Gegen 23.15 Uhr hatte sich eine große Zahl von Zuschauern um das erste Brett geschart und versuchte noch einen Blick auf das Geschehen auf den 64 Feldern erhaschen zu können. Dort duellierten sich die beiden langjährigen Teamkollegen und Freunde Kevin Zolfagharian und Jan Hobusch in einer spektakulären Partie um den Titel des Solinger Schnellschach-Stadtmeisters. Kevin, der mit einem halben Zähler Rückstand in die Partie gegangen war, musste gewinnen und setzte Jan in einer Caro-Kann-Vorstoßvariante unter Druck. Schließlich gewann er Material, doch Jan verteidigte sich erfindungsreich und nach einer extrem spannenden Schlussphase, in der beide in sehr komplizierter Stellung oft nur von ihren 5 Sekunden Inkrement lebten, endete die Partie schließlich Remis, so dass sich Jan Hobusch mit 6/7 zum dritten Mal nach 2015 und 2016 den Titel des Schnellschach-Stadtmeisters sichern konnte.
Diese Schlussrundenschlacht der beiden talentiertesten Spieler im Feld war ein würdiger Abschluss des spannenden Turniers, zu dem sich diesmal leider nur 29 Spieler eingefunden hatten, um 7 Runden mit der Bedenkzeit von 10 Minuten/Partie + 5 Sekunden/Zug zu absolvieren. Auch in der Spitze war die Schnellschach-Stadtmeisterschaft diesmal etwas schwächer besetzt, was viele Spieler nutzten, sich ins Rampenlicht der Spitzenbretter zu spielen.
Für die ersten Überraschung sorgte Stefan Speck, der mit den schwarzen Steinen in der zweiten Runde dem topgesetzten Hobusch ein Remis abknöpfte. Danach bezwang Ewald Fichtner den zweiten Topfavoriten Kevin Zolfagharian und setzte sich mit 3/3 zusammen mit dem sehr überzeugend aufspielenden Stephan Borchert an die Spitze.
Im Spitzenduell der vierten Runde spielte sich Ewald mit den weißen Steinen deutliche Vorteile gegen Stephan heraus, fand aber keinen direkten Gewinn und wurde schließlich in beiderseitiger Zeitnot von Borchert ausgekontert. So führte Stephan das Feld alleine mit 4/4 vor Jan Hobusch (3½) und einer sechsköpfigen Verfolgergruppe mit jeweils 3 Zählern an.
Die beiden Folgerunde waren geprägt von sehr langwierigen und hart umkämpften Prestigeduellen der Mannschaftskameraden. Hobusch setzte sich in zwei Marathonpartien zunächst gegen Borchert und dann gegen Fichtner durch, so dass er mit 5½/6 als alleiniger Führender in die Schlussrunde ging. Hinter ihm lauterte Zolfagharian, der mit Siegen gegen Wolfgang Steinbach und Borchert seine Aufholjagd erfolgreich fortgeführt hatte und bei 5 Zählern stand. Auf den alleinigen dritten Platz mit 4½/6 hatte sich parallel im »Windschatten« der Spitze Jose Antonio Alonso vom Rheydter SV vorgearbeitet. Dieser war mit einer Schnellschach-Elo von 1885 in der zweiten Hälfte des Teilnehmerfeldes gesetzt, hatte in der Auftaktrunde gegen Hobusch verloren, dann aber nach einem Zwischenstand von 1½/3 drei Siege in Folge, unter anderem gegen die Routiniers Ulrich Waagener und Eduard Kushchan eingefahren.
Alonso, der ein Stammgast bei unseren Blitz- und Schnellschachturnieren ist, hatte beim Blick auf die Auslosung der 1.Runde geäußert, dass er den Platz am Spitzenbrett eigentlich für die letzte Runde angestrebt hatte. Dieses Ziel verfehlte er nur knapp, konnte aber seinen herausragenden Lauf in der Schlussrunde immerhin am zweiten Brett mit einem weiteren Sieg gegen seinen Vereinskollegen Vadim Bondarchuk krönen und sicherte sich mit 5½/7 einen Medaillenrang. Nachdem die zu Beginn beschriebene turnierentscheidende Spitzenpartie schließlich unentschieden geendet war, stand dann auch die genaue Platzverteilung auf dem Treppchen fest.
Jan Hobusch überstand einige kritische Momente im Turnier mit großer Verteidigungshärte und Nervenstärke, blieb ungeschlagen und holte sich daher verdient den Titel. Kevin Zolfagharian haderte aufgrund der vergebenen (Titel-)chancen in der Schlussrunde ein wenig, konnte aber insgesamt mit Silber nach starker Aufholjagd mit 5½/7 vor der punktgleichen Turnierüberraschung Jose Antonio Alonso ebenfalls zufrieden sein.
Ein starkes Turnier spielte auch Stephan Borchert, der nur gegen die beiden Spitzenreiter verlor und mit 5/7 als Vierter den ersten Ratingpreis erhielt. Der Leidtragende war Stefan Speck, der nach einer hervorragenden Leistung punktgleich als Fünfter ins Ziel kam, aber aufgrund der schlechteren Buchholz-Wertung leer ausging. Ebenfalls durch die Wertung fiel die Entscheidung in der Ratinggruppe für TWZ unter 1900, wo sich hinter Alonso der Kölner Martin Müller (Ford Köln) mit 4/7 knapp vor Thomas Möws (SK Troisdorf) durchsetzte.
Auch die Jugend machte auf sich aufmerksam. Der 16jährige Ukrainer Arsenii Vladov holte sich mit 4/7 auf dem 9. Platz den Jugendpreis, während die 13jährige Sarah Fetahovic mit 3½/7 nach einem hart umkämpften Endspielsieg in der Schlussrunde gegen ihren Vater Dzenan diesem den Ratingpreis wegschnappte. Auch der jüngste Teilnehmer, Batuhan Gülcan, besaß gute Chancen auf den Ratingpreis für TWZ unter 1700, doch er verdarb in der Schlussrunde einen klaren Vorteil gegen den ältesten Spieler Lothar Mix noch zur Niederlage, so dass sich der 76jährige Routinier nach diesem Sieg im Duell der Generationen über einen Ratingpreis freuen durfte.
Damit ist die Saison 2021/22 der Stadtmeisterschaften abgeschlossen. Nach den Sommerferien geht es mit den Titelkämpfen im klassischen Schach weiter.