Nicht-Insider des Jugendschachs werden sicherlich überrascht sein, dass am heutigen 23.07.2022 in Kiel mit den Deutschen Vereinsmeisterschaften U20w das Finale der Saison 2020/21 eingeläutet wurde. Zum einen gibt es diese Saison nur im Jugendbereich, während sie im allgemeinen Spielbetrieb vollständig der Pandemie zum Opfer fiel. Zum anderen ergibt sich die große zeitliche Distanz zum »üblichen« Saisonende aus der Tatsache, dass die Deutschen Vereinsmeisterschaften 2021 an ihrem traditionellen Termin in der letzten Woche des Jahres ebenfalls wegen der Corona-Situation verschoben werden mussten.
Der Ausweichtermin vom 22.–26.07.2022 sorgt für eine weitere Besonderheit. Durch diverse unglückliche Terminkollisionen kann unsere U20w-Mannschaft nur zu dritt antreten, doch Melanie Müdder, Eva Rudolph und Yaroslava Sereda wollen auch in Unterzahl der Konkurrenz der anderen Vierermannschaften trotzen.
Die Jugendherberge in Kiel ist mit Schachspielern voll besetzt, denn es finden dort parallel die Deutschen Vereinsmeisterschaften in den Altersklassen U20, U16 und U20w statt. Bei den Mädchen sind 9 Mannschaften am Start, die aber dennoch die vorgesehenen 7 Runden Schweizer System absolvieren sollen. Obwohl unsere Mannschaft nur zu dritt am Start sind, wurde dennoch entschieden, lediglich den DWZ-Schnitt der drei anwesenden Spielerinnen für die Setzliste heranzuziehen, so dass wir an Position 1 gesetzt sind. Topfavorit im Turnier sind aber die Titelverteidigerinnen vom Schachzentrum Seeblick mit den vier Peglau-Schwestern.
Das Reglement sieht vor, dass immer das vierte Brett freigelassen werden muss, so dass wir in der Auftaktrunde gegen den Elmshorner SC als »Heimmanschaft« zwei Schwarz-Partien an den ungeraden Brettern hatten. So entsprach es durchaus dem Matchplan, dass Eva Rudolph in unserer einzigen Weiß-Partie für den Ausgleich sorgen konnte. In einem scharfen Najdorf-Sizilianer mit heterogenen Rochaden setzte sie Sana Fock (1837) unter Druck, konnte deren Turm am Brettrand ein wenig einsperren und gewann dadurch letztlich einen Bauern, durch den sie den Übergang in ein gewonnenes Endspiel forcieren konnte. Für die Führung sorgte dann kurz nach der Zeitkontrolle Yaroslava Sereda, die mit Schwarz gegen Susanne Margaryan (1516) in einer klassischen Karlsbader Struktur kleine Vorteile anhäufte und ihren Materialvorteil im Leichtfigurenendspiel verwertete.
Somit war der Kampf entschieden, denn Melanie Müdder hatte sich mit Schwarz gegen Ornella Falke (1939) mit einer starken Partie ein Doppelturmendspiel mit zwei Mehrbauern herausgearbeitet. Leider lief die technische Umsetzung nicht optimal und es zeigte sich wieder einmal die hohe Remistendenz von Turmendspielen, so dass Mellie nach 80 Zügen mit Remis zufrieden sein musste, was im Hinblick auf den 2½:1½-Sieg aber zu verkraften war.
Ergebnisse und Partien 1. Runde
Nur wenige Stunden später stand dann das Duell gegen die Mädchen vom SC Noris-Tarrasch Nürnberg auf dem Programm, die mit Yelizaveta Hrebenshchykova (2236) die stärkste Einzelspielerin des Turniers im Kader haben. Folglich sah der Plan vor, dass Melanie gegen die aus der Ukraine stammende Yelizaveta mit »kontrollierter Offensive« agieren und Eva und Yaroslava den vollen Zähler anstreben sollten.
Folglich ging Eva mit den schwarzen Steinen gegen Nese Pinar Albayrak (1800) ein erhöhtes Risiko und verwickelte mit Schwarz in einer sizilianischen Igel-Struktur die Stellung, wobei der schwarze Monarch in der Brettmitte verblieb. Das Konzept ging auf, den in den Komplikationen fand sich Eva besser zurecht und erreichte unter Bauernopfer nach Damentausch eine Stellung, in der sie die Stärke ihres Läuferpaars ausspielen konnte.
Die beiden anderen Partien wurden erst in der fünften Spielstunde entschieden. Yaroslava hatte gegen die Pirc-Verteidigung von Berrak Albayrak (1737), der zweiten von drei Schwestern im Nürnberger Team, leichte positionelle Vorteile erreicht, die sie aber letztlich nur in ein mikroskopisch besseres Turmendspiel ummünzen konnte. Wie gewohnt zeigte Yaro tolle kämpferische Qualitäten und versuchte alles, doch letztlich war mehr als ein halber Zähler nicht herauszuholen.
Dennoch schien zumindest ein Unentschieden noch machbar, denn Melanie hatte am Spitzenbrett eine starke Partie gezeigt, die Position immer unter Kontrolle gehalten und ein ausgeglichenes Leichtfigurenendspiel erreicht. Zwar besaß sie einen etwas passiven Läufer gegen einen dominanteren schwarzen Springer, dennoch hatte Hrebenshchykova (2236) keinen wirklichen Bauerndurchbruch zur Verfügung. Doch bei beiderseits knapper Restbedenkzeit probierte sie diverse Manöver und wurde letztlich belohnt, als Melanie nach insgesamt fast 10 Stunden Schach und 145 Zügen letztlich nicht mehr den entscheidenden Durchbruch eines Freibauern verhindern konnte.
Nach dieser sehr unglücklichen 1½:2½-Niederlage liegt unser Trio mit 2:2 Punkten zunächst einmal im Mittelfeld. Morgen geht es gegen die Karlsruher Schachfreunde weiter.