Alexander Krastev hat seiner noch jungen, aber bereits sehr erfolgreichen Laufbahn den bisher prestigeträchtigsten Titel hinzugefügt. Nach mehreren deutschen Jugendmeistertiteln und seinen beiden IM-Normen darf er sich ab heute U16- Jugendeuropameister nennen. In der Schlussrunde ging er mit den weißen Steinen gegen den punktgleich führenden Ukrainer Artem Lutsko (2418) keine großen Risiken ein und teilte die Punkte, weil er wusste, im direkten Vergleich die bessere Buchholzwertung zu haben. Allerdings gab es gleich drei Konkurrenten mit einem halben Zähler Rückstand, die im Falle eines Sieges vorbeigezogen wären. Doch keiner konnte mit den schwarzen Steinen seine Partie gewinnen, so dass sich Alexander am Abend zusammen mit U20w-Europameisterin Lara Schulze von der deutschen Delegation feiern lassen konnte.
Den Grundstein für diesen grandiosen Erfolg hatte der 16jährige in den vorherigen Runden gelegt. Nach seinem Fehlstart mit ½/2 gelangen ihm gleich sechs Siege in Folge. Den Ukrainer Valentyn Hulka (2187) überspielte er in der sechsten Runde bereits in der Eröffnung und nach einem souveränen Schwarzerfolg gegen den Russen Pavel Trofimov (2222) hatte er sich nach 7 Runden bis auf einen halben Zähler an die Tabellenspitze herangeschoben.
In der vorletzten Runde traf er im direkten Duell mit Weiß auf den überraschenden polnischen Tabellenführer FM Tymon Czernek (2187). Alexander legte mit der Moskauer Variante im Sizilianer die Partie positionell an und erreichte den für eine Igel-Struktur typischen Raumvorteil. In der nachfolgenden Lavierphase konnte er einen Bauern gewinnen und besaß nach 40 Zügen eine technische Gewinnstellung, die er in der Folge sicher verwertete. So ging er als geteilter Tabellenführer zusammen mit dem Ukrainer Artem Lutsko (2418) mit jeweils 6½/8, aber der besseren Buchholzwertung in die spannende Schlussrunde. Hinter ihm lauerten aber drei Verfolger mit 6 Zählern, deren Wertung besser war, die aber auch alle mit den schwarzen Steinen gegen Medaillenaspiranten mit 5½ Zählern antreten mussten.
Bei seinen zahlreichen Turnieren in diesem Sommer hatte Alexander häufig Pech in den Schlussrunden gehabt und gleich mehrfach knapp eine IM-Norm verpasst. Vielleicht auch deshalb wählte er diesmal mit den weißen Steinen die »kontrollierte Offensive«. Zwar opferte er gegen Lutsko früh einen Bauern, besaß aber immer mehr als hinreichende positionelle Kompensation. Da sich abzeichnete, dass seine Verfolger alle mit Problemen zu kämpfen hatten und zum Teil deutlich schlechter standen, offerierte Alex die Punkteteilung, die von Lutsko akzeptiert wurde.
Nun begann das lange Warten: mit dem Polen Czernek und dem Aseri Shiroghlan Talibov unterlagen zwei seiner Verfolger, doch dem Russen Kirill Putrenko eröffnete sich (sofern die übertragenen Züge korrekt sind) eine unerwartete Siegmöglichkeit, die er jedoch ausließ. Stattdessen überzog er auch seine Stellung, so dass Alexander Krastev als Europameister feststand!
Zu einem solchen grandiosen Erfolg gehören natürlich viele Unterstützer, so dass ein großes Kompliment und der Glückwunsch auch an die diversen Trainer von Alexander geht, zu denen im letzten Jahr auch Alexander Naumann gehörte. Insbesondere sind aber der Anteil seiner Eltern und der Verantwortlichen der für ihre exzellente Jugendarbeit bekannten Biebertaler Schachfreunde zu würdigen.
Die Schachgesellschaft gratuliert Alexander und allen Förderern zu dieser Leistung und wird versuchen, ihn in den kommenden Jahren optimal bei seinen nächsten Schritten zu unterstützen.
Bericht Deutscher Schachbund Runde 4-6
Bericht Deutscher Schachbund Runde 7
Bericht Deutscher Schachbund Runde 8+9
Abschlussbericht Deutscher Schachbund
Bericht Perlen vom Bodensee
Bericht Chessbase
Dank dieser Goldmedaille konnten es unsere beiden anderen Teilnehmerinnen Luisa Bashylina und Melanie Müdder sicherlich etwas leichter verkraften, dass es bei ihnen nicht wunschgemäß lief.
Luisa wahrte nach ihrer Niederlage in Runde 5 mit einem souveränen Schwarzerfolg in der 6. Runde ihre Medaillenchancen, unterlag dann aber in ihrer 7. Partie der Georgierin WFM Elene Tsotsonava nach einem einzügigen Figureneinsteller. Davon erholte sie sich nicht mehr und ihr unterliefen in den beiden Schlussrunden ähnlich uncharakteristische taktische Versehen, so dass sie letztlich nach drei Niederlagen in Folge mit 4½/9 und Rang 23 völlig unter Wert geschlagen wurde.
Vielleicht spielte es bei beiden Mädchen auch eine Rolle, dass sie im Gegensatz zu Alexander, der bereits beim Mitropa-Cup und der Qualifikation zum FIDE-Weltcup »hybrid« aktiv war, noch keine Erfahrungen mit diesem Format aufweisen konnten. Denn auch bei Melanie Müdder fiel die sehr hohe Anzahl taktischer Versehen auf, die sicherlich nicht nur auf eine schlechte Form in dieser Woche zurückzuführen sind. Nach ihren drei Niederlagen zum Auftakt kämpfte sie sich wieder ins Turnier zurück und lag nach ihrem Erfolg gegen die Kroatin Marijana Bilic in der sechsten Runde wieder bei 50%.
Doch in den beiden Folgerunden musste sie wiederum aus zum Teil sehr vielversprechenden Positionen zwei unnötige Niederlagen hinnehmen und landete nach einem Schlussrundensieg mit 4/9 auf einem 25. Platz.
Sowohl Melanie als auch Luisa freuen sich jedenfalls sehr auf die nächsten anstehenden Turniere mit ihnen gegenüber sitzenden Gegnern, bei denen sie die während der Europameisterschaft erlittenen Eloverluste schnell wieder kompensieren und ihr Leistungspotential demonstrieren wollen.