In einem sehr spannenden und ausgeglichenen Kampf konnte unsere Frauenmannschaft gegen den SV Weißblau Allianz Leipzig nach fünf Stunden Spielzeit mit einem 3:3 einen weiteren Mannschaftspunkt im Kampf um den Klassenerhalt in der Frauen-Bundesliga erzielen. Der Sieg von Annmarie Mütsch konnte dabei die unglückliche Niederlage von Yaroslava Sereda kompensieren.
Üblicherweise wird bei schachlichen Mannschaftskämpfen der Frage, ob man zu Hause oder auswärts spielt, abgesehen von der Farbverteilung keine große Bedeutung beigemessen. Doch die erste Reise in unserer Frauen-Bundesligageschichte zum von den Rodewischer Schachmiezen ausgerichteten zweiten Ligawochenende stellte uns durchaus vor einige logistische Herausforderungen. Zum einen war auf dem Weg nach Sachsen eine ordentliche Distanz zu bewältigen, was im Hinblick auf diverse berufliche und schulische Verpflichtungen am Freitag die Anreiseplanung erschwerte. Zum anderen sind die Zugverbindungen ins ländlich geprägte Vogtland nicht optimal.
Daher hatte Teamchef Rafael Müdder eine zweigeteilte Anreise mit PKW geplant, Am Freitag ging es bis in die Nähe von Erfurt, bevor die Mannschaft nach einer Übernachtung am Samstag Vormittag Falkenstein erreichte, wo wir unser Hotel gebucht hatten. Von dort ging es schließlich nach Schönheide zum Ausweichspielort, da das Spiellokal in Rodewisch wegen Bauarbeiten nicht zur Verfügung stand. Der Spielsaal lag faktisch über den Dächern von Schönheide, stieß aber dank des erfreulichen Zuschauerinteresses auch an gewisse Kapazitätsgrenzen.
Die Mannschaft des SV Weißblau Allianz Leipzig verfügt hinter ihren polnischen Spitzenspielerinnen über immense Erfahrung, die sich in den letzten beiden Spielzeiten im Abstiegskampf bezahlt machte. So holte das Team in der vergangenen Saison am letzten Wochenende gegen Hamburg und Harksheide drei überraschende Punkte und sicherte sich in letzter Minute wie in der vorherigen Saison 2019/21 wieder den rettenden 9. Platz.
Zudem hatten die Leipzigerinnen mit einem Unentschieden gegen den Deutschen Meister Bad Königshofen und einem Sieg gegen Erfurt einen perfekten Start in die neue Saison gehabt, so dass der Begegnung große Bedeutung im Kampf um den Klassenerhalt zukam.
Der Kampf begann durchaus positiv, denn Melanie Müdder konnte in ihrer Partie gegen Petra Schulz (2003) leichte Eröffnungsvorteile erzielen und hatte bei geöffneter e-Linie den schwarzen König in der Brettmitte festgehalten. Im Mittelspiel hätte es nun einiger subtiler Manöver bedurft, um diesen Vorteil zu verstetigen. Melanie fand die typische Engine-Zugfolge leider nicht, so dass sich Schulz langsam konsolidieren und schließlich im ausgeglichenen Endspiel den Remishafen erreichen konnte. Am Spitzenbrett mühte sich Inna Gaponenko, gegen die polnische Nationalspielerin IM Karina Cyfka (2339), um aus ihrem Anzugsvorteil etwas herauszuholen. Doch gegen die präzise Verteidigung der Polin wurde in einem Zweispringerspiel das Stellungsgleichgewicht niemals ernsthaft gestört.
Deutlich dramatischer ging es in unseren Schwarz-Partien zu: Annmarie Mütsch erhielt gegen WGM Barbara Jaracz (2185) in einer Philidor-Verteidigung schnell eine sehr bequeme Position und übernahm schrittweise die Initiative. Als sie schließlich mit einer taktischen Abwicklung einen Bauern einkassierte, hatte sie aber eine gefährliche Riposte ihrer Gegnerin unterschätzt, die Jaracz einen sehr gefährlichen Angriff eingebracht hätte. Zum Glück übersah die Polin diese Option ebenfalls, so dass Annmarie den Mehrbauern konsolidieren und mit guter Technik zum vollen Zähler umwandeln konnte.
Doch postwendend gab es am 6. Brett weniger erfreuliche Ereignisse zu vermelden. Die gesundheitlich stark angeschlagene Yaroslava Sereda hatte mit Schwarz gegen Heike Germann (1991) mit einem soliden klassischen Damengambit ein ausgeglichenes Schwerfigurenendspiel erreicht, in dem lediglich noch der weiße Freibauer auf der a-Linie beseitigt werden musste. Leider verpasste Yaroslava in Zeitnot die entsprechende Möglichkeit und besiegelte durch einen Turmeinsteller im 40. Zug endgültig ihre unglückliche Niederlage, nach der sie erst einmal wieder aufgebaut werden musste.
Beim Stande von 2:2 oblag es nun unseren routinierten Neuzugängen, das Mannschaftsunentschieden zu sichern. Anna Zozulia war mit Schwarz aus einem positionell geprägten Kalaschnikow-Sizilianer gegen WIM Evelyn Wagenschütz (2103) in einem Springerendspiel gelandet, in dem sie zwar einen Mehrbauern besaß, aber aufgrund ihrer schlechteren Struktur mit zwei isolierten Doppelbauern nur die Punkteteilung forcieren konnte.
So verblieb noch die Partie von Tatiana Kononenko, die in einer Damengambit-Abtauschvariante mit Weiß gegen WFM Olga Hinciu (2116) mit der langen Rochade sehr ambitioniert agiert hatte. Leider entwickelte sich das schwarze Gegenspiel am Damenflügel deutlich schneller als ihr eigener Angriff, so dass sie in den Verteidigungsmodus umschalten musste. Nach dem Umschiffen einiger taktischer Klippen in der Zeitnotphase erreichte sie schließlich ein Turmendspiel mit zwei gegen drei Bauern am Königsflügel, das sie in der Folge noch 50 weitere Züge verteidigen musste, was ihr aber präzise gelang. Nach 94 Zügen und über fünf Stunden Spielzeit hatte Tatiana damit die wichtige Punkteteilung erreicht, die das 3:3 sicherte.
Im Vorfeld hatten wir auf einen Sieg gehofft, doch nach dem Kampfverlauf muss man objektiv mit der Punkteteilung zufrieden sein. Leipzig bleibt somit auch im dritten Saisonspiel ungeschlagen und steht bei starken 4:2 Zählern. Im Parallelkampf setzte unser Reisepartner vom SV Hemer nach dem verunglückten Saisonstart ein Ausrufezeichen und bezwang mit 3½:2½ die favorisierten Gastgeberinnen aus Rodewisch. Die »Schachmiezen« stehen so mit 1:5 Zählern vor dem morgigen Duell gegen uns ebenfalls unter Druck. Vielleicht gelingt uns ja eine weitere Überraschung!
Vorbericht 2. Wochenende Deutscher Schachbund
Einzelergebnisse 3. Runde
Mannschaftsseite SG-Frauen