Nach dem überraschenden Aufstieg in die NRW-Klasse aufgrund einiger Coronabedingter Rückzüge gelang unserer IV. Mannschaft beim ersten Kampf auf NRW-Ebene seit 1997 ein 4½:3½-Auswärtssieg bei den Hellertaler Schachfreunden. Dabei hatte Mannschaftsführer Joachim Görke bereits im Vorfeld einige Probleme zu überwinden, bevor er selbst zum Matchwinner in der letzten laufenden Partie avancierte.
Die Gastgeber hatten am ursprünglichen Spieltag, dem 07.11.2021, Probleme mit ihrem Spiellokal, so dass wir einer Vorverlegung um eine Woche zustimmten. Allerdings war dabei übersehen worden, dass an diesem Tag nicht nur die III., sondern auch die V. und VI. Mannschaft parallel ihre Saisonpremiere feierten. Zudem fielen durch das lange Wochenende einige Stammspieler wegen paralleler Turniere aus und einige Akteure waren in Zeiten wieder deutlich steigender Infektionszahlen nicht zu einer weiten Auswärtsfahrt nach Südwestfalen bereit.
Als Joachim im Aufstellungspuzzle endlich acht Spieler beisammen hatte, stellte sich am Spieltag eine weitere unerwartete Hürde ein. Der eingeplante Ersatzspieler hatte die Zeitumstellung durch das Ende der Sommerzeit nicht bedacht und sich bereits wieder verärgert vom Treffpunkt entfernt, nachdem er dort – noch – niemanden angetroffen hatte. Kurzfristig musste improvisiert werden, so dass sich der Großteil der Mannschaft auf den Weg in Richtung Neunkirchen im Hellerbergland machte, während Dr. Anton Hannewald in Solingen auf das Treffen der VI. Mannschaft wartete, die kurzfristig aus ihrem vorgesehen Kader Bernhard Fodor zur Verfügung stellte und zum Gastspiel in Wuppertal mit nur 7 Leuten antrat. Auf diesem Wege noch einmal herzlichen Dank für diese kurzfristige Unterstützung!
Für die Hellertaler Schachfreunde war es das erste Punktspiel auf NRW-Ebene überhaupt, was auch großes Interesse der lokalen Presse hervorrief. Die Gastgeber mussten ebenfalls auf einige Stammspieler verzichten, so dass wir trotz der Aufstellungsprobleme als leichter Favorit in die Begegnung gingen.
Am Spitzenbrett hatte Ralph Blasek leider einen gebrauchten Tag erwischt. Zwar opferte er gewohnt unternehmungslustig gleich zwei Qualitäten für Angriff bei hinreichender Kompensation. Allerdings hätte er bei der gewählten Verteidigung seines Gegners zumindest eine Qualität zurücknehmen sollen. Stattdessen verschmähte er das angebotene Material und setzte weiter auf seinen Angriff. Leider hatte er aber eine wichtige Defensivressource übersehen und musste kurz danach aufgeben.
Kurz nach dieser nicht eingeplanten Niederlage mit den weißen Steinen sorgte Dirk Rittmann dafür aber mit Schwarz für den Ausgleich. In einem 3. Lb5-Sizilianer zeigte sich Dirk nach der langen Pause in Spiellaune, so dass ihm eine Musterpartie im entstandenen französisch-artigen Stellungstyp gelang. Damit demonstrierte er die Vorteile des bereits erfolgten Abtauschs des sonst chronisch schlechten weißfeldrigen Läufers und überspielte seinen Gegner im Endspiel.
Leider verlor dann der kurzfristig eingesprungene Bernhard Fodor. Nachdem er seinem nominell deutlich überlegenen Gegner mit Schwarz lange Paroli geboten hatte, musste er doch einen Figurenverlust für nur zwei Bauern hinnehmen, nachdem die Partie nicht mehr zu halten war. Prompt stellte Dr. Anton Hannewald den Ausgleich wieder her. Mit einem positionellen Qualitätsopfer in einer Nebenvariante des Sweschnikov-Sizilianers brachte er seinen Gegner aus dem Konzept. So investierte dieser viel Zeit in die Lösung der Stellungsprobleme, überschritt aber schließlich im 34. Zug die Bedenkzeit.
Unser Mannschaftsküken, die 14jährige Yaroslava Sereda, war erst am Morgen direkt von einem NRW-Kaderlehrgang angereist. Ihr Gegner wählte die seltene Owen-Verteidigung mit e6 und b6, aus der sich bald eine französische Struktur entwickelte. Hier opferte er temporär zwei Bauern, so dass sich in einer Position mit heterogenen Rochaden eine komplexe Stellung mit gutem schwarzen Angriffspotential ergab. In der Zeitnotphase ging in völlig unklarer Lage Yaroslava kein unnötiges Risiko und einigte sich mit ihrem Gegner auf Remis. Für unsere erste Führung sorgte dann ausgerechnet Ewald Fichtner, der erst am Vortag in die Heimat zurückgekehrt war und eigentlich mit einer schnellen Punkteteilung mit den schwarzen Steinen zufrieden gewesen wäre. Doch seinem Gegner unterlief in der Caro-Kann-Variante eine frühe Ungenauigkeit, so dass Ewald bereits nach 10 Zügen die Initiative übernehmen konnte. So war sein Siegeswille geweckt und mit einer guten positionellen Leistung gelang ihm ein glatter und enorm wichtiger Schwarzerfolg,
Ein unglückliches Debüt auf NRW-Ebene feierte unser Neuzugang Stefan Speck. In einer komplexen aus einem Damenbauernspiel entstandenen Position traf er mit den schwarzen Steinen eine falsche strategische Entscheidung und bevorzugte eine eher defensive Herangehensweise. Leider verdarb ausgerechnet dieser Verteidigungszug seinen objektiven Stellungsvorteil, den er mit einer Angriffsfortsetzung nachhaltig hätte konservieren können. So kippte die Partie schrittweise zu seinen Ungunsten und er musste sich kurz nach der Zeitkontrolle geschlagen geben.
Beim Stande von 3½:3½ hing damit alles von der Partie von Kapitän Joachim Görke ab, dessen Gegner sich mit einem klassischen Franzosen verteidigt hatte. Die Partie befand sich lange im Gleichgewicht, bis Joachim in gegnerischer Zeitnot zu schnell spielte und ihm eine Ungenauigkeit unterlief. Dies hätte sein Gegner durch einen Übergang in ein vorteilhaftes Schwerfigurenendspiel ausnutzen können, doch er tauschte unmittelbar die Türme ab. So entstand ein gleichstehendes Damenendspiel mit jeweils vier Bauern, das alleine aufgrund des stets innewohnenden Dauerschachpotentials eine hohe Remistendenz aufwies.
Doch Caissa war diesmal auf unserer Seite, denn sein Gegner wollte statt einer zu erwartenden langwierigen Partie mittels Damen- und Bauerntausch sofort das Remis forcieren, hatte dabei aber den letzten entscheidenden Trick im Bauernendspiel übersehen. So konnte Joachim eine aufregende Woche als Mannschaftsführer und einen ausgeglichenen Kampf dank seines vollen Zählers mit einem Happy End zum 4½:3½-Sieg vollenden. Die Vierte freut sich nun nach diesem schmeichelhaften Sieg auf die NRW-Heimpremiere am 05.12., wenn es mit dem SV Weidenau/Geisweid erneut gegen ein Team aus Südwestfalen geht.