Der 15.06.2019 wird zweifellos als der bislang erfolgreichste Tag in die Geschichte der Jugendabteilung unserer Schachgesellschaft eingehen. Dank dreier Siege in sehr wichtigen Entscheidungspartien in der letzten Runde schafften es gleich drei unserer teilnehmenden Mädchen bei den Deutschen Einzelmeisterschaften in die Medaillenränge. Luisa Bashylina blieb ungeschlagen und konnte nur ein Jahr nach ihrem ersten Einzelmeistertitel in der U12w direkt die Meisterschaft der U14w mit 7½/9 für sich entscheiden.
Melanie Müdder erreichte mit 6½/9 den zweiten Platz in der U16w, während Yaroslava Sereda bei ihrer ersten deutschen Meisterschaft in der U12w mit 7/9 den geteilten zweiten Platz erreichte und nach Wertung die Bronzemedaille erhielt. Damit haben sich alle drei für eine Teilnahme an den Jugend-Welt- oder Europameisterschaften qualifiziert. Das grandiose SG-Ergebnis wurde durch den starken 8. Platz von Dana Berelowitsch in der U16w abgerundet.
Im Schlussdrittel der U14w demonstrierte Luisa Bashylina gleichermaßen turniertaktische Reife, Nervenstärke und schachliches Können. In der 7. Runde ging sie mit Schwarz gegen die topgesetzte Elisa Reuter (1956) keine Risiken ein und gab sich im Mittelspiel schnell mit einer Zugwiederholung zufrieden, so dass sie nach sieben Runden weiterhin gemeinsam mit der positiven Turnierüberraschung Rebecca Doll (1678) mit 5½/7 in Führung lag.
Während Doll in der Vorschlussrunde aber über ein Remis gegen Reuter nicht hinauskam, fuhr Luisa einen schnellen Angriffssieg im Lokalderby gegen die Gerresheimerin Alicia Orlova (1621) ein und ging mit einem halben Zähler Vorsprung in die letzte Runde. Dennoch war der Titel noch überhaupt nicht klar, da sie dort mit Schwarz gegen ihre Teamkollegin aus der Nationalmannschaft, Svenja Butenandt (1722) antreten musste, mit der zusammen sie im Vorjahr U12w-Europameisterin geworden war.
Svenja lag bei 6/8 und konnte mit einem Sieg selbst noch Meisterin werden, so dass sich wenig überraschend eine scharfe Königsindisch-Stellung mit heterogenen Rochaden ergab. Doch Luisa erhielt nach einem typischen Bauernopfer schnell Vorteil und nutzte ihren dominierenden schwarzfeldrigen Königsindisch-Läufer zu einem weiteren erfolgreichen Königsangriff, der der 13-Jährigen bereits nach weniger als drei Stunden Spielzeit ihren insgesamt vierten Deutschen Meistertitel, davon den zweiten im Einzel, sicherte. Als Mitglied des jüngeren Jahrgangs zeigte sie in der U14w wirklich eine ausgezeichnete Leistung und siegte absolut verdient.
Vielleicht wäre der deutsche Meistertitel auch für Yaroslava Sereda in der U12w drin gewesen, wenn sie nicht die enorm bittere Doppel-Null in der zweiten Doppelrunde gegen die beiden späteren Erstplatzierten hätte hinnehmen müssen. Doch gerade nach dem in besserer Position übersehenen zweizügigen Matt im Turmendspiel in der sechsten Runde wurde das restliche Turnier zu einem besonderen Charaktertest, den sie mit absoluter Bravour meisterte. In ihren beiden folgenden Schwarz-Partien gegen Anastasia Voigt (1556) und Saskia Pohle (1819) wickelte sie jedoch selbstbewusst wiederum in zwei Turmendspiele mit jeweils einem Mehrbauern ab und führte diese nun mit sehr präziser Technik sauber zum Sieg.
So ging sie mit 6/8 auf dem geteilten zweiten Platz liegend in die Schlussrunde, wo sie gegen Charis Peglau (1769) schnell Vorteile in der Eröffnung erhielt und diese sicher zum Sieg führte. Allerdings erlaubten sich auch Lepu Coco Zhou (1796) und Katerina Bräutigam (1714) keine Ausrutscher und landeten mit 7½/9 bzw. 7 Zählern vor Yaroslava, wobei Katerina nur einen halben Buchholz-Punkt mehr aufwies. Dennoch kann Yaroslava auf ihr erstes Turnier auf nationaler Ebene mehr als stolz sein, wo sie sehr starkes positionelles Schach, große mantale Stärke und vor allem exzellente Kämpferqualitäten (kein Remis im gesamten Turnier) zeigte.
