weiterhin zwei Zähler hinter Spitzenreiter Stuttgart auf dem geteilten zweiten Platz mit TuRa Harksheide. Da die Holsteiner gegen Stuttgart antreten mussten, wollte unser Team mit einem Sieg im Duell mit dem Verfolger SV Lingen (6:4) eine Spitzenplatzierung absichern.
Doch Luisa Bashylina will bei diesem Turnier einfach nichts gelingen. Es ist extrem hart, konstant gegen 100-150 Elopunkte stärkere Gegner antreten zu müssen, wenn man nicht in bester Form ist. Nach der unglücklichen Niederlage am Vormittag verwechselte sie mit Schwarz gegen WFM Jovana Miljkovic (2027) in der Eröffnung zwei Varianten, geriet sofort in eine sehr schlechte Position und stellte schließlich noch eine Figur ein, was einen sehr schnellen Rückstand zur Folge hatte.
Doch erneut war die kämpferische Leistung der Mannschaft absolut bemerkenswert. Dana Berelowitsch kam in ihrer vierten Schwarz-Partie im Turnier gegen Hannah Möller (1846) etwas schlechter aus der Eröffnung, doch verteidigte sich unter Bauernopfer präzise und erreichte dank der Aktivität ihrer Figuren im Endspiel eine Punkteteilung. Yaroslava Sereda hatte gegen Leonie Schäfer (1480) stets eine etwas angenehmere Position, geriet jedoch bei der Suche nach einem substantiellen Vorteil in recht heftige Zeitnot. Dort behielt sie jedoch die Nerven, gewann einen Bauern und wickelte ins gewonnene Bauernendspiel ab, das wenig später den Ausgleich brachte.
Leider verlief die andere Zeitnotschlacht des Kampfes weniger erfolgreich. Zunächst knüpfte Melanie Müdder an ihre starke Vorstellung vom Vormittag an und spielte mit Weiß gegen den Najdorf-Sizilianer von Madita Mönster (1869) eine tolle Positionspartie. Doch bei sehr geringer Restbedenkzeit verpasste sie leider den sofortigen Gewinn, ließ ihre Gegnerin wieder in die Partie kommen und hatte nach geschaffter Zeitkontrolle plötzlich ein schlechteres Endspiel auf dem Brett. Bekanntermaßen ist es extrem schwierig, sich in derartigen Situationen mental umzustellen und auf Verteidigung umzuschalten. Auch Melanie gelang dies leider nicht und wenige Züge später war die Stellung nach einem taktischen Patzer verloren und die sehr unglückliche 1½:2½-Niederlage perfekt.
Während Stuttgart-Wolfbusch recht schmeichelhaft gegen Harksheide gewann und wir den Württembergern mit 11:1 Zählern vorzeitig zum Deutscher Meistertitel gratulieren können, liegen unsere Mädchen nun hinter Lingen (8:4) in einer großen Gruppe von fünf Mannschaften mit 7:5 Zählern auf dem geteilten dritten Platz. Bei Punktgleichheit wird nach der Sonneborn-Berger-Wertung differenziert, bei der für jede Runde die im jeweiligen Kampf erzielten Brettpunkte mit den Mannschaftspunkten der jeweiligen gegnerischen Teams multipliziert werden und dann addiert werden. Damit ist klar, dass morgen ein möglichst hoher Sieg gegen die SG Güstrow/Teterow erzielt werden sollte, um gute Chancen auf eine Medaille zu haben.