Beim European Chess Club Cup, der vom 02.10.–10.10.2022 in Mayrhofen im Zillertal ausgetragen wird, ist erstmals seit 2018 wieder eine Solinger Mannschaft in der Besetzung Alexander Naumann, Jonas Roseneck, Georg Halvax, Thomas Michalczak, Michael Berg, Oliver Kniest, Stefan Wickenfeld und Andreas Peschel am Start. Zum Auftakt gelang unserem Team ein ungefährdeter 4½:1½-Sieg gegen das in London beheimatete Team der Celtic Tigers. Als Belohnung geht es morgen in der zweiten Runde gegen das norwegische Team des Offerspill Chess Club, bei dem vielleicht auch Weltmeister Magnus Carlsen am Brett setzen wird.
Der Europapokal sollte eigentlich bereits im Oktober 2020 in Mayrhofen veranstaltet werden, was aber durch die Pandemie verhindert wurde. Mit zwei Jahren Verzögerung gibt es nun einen neuen Teilnehmerrekord mit 70 Teams in der offenen Klasse und 17 Mannschaften im Frauenwettbewerb, den die österreichischen Organisatoren zu bewältigen hatten. Das Europahaus in Mayrhofen verfügt leider über keinen so großen Saal, um alle Teams unterzubringen, so dass die beiden Turniere auf vier Turniersäle verteilt sind.
Unsere Mannschaft ist an Position 26 gesetzt und startete daher heute in einem der kleinen Räume ohne Live-Übertragung, so dass wir die Topstars wie Weltmeister Magnus Carlsen oder auch dessen Vorgänger und jetzigen FIDE-Vizepräsident Vishy Anand noch nicht live zu sehen bekamen. Der 52-Jährige besetzt bei einem seiner seltener werdenden Auftritte als Spieler das erste Brett des Spitzenteams Superbet, das vom gleichnamigen rumänischen Wettanbieter finanziert wird und u.a. auch noch den kürzlich zur rumänischen Föderation gewechselten Ex-SG-Spieler Richard Rapport oder die große indische Hoffnung, den 16-jährigen Gukesh im Team hat. Viele andere Spitzenteams sind mit Topspielern besetzt, die wir aus unserem Bundesligakader kennen. So sind Pentala Harikrishna und Markus Ragger beim an Position 2 gesetzten tschechischen Meister aus Novy Bor aktiv, Jorden van Foreest und Loek van Wely spielen beim französischen Spitzenteam Clichy (5), Aryan Tari in Offerspill (7) und Borki Predojevic ist mit seinem Team aus Ljubljana an Position 4 gesetzt. Insgesamt sind 127 Großmeister, darunter 12 Spieler mit Elo über 2700, und 96 Internationale Meister im Turnier dabei.
Die Bundesliga ist in diesem Jahr erstmals mit 5 Mannschaften vertreten, wobei sich der exzellent besetzte SC Viernheim als Sechster der Setzliste ebenso wie Bayern München (12) Hoffnungen auf Spitzenplatzierungen machen können. Dagegen sind die Schachfreunde Berlin und König Tegel ebenso wie wir nur mit Amateurmannschaften am Start.
Unser Auftaktgegner war die bunt zusammengewürfelte Mannschaft der Celtic Tiger, die mit einem Italiener, zwei Australiern, einem Deutschen, einem Polen und einem Engländer antrat. Das in London beheimatete Team startet regelmäßig in der britischen 4NCL und hatte auf diesem Wege das Europapokal-Ticket ergattert. Auch wenn mit Alex Naumann und Georg Halvax zwei unserer Spitzenspieler aussetzten, gingen wir als nomineller Favorit in die Begegnung.
Der Auftakt verlief optimal, denn Stefan Wickenfeld wählte gegen den australischen Mannschaftsführer Christopher Skulte (2060) nicht nur das bei ihm eher seltene 1. e4, sondern attackierte dessen Najdorf-Variante auch noch mit dem scharfen 6. Lg5. Skulte setzte nicht optimal fort, erlaubte ein weißes Springeropfer auf b5 und musste nach zwei Stunden aufgeben, weil sein König in der Brettmitte nicht dem weißen Angriff entkommen konnte.
Deutlich positioneller ging es in unseren beiden anderen Weiß-Partien zu, in denen jeweils Königsindisch diskutiert wurde. Jonas Roseneck konnte dabei gegen Marco Gallana (2265) ebenso sukzessive kleine Vorteile anhäufen wie Michael Berg gegen Fedja Zulfic (2157), so dass beide kurz vor der Zeitkontrolle ihre Partien ebenfalls siegreich beenden konnten.
Für die Entscheidung sorgte im deutschen Trainer-Duell Thomas Michalczak mit den schwarzen Steinen gegen den Leipziger FM Hendrik Hoffmann (2238). Dort entstand aus einer Sizilianisch-Variante wieder einmal das aus vielen Najdorf- und Sweschnikow-Strukturen bekannte strategische Thema des unvertreibbaren weißen Springers auf d5 gegen einen schwarzfeldrigen schwarzen Läufer bei allen noch auf dem Brett befindlichen Schwerfiguren. Im komplizierten Manövrierkampf, in dem es später dann auch sehr taktisch wurde, behielt Tom die bessere Übersicht und sorgte für das 4:0.
So verblieben nach der Zeitkontrolle noch zwei Partien: Oliver Kniest hatte in seiner Partie mit Schwarz gegen Alistair Hill (2178) dank eines starken Springers auf e5 das weiße Läuferpaar mehr als neutralisiert, konnte aber seine leichten positionellen Vorteile nicht verdichten, so dass die Partie in ein Remisendspiel mündete. Andreas Peschel lieferte sich gegen Ryszard Masziol (2132) eine spannende Kampfpartie, in der die vom Polen gewählte slawische Abtauschvariante bald zu einer komplizierten Stellung führte, in der Andreas viel Zeit investierte. Es gelang ihm zwar, die Probleme zu lösen, doch später fehlte die Bedenkzeit an der entscheidenden Stelle, um die vorteilsbringende Fortsetzung zu finden. So landete er in einem Turmendspiel mit ungleichfarbigen Läufern, das aber wegen seiner schlechteren Struktur und des sehr aktiven weißen Königs sehr schwer zu verteidigen war. Andreas gelang es leider nicht, so dass sich die Londoner Kelten über den Ehrentreffer zum Endstand von 4½:1½ freuen konnten.
Für die zweite Runde bescherte uns die Auslosung das Duell mit dem Offerspill Chess Club, so dass wir uns Hoffnungen auf ein Duell unter Beteiligung von Magnus Carlsen machen können. Seid mit dabei und drückt die Daumen ab 14.00 Uhr! Die Liveübertragung beginnt mit einer 15-minütigen Verzögerung.
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