Melanie Müdder hatte vor zwei Jahren bei der DJEM ihre bitterste Schach-Erfahrung machen müssen, als sie einen Vorsprung von 1½ Zählern in den beiden Schlussrunden noch verspielte und auf den 4. Platz zurückfiel. Beim diesjährigen U16w-Turnier wäre ihr fast die komplette Wendung dieser Geschichte gelungen. In der 7. Runde konnte sie den Widerstand der Berlinerin Amina Fock (1723) nicht überwinden und musste eher mit der Punkteteilung zufrieden sein, so dass sie klar hinter der Führenden Jana Bardorz (6/7) mit 4½ Zählern auf dem geteilten 3.–7. Platz lag.
Doch die achte Runde ließ den Meisterschaftsausgang wieder völlig offen: Melli konnte eine Zeitnotschlacht mit den schwarzen Steinen gegen Larissa Ziegenfuß (1771) für sich entscheiden, während Bardorz ihre erste Niederlage hinnehmen musste und die Zweitplatzierte Amina Fock in einer spektakulären Kampf-Partie gegen Dana Berelowitsch remisierte. Somit führten Bardorz und Fock mit jeweils 6/8 vor einem Trio, in dem sich auch Melanie und ihre Schlussrundengegnerin Jana Basowskiy (1853) befanden.
Erneut erhielt Melanie die schwarzen Steine und legte mit Blick auf die Ausgangslage die Partie etwas zu scharf an. Gegen den königsindischen Angriff von Basovskiy öffnete sie zu früh das Zentrum, ohne zuvor rochiert zu haben und landete schnell in einer klar schlechteren Stellung. Doch sie kämpfte, gab zwei Bauern und hielt die Position so kompliziert wie möglich, bevor ihr in der Zeitnotphase endlich einmal Fortuna zulächelte, als ihre Gegnerin die Dame einstellte.
Nun schien sogar alles möglich, da Amina Fock mit Weiß verloren hatte und auch Jana Bardorz eine völlig unklare Stellung besaß. Doch sie behielt die Nerven und holte sich mit einem Sieg den nach einem starken Turnier verdienten Meistertitel mit 7/9, während Melanie sich mit 6½ Zählern nach einem schwierigen Turnier sehr über die Silbermedaille und die Qualifikation für die internationalen Meisterschaften freuen konnte.
Auch Dana Berelowitsch hatte sich mit einem sehr starken Turnier im Verfolgerfeld der U16w etabliert und war nach sechs Runden punktgleich mit Melanie gewesen. In der siebten Runde folgte eine korrekte Punkteteilung gegen Nina Rothenberg (1795) mit Schwarz, bevor Dana in der Vorschlussrunde ihre vermutlich spektakulärste Partie zeigte. Gegen den Najdorf-Sizilianer von Amina Fock (1723) opferte sie frühzeitig einen Bauern, bevor Amina sehr optimistisch noch einen zweiten und sogar einen dritten Mehrbauern einsammelte. Dafür verblieb der schwarze König lange im Zentrum, so dass in beiderseitiger Zeitknappheit die Lage dieses Monarchen immer kritischer wurde. So bot sich Dana in der Zeitnotphase einmal die Chance zum Sieg mit einem spektakulären Turmopfer. Sie ließ diese Möglichkeit jedoch verstreichen, so dass diese famose Kampfpartie letztlich mit einem vielleicht gerechten Remis endete.
Damit lag Dana mit 5/8 auf einem geteilten 6. Platz und besaß im Falle eines Schlussrundensieges sogar Medaillenchancen. Leider traf sie mit den schwarzen Steinen gegen die an Position 3 gesetzte Alva Glinzer (1884) eine strategische Fehlentscheidung, so dass ihre Gegnerin in einer typischen Französisch-Struktur das wichtige e5-Feld dauerhaft besetzen konnte. In der Folge gingen zwei Bauern verloren und Dana musste nach ihrer Auftaktniederlage gegen die spätere deutsche Meisterin leider ihren zweiten Verlust im Turnier hinnehmen.
Dennoch kann sie als Nummer 18 der Setzliste mit ihren 5 Zählern und dem 8. Platz nach einer für sie schwierigen Saison absolut zufrieden sein und wird im kommenden Jahr in der U18w mit neuer Motivation wieder angreifen.
Unser Quartett hat – unabhängig vom großen schachlichen Erfolg – die wieder einmal famos von der Deutschen Schachjugend organisierte Woche in Willingen mit einem tollen Rahmenprogramm für die über 1000 Beteiligten und einer täglichen Livekommentierung mit IM Christof Sielecki und vielen hochkarätigen Gästen sehr genossen und durfte sich auf der Abschlussfeier inklusive Siegerehrung feiern lassen.
Abschließend sollte auch den Trainern und Betreuern unserer Mädels, den stets engagierten Vätern Roman Bashylin, Rafael Müdder, Alexander Berelowitsch und Sergey Sereda sowie den für das seelische Gleichgewicht in einem so schwierigen Turnier mindestens genauso wichtigen Müttern gedankt werden, ohne deren großen Einsatz solche famosen Erfolge niemals möglich wären.
Die gesamte Schachgesellschaft gratuliert ganz herzlich zu diesen großartigen Erfolgen und drückt bereits jetzt die Daumen für die anstehenden internationalen Meisterschaften!
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